Gewitter

Flirrende Hitze. Den ganzen Tag.
Über 40°.
Ein richtiger Sommertag. Heiß.

Mit dem Abend kommt eine Brise, dann die Wolken.
Gewitterwolken.
Im Dunkeln erste Blitze, leiser Donner.

Ich sitze auf meinem Balkon und bestaune die Wolken, die sich rund um den bewaldeten Horizont sammeln.
Mehr Wind. Mehr Blitze.
Auf allen Seiten.

Mit den ersten Tropfen in mir drei Gedanken:
Wie klein ich bin.
Wie groß alles andere.
Und wie schön das ist.

Sprachen-Wirrwar

Das Pärchen im Bus vor mir unterhält sich aufgeregt in irgendeiner fremden Sprache – hebräisch denke ich. Neben mir flirtet ein anderes Pärchen in Mandarin.

Ich muss unvermittelt lächeln. Ich verstehe kein Wort; aber ich verstehe die Stimmung – angeregte Diskussion vor mir – schüchterne Kontaktaufnahme neben mir. Ich fühle mich nicht unwohl und lausche gespannt den unbekannten Lauten.

Doch Sprachen können auch echte Grenzen sein. Vor einiger Zeit habe ich als Freiwillige in Taizé eine junge Frau aus Guatemala getroffen. Evelin sprach weder Französisch, Englisch oder Deutsch und ich weder Spanisch noch Portugiesisch. Wie also kommunizieren? Manchmal war es zum verzweifeln. Das Gefühl, wenn man* etwas ganz Banales sagen will und keine Worte dafür hat. Tiefgreifende Gespräche waren gar nicht möglich. Vielleicht haben wir so die Chance verpasst, uns wirklich kennenzulernen. Bis heute weiß ich nicht mal, was sie mag und was nicht. Dabei haben wir wochenlang ein Zimmer geteilt. Ohne gemeinsame Sprache war da eine unüberwindbare Grenze zwischen uns – scheinbar…

Denn es gab sie eben doch, die tiefgreifenden Gespräche – aber ohne Worte. Ein Lachen, ein Lächeln, eine Umarmung oder einfach nur nebeneinander Sitzen, gemeinsam Essen und Beten. Das Leben mit Evelin ging trotz aller sprachlicher Hürden.

Wir wussten nichts voneinander und nahmen die andere einfach so an.

Verständnis, ohne sich verständigen zu müssen.

Wie viele Worte stecken in einem Lächeln, einer Umarmung?

I believe in you

Es ist spät.

Zu spät, um noch klar denken zu können. Doch der Papierstapel vor mir schreit mir entgegen: „Schaff was! Feierabend ist nicht!“

Ich bin genervt und kann nicht anders als zweifeln, ob ich mir nicht doch zu viel vorgenommen habe und ob ich das wirklich schaffen kann.

Während ich rumzweifele statt voran zu machen, singt mir irgendwer aus irgendeiner spotify-Playlist zu: „I believe in you!“

Schön. Danke.

Kurz ist die Hintergrundbeschallung keine Hintergrundbeschallung mehr.

Ich schaue nach, wer das ist, der da so viel von mir hält. Er heißt Tyler Hilton. Was er sonst noch so in seinem Lied singt, ist mir egal. Ich muss auch nicht unbedingt weitere Lieder von ihm hören.

Aber sein Credo gefällt mir, weil ich mir einbilde, dass es mir gilt.

Es lässt mich in dem Moment alle vergessen, die so tolle Sätze gesagt haben wie „Ambitionierte Ziele!“, „Wie soll das gehen?“, „Da hast du dir aber was vorgenommen…“

Und ich erinnere mich an die, die gesagt haben „Das wird schon klappen.“, „Ich mach mir da keine Sorgen, du bekommst das hin.“, „Ich glaube an dich.“

Es ist immer noch zu spät. Und auch der Papierstapel nervt mich immer noch. Aber ich kann jetzt anders als zweifeln.

„I believe in you!“

Hört sich gut an, fühlt sich gut an, danke!

Danke, spotify! Danke, Tyler! Und eigentlich danke euch, die ihr wirklich mich meint…

I Believe In You (ft. Tyler Hilton)

Her mit dem Roboter-Missionar!

