Glaube 2.0. Bitte.

Ich beginne den Tag mit dem Blick aufs Handy. Wecker aus. Wie viel Uhr haben wir? Welche Mails kamen über Nacht? Was sagt mein Armband, wie lange mein Tiefschlaf war? Dann erst aufstehen, duschen, Kaffee.

Beim Frühstück verraten mir ToDo-App und Kalender, was den Tag über so ansteht. Durch die verschiedenen Messenger stehe ich direkt in Kontakt.

So geht es den ganzen Tag. Mein Smartphone ist mein Wegbegleiter. Etwas, das ich nicht missen möchte. Es erspart mir verschiedene Kalender, ToDo-Listen, Telefonate und Wissenslücken.

Nur eine Sache fehlt: das Beten, die Andacht. Nicht, weil ich das nicht möchte, sondern weil es nichts gibt. Durch viele Apps organisiere ich mein Leben, aber mein Glaube bleibt chaotisch, unorganisiert und oft auch unbeachtet.

Ich wäre gern auch mit meinem Glauben digital.

Ein Stück vom Zuckerkuchen

So langsam komme ich ja tatsächlich in das Alter, in dem der Anteil an Hochzeiten und Taufen im Partygeschehen prozentual sprunghaft ansteigt. Aber keine Angst, das wird kein jammervoller Sinnsuche-Artikel der mittleren Zwanziger à la

Wo will ich hin? Was macht mein Leben aus? Warum heiraten alle, nur ich nicht? (Nicht, dass es diese Momente nicht gäbe…)

Das Schöne, besonders an den Taufen, ist, dass wir dadurch im Freundeskreis ein neues Thema bekommen haben. Es eignet sich hervorragend dazu, all die lebenswichtigen Fragen und theologischen Diskussion mal beiseite zu lassen: die liebsten Kindergeschichten.

Ist das ein aktueller Trend, dass man Kindern jetzt Geschichten schenkt? Zumindest ist es mir in letzter Zeit häufiger begegnet – vielleicht sollte ich mal die Väter hier im Team fragen 😉 Ich finde die Idee jedenfalls echt toll.

Außerdem war sie der Auslöser dazu, die Gespräche über Jobsuche, Abschlussarbeiten und Theodizee einmal beiseite zu schieben. Bei dieser Diskussion hab‘ ich einige gute Freund*innen nochmal neu kennengelernt. Auf eine Art, die uns, die wir uns erst im Studium begegnet sind, bisher verwehrt blieb.

Wir tauchten ein in ein Stück Kindheit der/des anderen, lieferten uns einen Schlagabtausch, warum der Regenbogenfisch mindestens genauso schön ist wie Helme Heines drei Freunde oder Die drei Fragezeichen. Erörterten, wie Astrid Lindgren so unglaublich tolle Bücher geschrieben hat und warum wir alle eigentlich Lisa, Ole, Lasse oder Ronja heißen wollen.

Das Bewegende an dieser Diskussion fand ich, dass sie nie entschieden werden kann. Klar kann man überlegen, welche Geschichte den höheren pädagogischen Gehalt hat, die besseren Werte vermittelt… Oder man kann einfach erkennen, dass es etwas ist, das der/dem Gegenüber viel bedeutet, das sie oder ihn geprägt hat. Es sind Stücke einer wie auch immer verlaufenen Kindheit – in der es zumindest einen schönen Punkt gab – die Lieblingsgeschichte nämlich.

In diesem Sinne: Danke, liebe Eltern, für den Gedankenanstoß. Wir kommen gerne mal zum Vorlesen vorbei!

Thom Yorke – der Satan in mir?

