Bodenhaftung

Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden. 2. Mose 3,5b

– der vetrocknete Stoppelrasen meiner Kindheit im Garten meiner Eltern, auf dem ich die ersten Schritte machte

– die Pflastersteine unter der Laterne, unter der wir uns das erste Mal küssten

– die Grashalme im Innenhof der Uni, auf denen wir im Februar picknickten

– der Waschbeton des Balkons in der WG von vorletztem Sommer

– der Waldboden heute morgen beim Laufen

– die Kieselsteine in der Freiluftdusche im Zeltlager, durch die das Wasser direkt zurück in den Fluss geht

– die Küchenfliesen vor dem Herd, auf dem ich jeden Tag ohne Sorgen mein Essen kochen kann

– der Bahnsteig, auf dem ihr gleich ankommt

– die Felsen unterm Gipfelkreuz

– der Bächlekanal an einem warmen Sommerabend

– der Matsch beim Silvesterzelten, der in all den Jahren immer tiefer wurde

– der Teppichboden der Unibib, der flüstert „Tu was!“

– der weiche Sand am Hamburger Elbstrand zu jeder Jahreszeit

– der Sandstein im geliebten Wald

Lass uns mal wieder barfuß laufen, um zu merken, dass wir leben,

und zu spüren, wo wir ihm begegnen können.

Kitschig, romantisch, platt – mag sein.

Lebenswert – dennoch!

Werft die kleinen Monster aus der Kirche!

„Pokémon Go“ ist derzeit in aller Munde – und offenbar auch in so mancher Kirche. Es hat mich zum Schmunzeln gebracht, als ich die Schlagzeile gelesen habe, dass das Kölner Domkapitel offenbar einen Anwalt einschaltet, der mit Nintendo über die Platzierung eines „Pokéstops“ im Innenraum des Kölner Doms reden soll. Grund: Der sakral genutzte Innenraum soll Pokémon-freie Zone bleiben. Schließlich, so zitiert man einen Verantwortlichen, werde auch kein Brettspiel in der Kirche erlaubt: „Wenn wir jemanden beim Spielen erwischen, werfen wir ihn umgehend raus“.

Kann man machen: Menschen, die Spaß in einer Kirche haben, rauswerfen. Bloß nicht im Dom spielen. Und wehe, es lacht einer!

Was steckt da für eine Vorstellung von Gott dahinter, den man durch solch läppische Aktionen verärgern könnte? Ist es vielleicht viel weniger Gott als der Mensch, der solche abgrenzbaren Räume des Heiligen braucht, in denen sich alles nur um eine höhere Macht dreht? Und macht es sich der (gläubige) Mensch damit nicht viel zu einfach? Das Heilige schön einsperren, ihm einen festen Ort zuweisen. Ich komme dann schon, wenn ich es brauche. Und da will ich keinen Pokéstop!!!

Doch: Wo fängt Kirche an? Wo hört der Dom auf? Ist der sakrale Raum tatsächlicher, begrenzter Raum? Ist nicht vielleicht das Leben an sich ein sakraler Raum? Ohne Grenzen, jede Minute meines Lebens als Christ? Egal ob mit oder ohne Pokémon, beim Brettspiel oder Kirchgang.