Manchmal können Lösungen so einfach sein! Das dachte ich zumindest, als ich in den vergangenen Tagen über den buddhistischen Roboter-Mönch gestolpert bin (virtuell, versteht sich). Das kleine Kerlchen namens Xian’er hat einiges auf dem Kasten: Er kann über den buddhistischen Glauben aufklären, Gebete aufsagen und sich frei im Tempel bewegen. Das soll er auch tun, denn Xian’er ist dazu gemacht, zu demonstrieren, dass sich Glaube und Wissenschaft nicht widersprechen und so neue Gläubige zu gewinnen. So sieht das aus:

China's robot monk has lessons on Buddhism

Sowas könnten wir doch auch gut gebrauchen. In Zeiten von Pfarrer*innen- bzw. Priestermangel und Gemeinden, die zusammengelegt werden wären Roboter  eine tolle Entlastung. Lästige Fragen in Glaubenssachen, auf die sowieso jeder andere Antworten gibt – endlich könnte hier für Ordnung gesorgt werden. Eine zentrale Datenbank auf Abruf, fertig. Und das, ohne wertvolle Arbeitszeit der Geistlichen für zeitraubende persönliche Gespräche zu vergeuden.

Und bei Predigten erst! Man könnte die Langeweile aus dem Quellcode streichen, zack, schon hält es uns vor Spannung kaum noch auf den Kirchenbänken. Licht- und andere Effekte sind heutzutage auch kein Problem mehr (Idee: Augen, die plötzlich rot leuchten, wenn das Wort „Hölle“ vorkommt, vielleicht noch mit etwas Schwefeldampf aus den Ohren). So wird der Kirchenbesuch künftig auch bei Protestant*innen ganz unaufwendig zum Erlebnis, das alle Sinne anspricht.

Nicht vergessen darf man natürlich das eingebaute Staubsaugermodul, das beim Kirchen-Roboter keinesfalls fehlen darf. Wenn der Roboter sich selbstständig bewegt, kann er dabei auch gleich saubermachen. Wieder Geld und Zeit gespart.

Ein ganz netter Nebeneffekt: Roboter sind cool. Der Bezug zur Lebenswelt derer, die er erreichen möchte, fiele einem Roboter-Missionar nicht schwer. Star Wars, Ex Machina, Terminator, RoboCop – in Sachen Anschlussfähigkeit sind Roboter auf der sicheren Seite. Langfristig, garantiert.

Worauf warten wir also noch?

Du weißt den Weg für mich?

Taizé – tausende Jugendliche und junge Erwachsene wimmeln wie in einem riesengroßen Ameisenhaufen umher. Hier wird gesungen, da gespielt, woanders einfach nur geredet.

Mittendrin bin ich. Obwohl ich nun schon zum dritten Mal hierher komme, begegne ich Taizé immer noch skeptisch. Vieles geht mir hier auf den Senkel. Regeln, Kontrolle und vieles andere.

Aber da sind auch noch die Gebetszeiten in der Versöhnungskirche in Taizé.

Alle sitzen auf dem Boden, singen gemeinsam die bekannten Gesänge und schweigen gemeinsam fünf Minuten. Irgendwie befreiend.
In den kleinen Momenten, in denen ich die perfekte Sitzposition gefunden habe und mein Rücken sich nicht beschwert, kann ich abschalten.

Ein Gesang aus Taizé geht mir dabei immer wieder durch den Kopf.

Gott, laß meine Gedanken sich sammeln zu dir.
Bei dir ist das Licht, du vergißt mich nicht.
Bei dir ist die Hilfe, bei dir ist die Geduld.
Ich verstehe deine Wege nicht,
aber du weißt den Weg für mich.

Der Text entstand aus einem Gebet von Dietrich Bonhoeffer.

Gefangen und in Todesangst schreibt Dietrich Bonhoeffer diese Zeilen voller Vertrauen in dich.
Eine schöne, vielleicht auch naive und beängstigende Vorstellung. Du weißt den Weg für mich.
Aber diese Zeilen erreichen mich. Erst recht, wenn ich weiß, wer sie verfasst hat.

Im ständigen Wiederholen dieses Liedes werde ich tatsächlich ruhig und bekomme Mut.
Mut zur Hoffnung.
Mut zum Glauben.
Mut auf diesen Weg zu vertrauen.
Mit dir.

httpv://www.youtube.com/watch?v=D7DiR–b9DQ

„Risen“ – ein Ereignis, das verändert?

„I believe I can never be the same.“ Mit diesen Worten fasst der Protagonist des Films „Risen“ (deutsch: „Auferstehung“) zusammen, was er über die merkwürdigen Ereignisse nach der Kreuzigung Jesu denkt. Es sind eindrucksvolle Worte nach der Hetzjagd nach dem Leichnam Jesu und nach einer Begegnung, die der römische Tribun nie für möglich gehalten hätte.

