Helikopter-Gott

Vor ein paar Tagen habe ich im Fernsehen einen Beitrag über sogenannte „Helikopter-Eltern“ gesehen. Aus unterschiedlichen Gründen, aber immer auf einem fragwürdigen Verständnis von Liebe basierend, überwachen und behüten solche Eltern absolut überfürsorglich ihre Kinder – sie umkreisen sie immer, eben wie Beobachter*innen in einem Helikopter.

Im Beitrag wurden verschiedene Beispiele gezeigt; für mich eines irritierender als das andere: Grundschulen, die vor der Schule sogenannte „Kiss and go“-Zonen einrichten, die verhindern sollen, dass Eltern ihre Kinder sogar bis vors Klassenzimmer bringen; Jugendliche, die dem Druck ihrer überfürsorglichen Eltern nicht standhalten und Polizist*innen, die davon berichten wie oft Eltern von Studierenden sich bei der Polizei mit der Bitte melden, mal in der Studentenbude vorbeizuschauen, da sie das Kind seit geschlagenen sechs Stunden nicht erreichen.

Ich musste an mehreren Stellen bei diesem Beitrag schmunzeln und bin sehr froh, dass meine Eltern nicht so sind. (Auch hoffe ich, dass ich als Vater nie so sein werde.)

Am nächsten Tag habe ich mit einem Freund beim Fußball über diesen Beitrag gesprochen. Ich habe ihm ungefähr genau das erzählt, was ich gerade aufgeschrieben habe. Sofort warf er mir vor: „Ach komm, du bist katholisch! Das ist so übelst Helikopter! Gott guckt jeden die ganze Zeit an und so…“

Da war ich platt. Normalerweise gebe ich mich in Diskussionen nicht so leicht geschlagen, aber bei diesem Einwurf hatte ich so schnell keine passende Antwort parat. Denn so wie er und ich es damals im Kommunionuntericht und Co. beigebracht bekommen haben, mit der Rede über einen Gott, der immer über einen wacht, so ist das schon ziemlich Helikopterstyle.

Es ging mir einfach nicht aus dem Kopf.

Ich bin den Beitrag mit seinen Beispielen nochmal durchgegangen. Und vielleicht zeigt sich ja durch das ständige Begleiten und Sorgen auch eine besonders Art von Liebe und Zuneigung der Eltern. Vielleicht. Aber Gott handelt anders: Bei Jona gab es vor Ninive keine „Kiss and Go“-Zone, der Prophet Ijob wurde von Gott unter großen Druck gesetzt und bei Jesus kam auch kein*e Polizist*in, nur weil er mal 40 Tage in der Wüste war. Nein, mein Gott ist kein Helikopter. Mein Gott hat Zutrauen. Das ist echte Liebe.

Kabel sortieren

Mein Vater ist ein penibler Mensch, wenn es um Arbeit und Ordnung geht. Bei ihm bekommen Maßband und Wasserwaage sakralen Charakter. Wenn ein Tisch, ein Schrank oder Kabel noch um 5 mm perfekter positioniert werden können, wird es getan.

Ich bin nicht so. Bei mir ist gerne die fünf mal grade und „perfekt“ liegt halt irgendwo zwischen zu gut und zu schlecht.

Zu einer der nervigsten Geschichten zwischen meinem Vater und mir gehört wahrscheinlich das Einrichten seines Büros. Als wir fertig waren, wurde jedes Möbelstück wahrscheinlich achttausendmal angepackt, musste der Schreibtisch gefühlt halb zersägt werden und nochmal neue Kabelhalter gekauft werden, damit auch alle elektrischen Kabel perfekt positioniert werden können.

Seit nun fast vier Jahren hab ich meine eigene Wohnung.
Seit fast vier Jahren nervt es mich, wenn ich unter dem Schreibtisch staubsauge und die Mehrfachsteckdosen, Kabel und Stecker jedes Mal Minuten kosten ,es richtig zu machen.

Aus lauter Sturheit, in diesem Zusammenhang nicht so werden zu wollen wie mein Vater, habe ich wahrscheinlich noch nichts dran gemacht.
Jedes Mal aufs Neue tue ich mir das an.

Manchmal denke ich dann aber doch: So schlecht ist dieser Satz mit dem „die Mitte zwischen euch beiden finden“ nicht.
Manchmal sind auch innere Kompromisse vielleicht ganz sinnvoll.