Große Macht bedeutet große Verantwortung

Meine Schwägerin ist ihrer Pflicht als Trauzeugin nachgekommen und hat für meinen Verlobten den Junggesellenabschied geplant. Ich wurde als Ablenkungsmanöver eingespannt, denn er durfte ja nichts erfahren. Er wusste nicht wann, was und dass überhaupt…

„Deine Schwester hat uns zum Frühstück eingeladen. Ganz früh morgens…“ Damit fing es an und es wurde immer krasser je näher der Tag rückte.

Sein „Pah, viel zu früh, da gehen wir einfach nicht hin“, hab ich mit Ausflüchten abgeschmettert. Als er Verdacht schöpfte, hab ich getan, als wüsste ich nichts und hab Erklärungen für mein seltsames Verhalten und das seiner Freunde gesucht.

Und dann folgte Lüge auf Lüge.
Ich hab ihm etwas vom Pferd erzählt.
Das Blaue vom Himmel herunter gelogen.
Und ich war gut. – Tatsächlich er hat nichts gemerkt.

Und jetzt?

Jetzt hab ich voll das schlechte Gewissen.
Dabei hab ich gar nicht aus bösem Willen gelogen. Es ist auch niemand zu Schaden gekommen. Die Lügen waren ja nicht tragisch und im Nachhinein sogar witzig. Kann man das überhaupt Lügen nennen?

Und warum fühl ich mich trotzdem so mies? Warum würde ich gerne alle Lügen ungeschehen machen?

Weil mein Verlobter mir Alles – wirklich ALLES – geglaubt hat… egal wie absurd.
Er hat an meinem Wort nicht mal ansatzweise gezweifelt.

Welche Macht hat er mir damit gegeben.
Und welche Verantwortung.

Von Flüssen und Schleifen

Ich bin Rheinländer; in Bonn geboren.
Und als solcher muss ich bekennen:
Es gibt keinen schöneren Fluss als den Rhein.
Der Rhein ist ein ehrlicher Fluss. Er verheimlicht nicht, wo er entlangfließt;
kilometerweit ist der Verlauf zu sehen.

Er hat mir die Sehnsucht gezeigt. Das Streben zum Horizont.
In die Weite blicken. Das Träumen vom Ziel.

Ganz anders die Mosel, an der ich die letzten vier Jahre meines Lebens verbracht habe.
Die Mosel schlängelt sich durch die Weinberge. Sie verrät ihren Verlauf nicht.
Ein Horizont ist nicht zu erkennen, sondern nur eine Kurve.

So sehr ich doch die Ehrlichkeit des Rheins schätze,
habe ich von der Mosel das Schleifen-Schlagen gelernt.
Eben auch mal eine Schleife machen. Nicht immer geradeaus zu gehen.
Sich nicht hetzen lassen, sondern gemütlich sich dem Ziel zu nähern.

Sprachen-Wirrwar

Das Pärchen im Bus vor mir unterhält sich aufgeregt in irgendeiner fremden Sprache – hebräisch denke ich. Neben mir flirtet ein anderes Pärchen in Mandarin.

Ich muss unvermittelt lächeln. Ich verstehe kein Wort; aber ich verstehe die Stimmung – angeregte Diskussion vor mir – schüchterne Kontaktaufnahme neben mir. Ich fühle mich nicht unwohl und lausche gespannt den unbekannten Lauten.

Doch Sprachen können auch echte Grenzen sein. Vor einiger Zeit habe ich als Freiwillige in Taizé eine junge Frau aus Guatemala getroffen. Evelin sprach weder Französisch, Englisch oder Deutsch und ich weder Spanisch noch Portugiesisch. Wie also kommunizieren? Manchmal war es zum verzweifeln. Das Gefühl, wenn man* etwas ganz Banales sagen will und keine Worte dafür hat. Tiefgreifende Gespräche waren gar nicht möglich. Vielleicht haben wir so die Chance verpasst, uns wirklich kennenzulernen. Bis heute weiß ich nicht mal, was sie mag und was nicht. Dabei haben wir wochenlang ein Zimmer geteilt. Ohne gemeinsame Sprache war da eine unüberwindbare Grenze zwischen uns – scheinbar…

Denn es gab sie eben doch, die tiefgreifenden Gespräche – aber ohne Worte. Ein Lachen, ein Lächeln, eine Umarmung oder einfach nur nebeneinander Sitzen, gemeinsam Essen und Beten. Das Leben mit Evelin ging trotz aller sprachlicher Hürden.

