Ein bequemer, aber quietschender Stuhl

Vorgestern saß ich eine ganze Weile auf einem bequemen aber quietschenden Stuhl in der Sparkasse und wartete auf einen Sachbearbeiter. Ich hatte ein Problem mit meinem Konto – eigentlich nicht der Rede wert, schließlich ist fast kein Geld drauf – aber dennoch musste es gelöst werden. Was auch immer der Sachbearbeiter noch gemacht hat, ich war kurz davor das Basketballspiel, was ich mir ansehen wollte, zu verpassen.

Scheinbar sitzen oft Menschen auf diesen bequemen aber quietschenden Stühlen und warten, denn neben jedem einzelnen Stuhl stand ein Tisch mit Flyern über die Angebote der Sparkasse und deren Partner*innen.

Angeboten wurden KFZ-Versicherungen, private Haftpflichtversicherungen, Rechtsschutzversicherungen, IndexGarant, Baufinanzierungen, Pflegeversicherungen, Unfallversicherungen, Arbeitslosenversicherungen, Vermögensaufbauprogramme, Reiseversicherungen, betriebliche Altersversorgung und so weiter…

Ich habe mir bisher ja noch nie groß Gedanken über Versicherungen gemacht. Bestimmt ist jede davon irgendwie manchmal doch ganz sinnvoll.

Aber, so dachte ich mir, man* kann sich gegen und für alles auf dieser Welt versichern lassen, jedes Risiko dieser Welt für sich ausschließen wollen und hat doch keine Chance gegen die Spontanität und den Lauf des Lebens.

Manchmal läuft alles ganz anders als man* plant, Versicherungen und Absicherungen hin oder her.

Manchmal will man* gerne ein Basketballspiel sehen und sitzt stattdessen nur auf einem bequemen, aber quietschenden Stuhl herum und das alles für ein Konto, auf dem sowieso kein Geld drauf ist.

Mimimi – er hat Jesus gesagt!

Religion und Werbung – was auf den ersten Blick kaum zusammenpasst, wird dennoch oft kombiniert. Religiöse Anspielungen scheinen vor allem dann in den Köpfen der Werbemacher*innen aufzupoppen, wenn man nach etwas Provokantem sucht. Jüngstes Beispiel: Der Schweizer Bikini-Modemacher „Ta-bou“. Ein hübsches Model räkelt sich vor einem Holzkreuz, daneben der Spruch: „Nicht wie Jesus oder Alexander! Wir machen weiter … seit 38 Jahren!“ (Hier der Link zum Plakat.)

Ich stelle mir den Dialog derer vor, die sich das ausgedacht haben:

„Wir brauchen mal wieder etwas, das uns ins Gespräch bringt.“

„Jesus!“

„Gute Idee. Uns gibt es jetzt seit 38 Jahren. Wurde Jesus nicht 38 Jahre alt?“

„Moment…Google sagt: 33. Und Alexander der Große wurde auch nur 33!“

„Mist, fünf Jahre zu wenig. Andrerseits … Egal. 38, 33 – was machen die paar Jährchen schon für’n Unterschied. Tot ist tot. Jesus ist gut, das zieht. Da regen sich die Frommen schön auf!“

Und klar: Es hat funktioniert. Man* regt sich auf.

Ich wünsche mir manchmal, dass wir auf solche „Provokationen“ einfach nicht reagieren. Wenn ich ein solches Plakat oder etwas anderes in der Art sehe, denke ich mir: So what? Was hat das für mich für eine Bedeutung? Ganz unabhängig davon, wie beleidigend oder provokativ es ist. Es ist doch wie im Kindergarten: Der*die eine ärgert weiter, solange sich der*die andere drüber aufregt. Sobald der*die das aber einfach dauerhaft ignoriert, ist Schluss – die Provokation macht einfach keinen Spaß mehr. Ist das so schwer, sobald man aus der Pubertät raus ist?

Und abgesehen davon: Müssen wir Christ*innen uns wirklich stellvertretend für Gott aufregen? Ich glaube, das kriegt der Allmächtige schon ganz gut alleine hin. Vermutlich geht’s da aber dann um ganz andere Sachen, und nicht darum, ob im Kopf irgendeiner*s Werbefachfrau*manns ab und an Mal „Jesus“ aufpoppt.

Sprachen-Wirrwar

Das Pärchen im Bus vor mir unterhält sich aufgeregt in irgendeiner fremden Sprache – hebräisch denke ich. Neben mir flirtet ein anderes Pärchen in Mandarin.

Ich muss unvermittelt lächeln. Ich verstehe kein Wort; aber ich verstehe die Stimmung – angeregte Diskussion vor mir – schüchterne Kontaktaufnahme neben mir. Ich fühle mich nicht unwohl und lausche gespannt den unbekannten Lauten.