Die Auferstehung als Thema eines Hollywood-Films, die Botschaft so klar und deutlich wie in der Bibel selbst. Irgendwie schade. Eine Neuinterpretation, eine herausfordernde Spielart, die bisher Geglaubtes hinterfragt, mich aufregt, mich fordert – wäre das nicht viel spannender gewesen als eine alte Geschichte in neuem Gewand?

Dennoch: Die finalen Worte hallen auf dem Weg aus dem Kinosaal in meinem Kopf nach. „I believe I can never be the same.“ Und da dämmert es: Ist das provozierende vielleicht gerade die Frage, die mir der Film mit diesem Schlusssatz mitgibt? Was könnte herausfordernder sein, als mich aufzufordern, mir ganz konkret zu überlegen: Was verändert Ostern – in meinem Alltag, meinem Innern, meinem Leben?

Märchenstunde

Ich war schon immer ein großer Freund von Märchen. Ganz besonders haben es mir die Gebrüder Grimm angetan, bis heute kann ich aus meinem Märchenbuch fast jede Geschichte auswendig.

Mein Lieblingsmärchen ist eines der kürzesten aller Grimm-Märchen. Das Märchen vom Sterntaler.

Ein armes, heimatloses Waisenmädchen macht sich aus lauter Einsamkeit, Armut und Verzweiflung eines Nachts auf den Weg auf ein Feld. Es heißt dabei, es ginge „im Vertrauen auf den lieben Gott“. Dieser Satz hat mir immer sehr gut gefallen. „Im Vertrauen auf den lieben Gott“ klingt sehr kindlich, irgendwie lieb und zutraulich.

Auf ihrem Weg verschenkt das Mädchen das bisschen, was es noch hat, an Menschen, die genauso arm sind wie es selbst.
Ohne zu zögern, verschenkt das Mädchen auch all seine Kleidung, so dass es am Ende selbst nackt im Dunkeln auf dem Feld steht.

Als Kind fand ich das unfassbar.
Das Mädchen hat sich selbst nackt gemacht, um andere zu bekleiden.
Die eigene Kleidung aufgegeben, um anderen in dieser dunklen, kalten Nacht Wärme und Geborgenheit zu schenken.
Ein Mädchen, das selbst kaum etwas hat.

Heute finde ich diese Geschichte immer noch unfassbar.
Sie begegnet mir jedes Jahr aufs Neue in der harten Realität, wenn ich nach Kenia reise. Dort helfen die Ärmsten der Armen sich gegenseitig. Beschenken sich mit allem, was sie haben, auch wenn sie dabei selbst am Ende nackt dastehen.

Viele reiche Menschen bei uns horten und vermehren ihren Besitz ins Unermessliche. Aus Schnäppchenwahn kaufen so viele Menschen T-Shirts für 3 Euro, werfen sie nach 4 Wochen wieder weg oder stopfen sie tief in den sowieso viel zu vollen Kleiderschrank, während im Fernsehen die Bilder von hungernden und frierenden Kindern über den Bildschirm laufen.

Früher dachte ich: Irgendwie ist sie doch wahnsinnig, dieses Mädchen im Märchen.

Heute bewundere ich sie: Auch ich kaufe viel zu oft billige Dinge, handel wider besseres Wissen und habe zu viel Angst um mein „gutes Leben“, meinen privaten Besitz.

Muss man vielleicht selbst arm sein, um anderen helfen zu können? Muss man selbst fast nackt sein, um Kleidung teilen zu können?

Das glaube ich nicht.

„Im Vertrauen auf den lieben Gott“ ging das kleine arme Mädchen hinaus aufs Feld.

Und wie es so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel, und waren lauter harte blanke Taler: und ob es gleich sein Hemdlein weggegeben, so hatte es ein neues an, und das war vom allerfeinsten Linnen. Da sammelte es sich die Taler hinein und war reich für sein Lebtag.

Ich will lernen, Menschen zu bekleiden.
Ich will lernen, hinaus aufs Feld zu gehen, meinen Egoismus zu vergessen.
Ich will es lernen, dieses „Im Vertrauen auf den lieben Gott“.