Wir wussten nichts voneinander und nahmen die andere einfach so an.

Verständnis, ohne sich verständigen zu müssen.

Wie viele Worte stecken in einem Lächeln, einer Umarmung?

Deckenhass

Eigentlich braucht es wirklich viel, damit ich richtig böse werden kann. Unrecht, Ungerechtigkeit, Rassismus, Menschen, die zur Legitimation ihrer Thesen behaupten, sie wären das Volk, oder Gegentore gegen den FC Kaiserslautern sind unter anderem solche Kapitalverbrechen, die mich richtig aggressiv werden lassen können.

Mit – vielleicht – einer Ausnahme sind das Punkte, bei denen sicherlich jede*r mitgehen kann und sagen kann: „Ja, das kann böse werden lassen, das sind wirklich richtig krasse Dinge!“

Zugegeben: Da gibt es noch was, was ich nicht direkt in die Liste aufgenommen habe, weil es vielleicht doch ein bisschen peinlich ist.

Wenig kann ich so hassen wie meine Decke.

Es ist nachts um 2, man kann nicht schlafen und dann ist die Decke nicht richtig. Die eine Hälfte des Bezugs ist leer und die Decke hat sich entweder unten oder auf einer Seite des Bezugs verdreht. Man versucht mit den Beinen, sie wieder richtig zu machen, zieht rechts und links und oben und unten und es geht nicht.

Nachts um 2, man kann nicht schlafen und muss jetzt sogar noch aufstehen und die Decke ausschütteln. Wenig kann ich so hassen!

Es einmal ausgesprochen zu haben, tut gut: Ich hasse wenig so sehr wie meine Decke, wenn sie nicht richtig ist. Und das ist okay. Vielleicht braucht jeder Mensch absurd klingende Dinge, die man liebt oder hasst. Zumindest hat es mich gelehrt, ein bisschen toleranter gegenüber den Angewohnheiten anderer Menschen zu sein, wenn ich sie auch noch so bescheuert finde.

Meine Freiheit

Ich hasse es abhängig zu sein.
Nicht im Sinne davon, dass eine*r für mich da ist. Dass ich mich auf jemanden verlassen kann. Nicht das Gefühl von Fallen-Lassen. Aufgefangen werden. Ausruhen.

Sondern das Abhängig-Sein.
Der Zwang, dass ich mich fallen lassen muss. Dass ich nicht von alleine aufstehen darf. Dass ich immer die Hilfe brauche, die mir angeboten wird. Dass da eine Person ist, die denkt besser zu wissen, was ich denken, fühlen, sagen, lassen sollte.

Personen, die versuchen meine Freiheit an ihre beschränkten Ketten zu legen, um es mir als eine besonders erhabene Form der Freiheit zu verkaufen. Bis ich nach Tagen, Wochen, Monaten, Jahren endlich begriffen habe, dass eine erhabene Form der Kette trotzdem eine Kette ist.

Um das zu erkennen, brauche ich oft andere. Die mir beistehen. Mir die Ketten zeigen. Die helfen, um mir zu helfen und nicht gleichzeitig eine neue Kette schmieden. Die ein Interesse an meiner Freiheit haben.

Die wissen, dass ich ihnen auch bei ihren Ketten helfen werde.