Doch Sprachen können auch echte Grenzen sein. Vor einiger Zeit habe ich als Freiwillige in Taizé eine junge Frau aus Guatemala getroffen. Evelin sprach weder Französisch, Englisch oder Deutsch und ich weder Spanisch noch Portugiesisch. Wie also kommunizieren? Manchmal war es zum verzweifeln. Das Gefühl, wenn man* etwas ganz Banales sagen will und keine Worte dafür hat. Tiefgreifende Gespräche waren gar nicht möglich. Vielleicht haben wir so die Chance verpasst, uns wirklich kennenzulernen. Bis heute weiß ich nicht mal, was sie mag und was nicht. Dabei haben wir wochenlang ein Zimmer geteilt. Ohne gemeinsame Sprache war da eine unüberwindbare Grenze zwischen uns – scheinbar…

Denn es gab sie eben doch, die tiefgreifenden Gespräche – aber ohne Worte. Ein Lachen, ein Lächeln, eine Umarmung oder einfach nur nebeneinander Sitzen, gemeinsam Essen und Beten. Das Leben mit Evelin ging trotz aller sprachlicher Hürden.

Wir wussten nichts voneinander und nahmen die andere einfach so an.

Verständnis, ohne sich verständigen zu müssen.

Wie viele Worte stecken in einem Lächeln, einer Umarmung?

Zerrissen…?

Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider.

Zerreißt eure Herzen. – Wie meinst du das, wenn ich fragen darf?
Zerreißt eure Herz… Gleich, gleich bin ich soweit. Muss nur noch schnell die Welt retten.
Zerreißt eu… Aber wenn eben zwei Hochzeiten sind, muss ich da doch auch irgendwie tanzen.
Zerreißt… Wenn ich zwischen den Stühlen sitze, dann ruhe ich mich wenigstens nicht aus. Wer rastet, der rostet…
Zerr… Jaja, sofort, noch schnell von A nach… und zwischendurch… zwischen Tür und Angel… also dann nach B.

Zerreißt eure Herzen. – Wie also meinst du das? Ich darf doch fragen, oder?
Zerrissen fühl ich mich. Manchmal. Oft.  – Meistens.
Zerrissen von den Ansprüchen, meinen eigenen zuallererst. – Und dann kommst du: Zerreißt eure Herzen.

Und in all meiner Zerrissenheit, von der ich hoffe, dass du die nicht meinst, frag ich dich: Wie meinst du das?

Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider.

Du weißt den Weg für mich?

Taizé – tausende Jugendliche und junge Erwachsene wimmeln wie in einem riesengroßen Ameisenhaufen umher. Hier wird gesungen, da gespielt, woanders einfach nur geredet.

Mittendrin bin ich. Obwohl ich nun schon zum dritten Mal hierher komme, begegne ich Taizé immer noch skeptisch. Vieles geht mir hier auf den Senkel. Regeln, Kontrolle und vieles andere.

Aber da sind auch noch die Gebetszeiten in der Versöhnungskirche in Taizé.

Alle sitzen auf dem Boden, singen gemeinsam die bekannten Gesänge und schweigen gemeinsam fünf Minuten. Irgendwie befreiend.
In den kleinen Momenten, in denen ich die perfekte Sitzposition gefunden habe und mein Rücken sich nicht beschwert, kann ich abschalten.

Ein Gesang aus Taizé geht mir dabei immer wieder durch den Kopf.

Gott, laß meine Gedanken sich sammeln zu dir.
Bei dir ist das Licht, du vergißt mich nicht.
Bei dir ist die Hilfe, bei dir ist die Geduld.
Ich verstehe deine Wege nicht,
aber du weißt den Weg für mich.

Der Text entstand aus einem Gebet von Dietrich Bonhoeffer.

Gefangen und in Todesangst schreibt Dietrich Bonhoeffer diese Zeilen voller Vertrauen in dich.
Eine schöne, vielleicht auch naive und beängstigende Vorstellung. Du weißt den Weg für mich.
Aber diese Zeilen erreichen mich. Erst recht, wenn ich weiß, wer sie verfasst hat.

Im ständigen Wiederholen dieses Liedes werde ich tatsächlich ruhig und bekomme Mut.
Mut zur Hoffnung.
Mut zum Glauben.
Mut auf diesen Weg zu vertrauen.
Mit dir.

httpv://www.youtube.com/watch?v=D7DiR–b9DQ

Immer dieser Frühling

Müde, motivationslos, gestresst davon zu entscheiden, was ich heute anziehen soll… mein Leben ist schon echt schwer. Kapiert das denn niemand? Draußen scheint die Sonne und ich komme gar nicht dazu, das schöne Wetter zu genießen. Muss ja erst noch ausschlafen, damit ich fit bin. Wie so ein Kirschbaum im Garten, der braucht ja auch noch ein paar Tage, bis er soweit ist und anfängt zu blühen.