Thom Yorke ist der Sänger der Band Radiohead. Man muss deren Musik nicht mögen. Aber für die Christ*innen-Kolleg*innen von „Generation for God“ stellt Yorke wohl so etwas wie die Inkarnation des Antichristen dar. Zumindest impliziert das der folgende Tweet: 8 things that satan uses to enslave you and destroy you: pic.twitter.com/qZGIXVYlLe — Generation for God … Weiterlesen …

Das Radio in meinem Kopf

Ohrwurm, der
Substantiv, maskulin
(umgangssprachlich) Lied, Schlager, Hit, der sehr eingängig und einprägsam ist
mögliche Synonyme: Gassenhauer, Schnulze, Song

Ziemlich nervig, diese Viecher. Nur zwei Takte „Atemlos“ und man* wird es die ganze Nacht nicht los. Ok, das ist wirklich der worst case.

Es geht auch anders. Mein letzter Ohrwurm, der mich Tage begleitet hat, war der neue Star Trek-Titel. Den hab ich solang vor mich hingesummt, bis mein Mann mir den Soundtrack besorgt hat und es als Wecker und Klingelton eingestellt hat.

In dieser Musik könnte ich mich verlieren. So majestätisch, so – fast würde ich altmodisch sagen – „erhaben“. Das löst Gefühle in mir aus, bringt mich in eine bestimmte Stimmung.

Und jedes mal wenn ich in meinem Alltag auf diese Stimmung treffe, wenn ich mir einen Sonnenaufgang ansehe oder wenn ich einen Vogel erhaben durch das Himmelsblau schweben sehe, wird diese Musik in meinem Kopf gespielt –
als mein ganz persönlicher Soundtrack.

Oft merke ich erst in welcher Stimmung ich bin,
wenn ich bewusst auf mein Radio im Kopf höre.
Welche Songs sind gerade dran?

Und manchmal bin ich dann überrascht:
Da trällert mein Hirn ein Taizè-Lied dahin
und erinnert mich daran,
dass es mehr gibt in meinen hektischen Alltag.

Zwei Welten?

Valerie und der Priester gehört seit etwa einem halben Jahr zu meiner regelmäßigen Lektüre. Valerie Schönian folgt bei diesem Blog dem jungen Priester Franziskus – das Motto: Die agnostische Journalistin und der Mann Gottes erklären dem*der anderen (und dem*der Leser*in) ihre Lebenswelt.

Was erstmal ein wenig wie ein neues Format von den Macher*innen von Frauentausch und Co. klingt, liest sich überraschend frisch. Die Protagonist*innen versuchen so klar, ehrlich und authentisch wie möglich Fragen zu stellen und zu beantworten – und das gelingt sogar meist.

Als Leser interessiert mich der Austausch, das Wieso und Wohin der Beiden.
Mich interessieren die kleinen und großen Konflikte: Frauenpriestertum (natürlich), die Frage nach dem Nutzen des Gebets, und vieles mehr.

Schade ist, das ich – der Leser – mich fühle, als müsste ich mich entscheiden. Team Franziskus oder Team Valerie?
Liberal und fresh, oder konservativ und Angst vor Sexszenen im Theater?
Muss ich als Mensch, der an Gott glaubt und deswegen Theologie studiert, immer mit Franzsiskus übereinstimmen?

Oder darf ich katholisch sein und mich trotzdem fragen, ob „Jesus hatte ja nur Männer berufen“ wirklich Grund für den kategorischen Ausschluss des Frauenpriestertums sein kann?
Darf ich katholisch sein und trotzdem für die absolute Gleichberechtigung kämpfen?
Ich möchte Franziskus zustimmen, wenn er vom persönlichen Glück einer Beziehung zu Gott spricht.
Aber ich möchte auch mit Valerie fragen dürfen, ob das klassische Gebet dazu der einzige, der beste Weg ist.

Es gibt keine einfachen Antworten – aber deswegen darf ich doch das Fragen nicht aufgeben, oder?
Wie sieht christliches Leben aus – abseits des Pfarrhauses?

Ich will Austausch.
Ich will wissen, was die Menschen glauben.
Ich will aufhören, so zu tun, als wüsste ich alles.

Es gibt keine einfachen Antworten – aber ich darf doch das Fragen nicht aufgeben, oder?

Welcher Weg denn jetzt?

Gott, lass meine Gedanken sich sammeln zu dir.

