Aber schau nie im Zorn zurück…

Nach dem schrecklichen Attentat am 22.05.17 in Manchester versammeln sich die Menschen zu einer Schweigeminute in der Innenstadt.

Stille.

Doch ganz leise durchbricht ein leiser Gesang die Schockstarre, in der sich viele befinden.
Nach und nach stimmen immer mehr Menschen in das Lied mit ein, singen erst zögerlich und dann immer selbstbewusster die bekannten Textzeilen mit.

Ein Lied, das eigentlich einer verflossenen Liebe gewidmet ist, wird plötzlich zu etwas Größerem.
Es vereint die Menschen in diesem Moment in ihren unzähligen Emotionen.

„But don’t look back in anger
I heard you say -“

„Aber schau nie im Zorn zurück,
hörte ich dich sagen“

Heute an Silvester laufen die Bilder des Jahres 2017 vor meinem inneren Auge ab.

Und dabei lassen mich diese Textzeilen nicht los.
Wenn ich genau überlege, möchte ich eigentlich genau das, was diese kurze Textzeile ausdrückt.

Nicht im Zorn zurückblicken…

Ich ärgere mich oft und viel. Und ich lasse meinem Ärger auch viel zu oft Raum –
Raum, den er überhaupt nicht verdient.
Wenn ich auf 2017 zurückblicke, dann bitteschön auf die Dinge, die mein Herz erfreut haben.
Momente, die mich berührt haben und die mich heute noch mit einem Lächeln erfreuen.

Nicht im Zorn zurückblicken…

Zögernd und dann immer selbstbewusster.

Manchester crowd sing Oasis song after minute's silence

Aufmachen.

Ein beliebtes Motto für jeden Kindergottesdienst in der Adventszeit. Aufstehen, losgehen, Licht sein. Ein Kinderspiel.

In einer Welt, die oft so finster scheint, so friedlos und kalt, so lieblos und resigniert. In dieser Welt soll ich ein Licht sein?

Immer wieder lese ich von der Hektik und dem Stress vor dem Weihnachtsfest und jetzt beschäftigt mich noch zusätzlich der Gedanke, ein Licht sein zu sollen, das die Dunkelheit hell macht.

23. Dezember und ich bin wie viele zu diesem Tag vor Weihnachten gerast, gefühlt geflogen. Jetzt durchatmen. Habe ich alle Geschenke? Was muss noch für das Essen eingekauft werden? Immer noch brennen nur drei Kerzen auf dem Adventskranz, irgendwas ist komisch dieses Jahr.

Ich will mir vornehmen, die letzte Kerze heute Abend ganz bewusst anzuzünden. Das klingt kitschig, aber vielleicht brauche ich das. Vielleicht nehme ich mir auch vor, kurz still zu sein. Das klingt albern, aber vielleicht brauche ich das. Wann habe ich das letzte Mal gebetet?

Ich wäre wirklich gerne ein Bote dieses Lichts. Ich will erkennen, wo mich Gott in dem Mitmenschen um mich herum anblickt. Ich will hinsehen, wo meine Hilfe nötig ist. Ich will die Dunkelheit hell machen.

Ich freue mich auf Weihnachten.

Ich bin nicht würdig?!

Das schwierige an so einem Adventskalender zum Thema „WürdIch“ ist, auch in der letzten Woche noch Einfälle zu haben, die zu diesem Thema bisher noch nicht geschrieben wurde.

Das letzte Wochenende habe ich mich da doch sehr schwergetan, hin und her überlegt, welchen Aspekt von Würde ich noch beleuchten könnte.

Es wurde Freitag, es wurde Samstag, es wurde Sonntag… Ich hatte einfach keine gute Idee.

Meine letzte Hoffnung habe ich in den Besuch des Gottesdienstes am Sonntag gesetzt. Ich habe mir fest vorgenommen mit offenen Augen und Ohren den Gottesdienst zu besuchen um so vielleicht bestärkende und schöne Aspekte zum Thema „Würde“ und „Ich“ zu hören.

Den ersten Aspekt habe ich in der Lesung gehört.

„Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt.“

Das ist doch schon ein Anfang, so kann’s weitergehen!

Nach der Lesung wird der Zwischengesang gesungen, das Magnificat, der Lobgesang Mariens aus dem Lukasevangelium:

„…Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut…“

Niedrige Magd?! Auf den ersten Blick vielleicht nicht so passend zum Thema „Würde“ und „Ich“. Aber mal sehen, was das Evangelium bereithält:

„…ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe aufzuschnüren…“

Okay, es geht zwar um Jesus, aber selbst für so eine Aufgabe nicht wert genug zu sein?