In Kooperation mit katholisch.de befassen wir uns die Fastenzeit mit den 7 Werken der Barmherzigkeit. Montag, Dienstag, Mittwoch, Freitag und Samstag veröffentlichen wir einen Gebetsimpuls auf der katholisch.de Facebookseite. Und jeden Sonntag einen Gedanken auf unserem Blog. Alle Gedanken sind unter Fastenaktion 2016 abrufbar. #barmherzlich

Feuermomente

Dabei  sein.
Nur nicht trödeln.
Von einer wichtigen Verabredung  zur nächsten.
Immer auf dem Sprung.
„Ich muss aber noch schnell…“

Und dann trotzdem immer irgendwie zu spät kommen.
Nirgens richtig da sein.
Und im Hinterkopf das alte Sprichwort meiner Mutter:
„Du kannst nicht auf jeder Hochzeit tanzen!“
Na und? Ich will es aber versuchen!

So sieht mein Leben in letzter Zeit viel zu oft aus.
Ich hetze von Tür zu Tür und mache all die Sachen die ja soo wichtig sind.
Dann passt mein Leben quasi auf die DinA5 Seite meines Taschenkalenders auf das Display meines Handys.
Und immer öfter liege ich im Bett und stelle mir die Frage:
Heute schon gelebt?

Ich ändere das jetzt.
Leichter gesagt als getan. Aber ich meine es ernst.
Ich lege den Schalter um und versuche mal irgendwo ganz da zu sein.

Angekommen…

Da sein – bei der Tasse Kaffee am Mittag.
Ankommen – beim Abend mit Freund*innen.
Die Zeit vergessen, weil es so viel zu erzählen gibt.
Karten spielen.
Musik hören.
Sich selbst nicht ganz so ernst nehmen.
Der Sonne beim Aufgehen zuschauen.

Die Liste ist lang und könnte noch länger sein.
Es ist meine Liste.
Meine Liste mit Feuermomenten.
Diese Momente will ich brennen lassen, dass es knistert und raucht.

Sie sollen mich wärmen, dass ich auftaue.
Auch wenn mir manchmal der Rauch in die Augen weht.
Auch wenn jede Sekunde der Alltag wieder um die Ecke schaut.

„Du kannst nicht auf jeder Hochzeit tanzen“
Das stimmt.
Deswegen suche ich jetzt den Moment.

Und lasse ihn brennen.

Kabel sortieren

Mein Vater ist ein penibler Mensch, wenn es um Arbeit und Ordnung geht. Bei ihm bekommen Maßband und Wasserwaage sakralen Charakter. Wenn ein Tisch, ein Schrank oder Kabel noch um 5 mm perfekter positioniert werden können, wird es getan.

Ich bin nicht so. Bei mir ist gerne die fünf mal grade und „perfekt“ liegt halt irgendwo zwischen zu gut und zu schlecht.

Zu einer der nervigsten Geschichten zwischen meinem Vater und mir gehört wahrscheinlich das Einrichten seines Büros. Als wir fertig waren, wurde jedes Möbelstück wahrscheinlich achttausendmal angepackt, musste der Schreibtisch gefühlt halb zersägt werden und nochmal neue Kabelhalter gekauft werden, damit auch alle elektrischen Kabel perfekt positioniert werden können.

Seit nun fast vier Jahren hab ich meine eigene Wohnung.
Seit fast vier Jahren nervt es mich, wenn ich unter dem Schreibtisch staubsauge und die Mehrfachsteckdosen, Kabel und Stecker jedes Mal Minuten kosten ,es richtig zu machen.

Aus lauter Sturheit, in diesem Zusammenhang nicht so werden zu wollen wie mein Vater, habe ich wahrscheinlich noch nichts dran gemacht.
Jedes Mal aufs Neue tue ich mir das an.

Manchmal denke ich dann aber doch: So schlecht ist dieser Satz mit dem „die Mitte zwischen euch beiden finden“ nicht.
Manchmal sind auch innere Kompromisse vielleicht ganz sinnvoll.

Weihnachtsprobleme

Ich habe so meine Probeme mit Weihnachten.