Einmal durchatmen. Ich lasse den Blick in die weite streifen. Die Sonne geht auf. Der Nebel zieht weg. Ich atme ein. Kalte Luft füllt die Lunge. Ich atme aus. Wolken bilden sich. Meine Gedanken kreisen. Das eine könnte ich noch. Das andere geht nicht mehr. Hier noch schnell was machen. Hab ich da etwas vergessen? Ich atme ein. Mich sammeln. Geht gar nicht mal so schnell. Bei dir? Geht gar nicht mal so einfach.

Bei dir ist das Licht, du vergisst mich nicht.

Puh. Ob das so stimmt? Du vergisst mich nicht? Nimmst den Mund doch ganz schön voll. Kannst du halten, was du versprichst? Ich atme ein und wünsche mir, dass es stimmt. Dass du auch an mich denkst.

Bei dir ist die Hilfe, bei dir ist die Geduld.

Dass du mir eine Hilfe bist. Dass du mir hilfst geduldiger zu sein. Auch mal abzuwarten. Eine Stille zu nutzen, um herauszufinden was ich will.

Ich verstehe deine Wege nicht,

Ich atme aus und genauso unberechenbar wie die sich bildenden Formen des Atems fühlt sich der Weg an, auf dem ich bin. Da geht es entlang und dann ist es weg.

aber du weißt den Weg für mich.

Das ist wohl alles, was mir bleibt. Die Sonne ist aufgegangen. Der Nebel ist weg. Meinen Atem sehe ich nicht mehr. Ich fang‘ dann mal meinen Tag an.

Fun mit dem Hampelmann Jesus

Christliche Kinderfreizeiten, hach, die sind schon was Tolles. Da haben nicht nur die Kids, sondern auch die Mitarbeiter*innen Fun. Es gibt mindestens zweierlei Arten: Zum einen die, die eine erlebnisreiche gemeinsame Woche beim Zelten verbringen. Und zum anderen die, die dabei noch ein Musikvideo zum „ultimativen Kids-Freizeitsong 2016“ drehen und das anschließend bei Youtube reinstellen, um das Image der Christenheit aufzupolieren. Oder so.

Sommerhit 2016 – Kennst du Jesus? (Zukunft für DICH)

Die einen freut’s wie ein Hampelmann, mich schüttelt’s wie einen Zitteraal. „Ich will mit Jesus geh’n, [..] so hab ich kein Problem!“ und „Du kannst alles von ihm haben, komm und leb‘ in seinem Licht“.

Dass das noch niemand entdeckt hat: Leb‘ als Christ*in und alles ist gut. Keine Probleme, alle Wünsche werden dir erfüllt. (Nicht verraten: Geht mir seit Jahren so, ich erzähl es nur nicht weiter – sonst müsste ich Gott, der mich – zurecht – zum Mittelpunkt des Universums macht, ja mit anderen teilen.) Warum erzählt man Kindern sowas? Warum tut man das? Warum nur? Warum? 

Ein solches Gottesbild setzt mich so sehr unter Strom, dass ich eigentlich meinen Laptop künftig gar nicht mehr aufladen müsste. Der Hampelmann ist in dem Song in Wirklichkeit nicht die Sängerin, auch wenn sie das behauptet („Ich freu mich wie ein Hampelmann, mit dir macht’s einfach Fun!“). Der Hampelmann in der Geschichte ist Jesus: Zieh unten an der Schnur, und er macht genau, was du erwartest. Und verkommt dabei zur völligen Witzfigur.

Bodenhaftung

Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden. 2. Mose 3,5b

– der vetrocknete Stoppelrasen meiner Kindheit im Garten meiner Eltern, auf dem ich die ersten Schritte machte

– die Pflastersteine unter der Laterne, unter der wir uns das erste Mal küssten

– die Grashalme im Innenhof der Uni, auf denen wir im Februar picknickten

– der Waschbeton des Balkons in der WG von vorletztem Sommer

– der Waldboden heute morgen beim Laufen

– die Kieselsteine in der Freiluftdusche im Zeltlager, durch die das Wasser direkt zurück in den Fluss geht