Puh.

Sensibilisiert für dieses Thema ging es weiter.

„…Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach…“

Also langsam wird es ganz schön dicke!

Am Ende des Gottesdienstes bin ich noch einen Moment am Pfarrbriefstand am Ausgang der Kirche stehen geblieben. Dort war ein kleines Kärtchen, dass wohl zur Heiligsprechung von Papst Johannes XXIII. herausgegeben wurde. Als ich das Kärtchen aufgeschlagen habe, las ich dort, als wäre es eine Zusammenfassung des gesamten Gottesdienstes:

„…Nie ist der Mensch größer, als wenn er kniet…“

Da hatte ich also eine geballte Ladung Inspiration für einen Adventskalendereintrag, wusste nur überhaupt nichts damit anzufangen. In diesem Gottesdienst kam der Gedanke eines niedrigen – ja vielleicht sogar erniedrigten -, demütigen Menschen so direkt und hart auf mich zu, dass alles, was ich wohl theologisch Schlaues darüber sagen könnte, vergessen habe. Mir schwirrte nur die Frage im Kopf: „Wie passt das denn jetzt mit dem Thema des Adventskalenders zusammen? Was kann ich denn da sagen?“

Auf der Heimfahrt hatte ich das Radio an. Ganz zugehört hab ich nicht, aber irgendwo verschwommen im Hintergrund kamen Worte wie: Arabischer Frühling, Jerusalem, Donald Trump, Attentat in Pakistan, Brexit, Raketentest, Antisemitismus…

Da ist es mir auf einmal wie Schuppen von den Augen gefallen.

Ja, es stimmt!

„…Nie ist der Mensch größer als wenn er kniet…“

Zeit, die gekommene.

Endspurt – Weihnachtswoche, die Vorfreude steigt auf Weihnachten.
Doch was wäre, würde ich morgen sterben.

Wäre dann alles gesagt, alles getan?
Wären da noch „offene Rechnungen“, ausstehende Entschuldigungen?

In der vorweihnachtlichen Romantik, die sich zwischen den Jahresabschlussstress ergießt, bleibt kaum Platz für dieses Thema.
Doch es ist da, ganz nah. Und das Leben stellt mir diese Fragen, als ich die weiße Decke über die verstorbene Patientin ausbreite.

Was wäre, würde Morgen das Ende sein, und nicht Weihnachten die Ankunft, der Beginn.

Von der Sehnsucht loszugehen

So wie Raphael mal geschrieben hat, bin ich auch einer, der von Disney-Filmen entscheidend geprägt wurde. Und mein absoluter Disney-Lieblingsfilm ist eindeutig „Herkules“. Und mein absolutes Disney-Lieblingslied (Die sind doch sowieso das Wichtigste in den Filmen, oder?) ist „Go the distance“.

Da geht es um meine Sehnsucht.
Es geht um meine eigenen Potentiale.
Es geht darum, herauszufinden, was ich kann und wer ich bin und wie das zusammenhängt.
Es geht darum, anzukommen.
Und es geht darum, loszugehen.

Wohin gehst du?

Go The Distance - Hercules - Shawn Hook & KHS

Ich kann es nicht

Die Adventszeit gilt als Zeit, in der wir auf Weihnachten warten. Wir warten. Und wir bereiten uns auf das große Fest vor, indem wir Geschenke besorgen, Plätzchen backen, die Wohnung schmücken. Und der*die ein*e oder andere bereitet sich, wenn es die Zeit zulässt, auch innerlich vor – auf den Gedanken, dass Gott in diese Welt gekommen ist.

Wie würde (oder werde) ich mich vorbereiten? Kann ich mich eigentlich vorbereiten? Was muss ich denn eigentlich tun, um Gott angemessen zu empfangen? Was wir an Weihnachten feiern, ist doch eigentlich „unfeierbar“, weil es unsere Vorstellungskraft auf allen Ebenen übersteigt. Ich kann Gott doch gar nicht empfangen, weil ich kleiner Mensch damit völlig überfordert bin. Und all die Floskeln, die man in der Adventszeit allerorten hört – letztlich bleiben sie doch nur Floskeln. „Mein Herz öffnen“, „Liebe verbreiten“. Ja, ja, ja.

Fakt ist doch: Ich kann es nicht. Gott empfangen – dazu fühle ich mich nicht in der Lage. Ich bin schon mit dem Gedanken überfordert, dass an Heiligabend die Wohnung so hergerichtet sein muss, dass andere Menschen kommen können.