In Kooperation mit katholisch.de befassen wir uns die Fastenzeit mit den 7 Werken der Barmherzigkeit. Montag, Dienstag, Mittwoch, Freitag und Samstag veröffentlichen wir einen Gebetsimpuls auf der katholisch.de Facebookseite. Und jeden Sonntag einen Gedanken auf unserem Blog. Alle Gedanken sind unter Fastenaktion 2016 abrufbar. #barmherzlich

Feuermomente

Dabei  sein.
Nur nicht trödeln.
Von einer wichtigen Verabredung  zur nächsten.
Immer auf dem Sprung.
„Ich muss aber noch schnell…“

Und dann trotzdem immer irgendwie zu spät kommen.
Nirgens richtig da sein.
Und im Hinterkopf das alte Sprichwort meiner Mutter:
„Du kannst nicht auf jeder Hochzeit tanzen!“
Na und? Ich will es aber versuchen!

So sieht mein Leben in letzter Zeit viel zu oft aus.
Ich hetze von Tür zu Tür und mache all die Sachen die ja soo wichtig sind.
Dann passt mein Leben quasi auf die DinA5 Seite meines Taschenkalenders auf das Display meines Handys.
Und immer öfter liege ich im Bett und stelle mir die Frage:
Heute schon gelebt?

Ich ändere das jetzt.
Leichter gesagt als getan. Aber ich meine es ernst.
Ich lege den Schalter um und versuche mal irgendwo ganz da zu sein.

Angekommen…

Da sein – bei der Tasse Kaffee am Mittag.
Ankommen – beim Abend mit Freund*innen.
Die Zeit vergessen, weil es so viel zu erzählen gibt.
Karten spielen.
Musik hören.
Sich selbst nicht ganz so ernst nehmen.
Der Sonne beim Aufgehen zuschauen.

Die Liste ist lang und könnte noch länger sein.
Es ist meine Liste.
Meine Liste mit Feuermomenten.
Diese Momente will ich brennen lassen, dass es knistert und raucht.

Sie sollen mich wärmen, dass ich auftaue.
Auch wenn mir manchmal der Rauch in die Augen weht.
Auch wenn jede Sekunde der Alltag wieder um die Ecke schaut.

„Du kannst nicht auf jeder Hochzeit tanzen“
Das stimmt.
Deswegen suche ich jetzt den Moment.

Und lasse ihn brennen.

Untertitelbetrachtung

Dreifach Glauben. leben mit glauben – glauben mit leben. Klingt konventionell, unglaublich fetzig, sonntäglich katholisch … eh ja, wie denn jetzt eigentlich?

Als gute Studentin lernt man ja, sich zunächst mal mit den Begriffen auseinanderzusetzen – deshalb hier ein Versuch über unseren Untertitel (liebe Theologen, das LThK hab ich zugelassen , sondern mal ganz schlicht gegoogelt, nehmt es mir nicht übel):

leben: Leben ist der Zustand, den Lebewesen gemeinsam haben und der sie von toter Materie unterscheidet … (wikipedia.de)

Das heißt ja eigentlich, Leben ist das Gegenteil von Tod. Aber was gehört dazu? Aufstehen, lernen, essen, lachen, weinen, reden, Zähneputzen, Sport, kochen, staubsaugen … alles , was ich so den lieben langen Tag tue. So weit, so gut.

glauben: für möglich und wahrscheinlich halten, annehmen; meinen … jemandem, einer Sache vertrauen, sich auf jemanden, etwas verlassen/ vom Glauben erfüllt sein … in seinem Glauben von der Existenz einer Person oder Sache überzeugt sein … (duden.de)

Hier bietet sich eine ganze Reihe von Bedeutungen. Kann ich auch allem erstmal so zustimmen. Glauben ist Vertrauen, oft Gefühl, aber auch Überzeugung.

Und nicht zuletzt steht da noch

mit: drückt Gemeinsamkeit … Wechselseitigkeit bei einer Handlung aus (duden.de)

Klar, es verbindet Dinge miteinander, stärker noch als ein schnödes „und“.

So. Und was habe ich jetzt davon? Zusammen genommen ergäbe es ja so etwas wie: „Alles, was ich den lieben langen Tag tue, hat eine Gemeinsamkeit mit dem, auf das ich vertraue, wovon ich überzeugt bin und was ich fühle.“

Hmm. Vielleicht mit einem Grundsatz, der mir aus der Pfadfinderei vertraut ist: „Als Pfadfinderin sage ich, was ich denke, und tue, was ich sage“. Wovon ich überzeugt bin, schlägt sich in meinem alltäglichen Leben nieder und umgekehrt bleiben die Dinge, auf die ich vertraue, nicht unbeeindruckt von dem, was mich umgibt.

Oder mit Christoph Theobald auf den Punkt gebracht: „Leben und glauben, dass es gut ist zu leben, ist ein und dasselbe.“