Jetzt nicht direkt mit dem Fest an sich, nicht mit der Nachricht, um die es geht.
Darüber will ich heute aber auch nicht reden – heute bin ich nicht der Theologe, der die Weihnachtsgeschichte auslegt.

Heute frage ich mich einfach: Wie soll ich das denn überstehen?

Frei auf der Arbeit – Keine Vorlesungen. Der schöne Alltag, an den ich mich klammere, verpufft.
Dann geht es auf in die Heimat. Mit Sack und Pack zu Mama und Papa.

Der Weihnachtsbaum ist – wie jedes Jahr- irgendwie schief und kahl, weil „sich irgendjemand zu spät drum gekümmert hat ihn zu besorgen.“
Wer genau dafür zuständig war ist unklar – wie jedes Jahr.
Ich war es nicht. (Zum Glück!)

Die Deko ist mir zu hell, zu viel, zu bunt.
Die Küche ist mir zu klein, zu laut, zu unübersichtlich, wenn alle gleichzeitig mitwirken wollen am Weihnachtsbraten.
Das Wohnzimmer zu vollgestellt, zu Kerzenlicht, zu warm. (Mal ehrlch: 25 Grad?!)

Wir schaffen es irgendwie durch Essen, Bescherung und Weihnachtslieder durch, ohne zu streiten.
Jacke an, die Glocke läutet: Abendmesse.

Weil wir „einen guten Platz brauchen, wo man auch was sieht“ sind wir eine gefühlte Stunde zu früh in der Kirche.

Warum tu ich mir das jedes Jahr an?

Vielleicht, weil es genau darum geht (jaa, ich weiß, der Theologe lässt grüßen).
Weihnachten ist etwas, dass man übersteht.
Wo man über sich und den Dingen einfach mal drüber steht. Groß ist.
Den*die andere*n annimmt – genau wie er*sie ist.
Ich schlucke meinen Ärger über Deko, Famille und Braten runter.

Nach der Messe gibt’s noch ein Glas Sekt.

Und ich habe tatsächlich einen tollen Abend.

Überstanden.

Lasst meine Ideen leben

Ich breche ab.

Denn am Ende des Jahres sehe ich viele meiner Ideen am Boden liegen.
Nicht weil ich sie dorthin geworfen habe.
Auf sie wurde mehr eingeredet
als auf Bonnie & Clyde geschossen.
Zugegeben: Einige haben es auch verdient.

Aber die meisten sind zu Unrecht mit Zweifel k. o. geschlagen,
durch Strukturen stranguliert und anschließend fallen gelassen worden.

„Ich weiß nicht, ob das so funktioniert.“

Natürlich weißt du es nicht,
denn es bewegt sich außerhalb deines Komfortbereiches so zu denken.

Natürlich weißt du es nicht,
wenn du allen, die dir so etwas offerieren mit der selben Arroganz begegnest.

„Ich weiß nicht, ob dieser Joghurt wirklich nach Erdbeere schmeckt.“

Dann hör auf rumzuheulen.
Schnapp dir ’nen Löffel.
Mach den Deckel auf und probier ihn!

Aber vor allem sag mir nicht hundertmal, dass du dir nicht sicher bist, ob er wirklich so schmeckt.

Was soll denn passieren?

Vielleicht schmeckt er nach Banane. Auch lecker.
Nicht dein Geschmack? Nicht mein Problem!

Wovor hast du Angst?

Ich lasse meine Ideen nicht mehr so einfach fallen.
Ich werde bei ihnen stehen. Ihnen ein Anwalt sein.
Und dann selber bestimmen, wie lange ich meine Mandantin verteidige.

Ich breche mit eurem Zweifel!
Meine Ideen wollen leben.

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Jeden Tag ein neues Törchen. Dieser Beitrag ist Teil unseres Adventkalenders 2015 zum Thema Aufbruch & Abbruch. Alle weiteren Einträge findest du in unserem Archiv unter Adventskalender 2015.