Und dann, in den ruhigen Stunden der Adventszeit, da höre ich manchmal eine Stimme. Aus dem Off, ganz leise, die mir zuflüstert: „Ich komme nicht. Du brauchst dich nicht vorzubereiten.“

Es ist eine Stimme, die mir sagt: „Ich muss nicht zu dir kommen, denn ich bin schon da.“

… zum Frieden


Dritter Advent. Friedenslichtsonntag. Jedes Jahr machen sich einige hundert Pfadfinder*innen aus verschiedenen Ländern auf den Weg, holen eine kleine Flamme ab, die in Bethlehem angezündet wurde, und bringen dieses Lichtlein zu ihren Freund*innen, in ihre Gemeinden und ihre restliche Umwelt. Eine schöne Geste, dieses Friedenslicht.

Mich begeistert dieser Gedanke trotz allem jedes Jahr aufs Neue. Etwas Kleines, das geschützt werden muss, reist um die Welt. Wird weitergegeben. Und vor allem: Es setzt Menschen in Bewegung. Wer kann und will, bewegt sich zu einer Aussendungsfeier, nimmt eine Kerze in die Hand, zündet sie an der der/des Nachbar*in an, passt auf, dass kein Wachs auf Jacke, Schuhe oder Hand der/des Selbigen tropft, wacht mit Adleraugen über die Flamme an der eigenen Kerze und hält schützend eine Hand darum, damit sie nicht ausgeht.

Wer nicht kommen kann, aber gerne ein Friedenslicht daheim hätte, findet meistens (so meine naive Hoffnung) einen Weg. Freund*innen, Bekannte oder die Sternsinger*innen bringen das Licht vorbei. Und dann vollzieht sich die gleiche Bewegung immer wieder: Kerze in die Hand nehmen, anzünden, aufpassen, bewachen, beschützen… Das immer wieder zu beobachten, macht mir irgendwie Hoffnung. Hoffnung, dass wir nicht nur lernen, auf eine kleine Flamme aufzupassen, sondern auch, aufeinander aufzupassen. Auf die Hände unserer Nächsten aufzupassen, dass sie keinen Schaden tragen. Egal, wem sie gehören.

Auf dem Weg…

In den letzten Tagen habe ich mich mit den Vorbereitungen zum diesjährigen Friedenslicht beschäftigen dürfen. Das Motto in diesem Jahr, „Auf dem Weg zum Frieden“, fand ich am Anfang zugegebenermaßen recht unkreativ – nicht fancy, nicht spannend genug.

In den letzten Tagen aber habe ich für mich gemerkt, dass es tatsächlich gut in diese Zeit passt (und die braucht meiner Meinung nach gerade echt nicht mehr Lametta). Es spricht für mich eine realistische Sprache: Frieden, den gibt es noch nicht überall. Im Gegenteil, manchmal kann man das Gefühl bekommen, immer mehr Unfriedensorte entstehen, die Welt gerät immer mehr in Schieflage. Und trotzdem die Hoffnung und den Einsatz für ein weltweit friedliches Miteinander nicht aufzugeben, dazu spricht mir das Motto Mut zu. Und auch die Aufforderung: für den Frieden muss man sich bewegen, auf den Weg machen.

Ein Lied, das ich nicht verstehe

Ben Hofer - Du und I - Die Standesbeamtin Soundtrack

Die schweizerische Liebeskomödie „Die Standesbeamtin“ (Was für ein romantischer Name) beginnt mit dem Lied „Du und I“. Eine, wenn man den Text versteht, sicher sehr schnulzige und herzzereißende Liebesballade. Passend zum Film. Wenn man den Text versteht? Korrekt. Denn der ganze Film ist auf schwizerdütsch. Heißt für mich: Ich verstehe kein Wort. Also das ist jetzt auch übertrieben: Ein zwei Happen verstehe ich schon, aber ohne Untertitel hätte ich mir genauso gut auch einen französischen Film anschauen können.

Seitdem ich den Film 2010 in der SneakPreview gesehen habe, geht mir das Anfangslied „Du und I“ nicht mehr aus dem Kopf. Immer mal wieder stoße ich darauf und höre es mir in Dauerschleife an. Es hat zum einen etwas beruhigendes , zum anderen, und an dieser Stelle könnte man mich für verrückt halten, ist es sehr angenehm, dass ich zwar etwas, aber nicht alles vom Text verstehe. Es gibt auch keinen Liedtext online, wo ich mal nachschauen könnte. Ich reime mir einfach den Sinn zusammen. So ist das zwar nicht exegetisch korrekt, aber dafür gibt es immer wieder eine Textzeile die mir im Kopf bleibt.

Verrückt, oder?