Meine Sehnsucht hat ein Zuhause.

Im Schulgottesdienst kurz vor Weihnachten stehe ich vor der leeren Krippe. Sie ist einfach gezimmert und hat dennoch eine enorme Strahlkraft auf mich. Sie allein steht symbolisch aufgebahrt vor dem Altar. 
Ich befinde mich in diesen Tagen permanent auf dem Weg zu irgendetwas und dabei spüre ich die allseits bekannte Hektik. Die letzten Arbeitstage, die letzten Einkäufe und vielleicht auch noch das Besorgen der letzten Geschenke.

Ständig wird mir in der Werbung suggeriert, dass ich in weihnachtlicher Stimmung sein sollte. Eigentlich schon seit den ersten Weihnachtsmännern im Verkaufsregal. Spätestens dann im Dezember die Frage: Was wünschst du dir zu Weihnachten? Bevor ich überhaupt begonnen habe, über die Frage nachzudenken, hat bereits ein Großteil meiner Bekannten am Black Friday „zugeschlagen“.

In unserem Schulgottesdienst dann ebenso die Frage: Was wünsche ich mir in diesen Tagen? Und dabei denke ich in erster Linie nicht an etwas Materielles. Mir geht es eher um meine persönlichen Wünsche, meine Sehnsüchte und meine Hoffnungen. Ich merke, dass mich diese Frage auch an diesem letzten Tag vor Weihnachten beschäftigt.

Wenn ich mich umsehe und die Blicke auf die leere Krippe studiere, dann sehe ich, dass ich nicht alleine bin. Vielfältig und bestimmt unterschiedlich dürften die Antworten sein. Am Ende mag es aber vielen ebenso wie mir gehen. Die Sehnsucht nach den wirklich wichtigen Dingen im Leben. 
Ich komme zur Ruhe vor der unscheinbaren Krippe vor dem Altar. Nach und nach füllt sich die Krippe mit kleinen Zetteln. Überfüllt von persönlichen Sehnsüchten, Hoffnungen und Wünschen. 

Ich darf mir sicher sein, dass meine Sehnsucht ein Zuhause hat. 

Eine Fahrt für den Weltfrieden

Ich fahre gerne mit Mitfahrgelegenheiten und lerne dabei immer neue Leute kennen. Die Begegnung auf meiner letzten Fahrt nach Freiburg begann wie einer dieser schlechten Witze. 

Ein deutscher Kurde, gerade erfolgreich seinen Hauptschulabschluss auf der Abendschule gemacht, gläubiger Muslim. Eine Tunesierin, Assistenzärztin und seit wenigen Monaten in Deutschland, glaubt an Gott, sieht sich aber nicht in einer Religion gebunden. Und eben ich, ein katholischer Religionslehrer. Wir drei in einem Auto und mehr als zwei Stunden gemeinsame Fahrt. Wir drei leben in völlig unterschiedlichen Welten, wurden unterschiedlich sozialisiert und haben für einen kurzen Augenblick ein gemeinsames Ziel: Freiburg. Ansonsten gehen unsere Vorstellungen mal mehr mal weniger weit auseinander. 

Mit der Tunesierin bin ich mir einig über die negativen Seiten von Religion und warum sich Menschen auch abwenden können, wenn sie bspw. als Frau systematisch diskriminiert werden. Für sie gilt als Ärztin aber auch stets der Primat der Wissenschaft. Ganz anders mein zweiter Mitfahrer. Viele würden ihn als naiv gläubig beschreiben. Er fordert uns allerdings auch heraus, indem er ganz selbstverständlich Allah als den Schöpfer der Erde in sechs Tagen sieht und keinen Zweifel an der lenkenden Hand Gottes im Leben aller Menschen zeigt. Eine lebendige Diskussion entsteht über Vorstellungen von Leben nach dem Tod, Himmel und Hölle, Allah, Prophet*innen usw.

Dann schweigen wir eine Zeit lang. Alles wurde gesagt und die Standpunkte scheinen klar zu sein. Ich denke mir, dass in einem Witz jetzt die Pointe kommen müsste. Treffen sich drei Fremde in einem Auto und dann etwas Unvorhergesehenes. Wir nähern uns Freiburg und zum ersten Mal auf der Fahrt hört es auf zu regnen. Der Himmel öffnet sich und die Sonne glitzert durch einen kleinen Spalt in der Wolkendecke.

Wir reden weiter, doch diesmal geht es um das Leben, den Umgang mit den Mitmenschen, Moral und kurz bevor wir ankommen sind wir uns einig: Alle Menschen sind gleich. Unsere Vorstellungen von Religion, Glauben und Gott gehen wahrscheinlich zu weit auseinander. Letztlich bleiben wir bei diesen Themen auch immer Suchende und Fragende. Wenn es aber um das konkrete Leben auf der Erde und in unserem Auto geht, dann wollen wir Frieden und gleiche Rechte für alle.

Bist du gläubig?

Nach ein paar Getränken an der Theke lautet die Frage meiner neuen Bekanntschaft: „Bist du gläubig?“

Ich muss zugeben, dass mir diese Frage häufig gestellt wird und trotzdem muss ich kurz innehalten. Mein erster Impuls ist „Ja“ zu sagen und zu hoffen, dass wir wieder das Thema wechseln können. Mir ist unklar, worauf mein Gegenüber hinaus möchte und welche Antwort ihn zufrieden stellen könnte.

Ich entscheide mich dazu, ihm ausführlicher zu antworten, zeige auf, wie ich das Leben sehe und welche Werte ich vertrete. Wir diskutieren im Anschluss über Gott und die Welt. Er verabschiedet sich mit den Worten: „So einen wie dich habe ich noch nicht getroffen… Ich würde auch gerne glauben.“

Es ist eine dieser Begegnungen, über die ich noch am nächsten Morgen nachdenke. Mit Sicherheit habe ich ihn nicht von etwas überzeugt und wahrscheinlich ist er sich nicht darüber bewusst, was das Gespräch in mir ausgelöst hat.

Doch diese Frage in einer Bar hat mich auf die Adventszeit eingestimmt.

Aufmachen.

Ein beliebtes Motto für jeden Kindergottesdienst in der Adventszeit. Aufstehen, losgehen, Licht sein. Ein Kinderspiel.

In einer Welt, die oft so finster scheint, so friedlos und kalt, so lieblos und resigniert. In dieser Welt soll ich ein Licht sein?

Immer wieder lese ich von der Hektik und dem Stress vor dem Weihnachtsfest und jetzt beschäftigt mich noch zusätzlich der Gedanke, ein Licht sein zu sollen, das die Dunkelheit hell macht.

23. Dezember und ich bin wie viele zu diesem Tag vor Weihnachten gerast, gefühlt geflogen. Jetzt durchatmen. Habe ich alle Geschenke? Was muss noch für das Essen eingekauft werden? Immer noch brennen nur drei Kerzen auf dem Adventskranz, irgendwas ist komisch dieses Jahr.

Ich will mir vornehmen, die letzte Kerze heute Abend ganz bewusst anzuzünden. Das klingt kitschig, aber vielleicht brauche ich das. Vielleicht nehme ich mir auch vor, kurz still zu sein. Das klingt albern, aber vielleicht brauche ich das. Wann habe ich das letzte Mal gebetet?

Ich wäre wirklich gerne ein Bote dieses Lichts. Ich will erkennen, wo mich Gott in dem Mitmenschen um mich herum anblickt. Ich will hinsehen, wo meine Hilfe nötig ist. Ich will die Dunkelheit hell machen.

Ich freue mich auf Weihnachten.