– die Küchenfliesen vor dem Herd, auf dem ich jeden Tag ohne Sorgen mein Essen kochen kann

– der Bahnsteig, auf dem ihr gleich ankommt

– die Felsen unterm Gipfelkreuz

– der Bächlekanal an einem warmen Sommerabend

– der Matsch beim Silvesterzelten, der in all den Jahren immer tiefer wurde

– der Teppichboden der Unibib, der flüstert „Tu was!“

– der weiche Sand am Hamburger Elbstrand zu jeder Jahreszeit

– der Sandstein im geliebten Wald

Lass uns mal wieder barfuß laufen, um zu merken, dass wir leben,

und zu spüren, wo wir ihm begegnen können.

Kitschig, romantisch, platt – mag sein.

Lebenswert – dennoch!

Brot zum Geburtstag

Es ist wieder soweit: Die Oma hat Geburtstag!

Schnell noch den Magen dehnen, damit ich mir keine lästigen Nachfragen über mein Essverhalten gefallen lassen muss und mit den Geschwistern überlegen, welche alten und schon tausendmal gehörten Geschichten an diesem Geburtstag wieder aufgetischt werden. Und jedesmal die gleiche Frage: Was schenkt man* der Oma zum Geburtstag?

Eine verdammt schwierige Frage, die sich allen Verwandten Jahr für Jahr stellt. Am Ende läuft es ja meist doch auf einen Blumenstrauß, einen Deko-Artikel oder einen Gutschein für ein Essen mit der Familie hinaus.

Im Nachhinein betrachtet waren wir alle mal wieder sehr einfallslos. Denn das vielleicht schönste Geschenk und damit einen ganz besonderen Geburtstag hat meine Oma von einem älteren Herrn aus dem Nachbarort bekommen: Er schenkte ihr Brot.

Nun mag man gerade in der Eifel, in der es Gott sei Dank noch viele traditionelle Bäckereien gibt, denken: Okay, Brot? Gibt es doch an jeder Ecke!

Doch die Geschichte hinter dem Brot ist etwas Besonderes: Der ältere Herr ist seit kurzem im Ruhestand und hat seine Bäckerei, die er von seinem Vater übernommen hatte, damit auch geschlossen.

Auch hier mag man nun wieder denken: Okay, Bäckereien kommen und gehen.

Aber erst an diesem Geburtstag wurde mir bewusst, was dieses Brot meiner Oma bedeutet hat. So hat sie in ihrem Leben nie ein anderes Brot als aus besagter Bäckerei gegessen. Sie liebte dieses Brot so sehr, dass sie aus lauter Verzweiflung kurzerhand die Kühltruhe ausgeräumt und noch möglichst viel Brot eingefroren hatte.

Und nun hatte der der alte Bäckermeister aus dem Nachbarort für ihren Geburtstag nochmals den Ofen angeworfen und meiner Oma „ihr“ gutes Brot gebacken.

Ich muss zugeben, das hat mich sehr zum Nachdenken gebracht. Nicht nur über unsere Wegwerfgesellschaft, diese ganzen Discount-Bäckereien und Aufbackbrötchen (an denen ich mich selbst auch regelmäßig bediene) und die Frage, ob ich eine solche Treue zu einem Geschäft aufbringen könnte, wenn ich doch am liebsten den kürzesten und einfachsten Weg zu einem Supermarkt aufsuche… Geschenkt!

Wirklich ins Grübeln kam ich etwas später, als meine Oma sagte: „De Heerr hätt sich jett jedacht, dat hän sesch ohs im Bruht schenkt.“ (Übersetzung: „Der Herr hat sich etwas gedacht, dass er sich uns im Brot schenkt.“)

Dann tat sie etwas, dass sie seit über 70 Jahren mit jedem Laib Brot machte: Bevor sie ihn anschnitt, segnete sie das Brot in dem sie mit dem Brotmesser ein Kreuz auf die Unterseite des Laibes zeichnete, und verteilte das Brot anschließend an die ganze Familie. Zum ersten Mal fiel mir auf, wie schön das ist.