Die nächste Entscheidung und was ich als nächstes tue, will schließlich gut vorbereitet sein. Mit viel Schlaf, Ruhe und Zeit für mich. Und wenn ich dann genug reflektiert habe, schreibe ich noch schnell was darüber, wie das so war, das Reflektieren und Entscheiden. Und dann kann es ja losgehen – dann werde ich sehen, wie viele Likes der Artikel bekommt, wie oft wir bei twitter geteilt werden – und damit hab ich ja eigentlich auch schon viel zu tun und viel getan. Oder? Dann werde ich ja sehen, ob das Sinn macht, was ich vorhabe – oder ob es eh egal ist. Dann kann ich nochmal neue Perspektiven in meine Entscheidung einfließen lassen und überlegen, wie ich damit weitermache. Und vor allem nicht vergessen, zu überlegen, wie ich mich dabei fühle.

Ganz ehrlich? Ich kann mir selbst bald nicht mehr zuhören. Ja, meine Perspektive zählt und ich kann nur das gut machen, was mir entspricht. Aber: Mein Leben läuft. Jetzt. Nicht nur für mich. Sondern auch für andere. Und wenn ich ehrlich bin, sind meine Probleme gar nicht so tragisch. Also los.

Deckenhass

Eigentlich braucht es wirklich viel, damit ich richtig böse werden kann. Unrecht, Ungerechtigkeit, Rassismus, Menschen, die zur Legitimation ihrer Thesen behaupten, sie wären das Volk, oder Gegentore gegen den FC Kaiserslautern sind unter anderem solche Kapitalverbrechen, die mich richtig aggressiv werden lassen können.

Mit – vielleicht – einer Ausnahme sind das Punkte, bei denen sicherlich jede*r mitgehen kann und sagen kann: „Ja, das kann böse werden lassen, das sind wirklich richtig krasse Dinge!“

Zugegeben: Da gibt es noch was, was ich nicht direkt in die Liste aufgenommen habe, weil es vielleicht doch ein bisschen peinlich ist.

Wenig kann ich so hassen wie meine Decke.

Es ist nachts um 2, man kann nicht schlafen und dann ist die Decke nicht richtig. Die eine Hälfte des Bezugs ist leer und die Decke hat sich entweder unten oder auf einer Seite des Bezugs verdreht. Man versucht mit den Beinen, sie wieder richtig zu machen, zieht rechts und links und oben und unten und es geht nicht.

Nachts um 2, man kann nicht schlafen und muss jetzt sogar noch aufstehen und die Decke ausschütteln. Wenig kann ich so hassen!

Es einmal ausgesprochen zu haben, tut gut: Ich hasse wenig so sehr wie meine Decke, wenn sie nicht richtig ist. Und das ist okay. Vielleicht braucht jeder Mensch absurd klingende Dinge, die man liebt oder hasst. Zumindest hat es mich gelehrt, ein bisschen toleranter gegenüber den Angewohnheiten anderer Menschen zu sein, wenn ich sie auch noch so bescheuert finde.

„Risen“ – ein Ereignis, das verändert?

„I believe I can never be the same.“ Mit diesen Worten fasst der Protagonist des Films „Risen“ (deutsch: „Auferstehung“) zusammen, was er über die merkwürdigen Ereignisse nach der Kreuzigung Jesu denkt. Es sind eindrucksvolle Worte nach der Hetzjagd nach dem Leichnam Jesu und nach einer Begegnung, die der römische Tribun nie für möglich gehalten hätte.

Die Auferstehung als Thema eines Hollywood-Films, die Botschaft so klar und deutlich wie in der Bibel selbst. Irgendwie schade. Eine Neuinterpretation, eine herausfordernde Spielart, die bisher Geglaubtes hinterfragt, mich aufregt, mich fordert – wäre das nicht viel spannender gewesen als eine alte Geschichte in neuem Gewand?

Dennoch: Die finalen Worte hallen auf dem Weg aus dem Kinosaal in meinem Kopf nach. „I believe I can never be the same.“ Und da dämmert es: Ist das provozierende vielleicht gerade die Frage, die mir der Film mit diesem Schlusssatz mitgibt? Was könnte herausfordernder sein, als mich aufzufordern, mir ganz konkret zu überlegen: Was verändert Ostern – in meinem Alltag, meinem Innern, meinem Leben?

Meine Freiheit

Ich hasse es abhängig zu sein.
Nicht im Sinne davon, dass eine*r für mich da ist. Dass ich mich auf jemanden verlassen kann. Nicht das Gefühl von Fallen-Lassen. Aufgefangen werden. Ausruhen.

Sondern das Abhängig-Sein.
Der Zwang, dass ich mich fallen lassen muss. Dass ich nicht von alleine aufstehen darf. Dass ich immer die Hilfe brauche, die mir angeboten wird. Dass da eine Person ist, die denkt besser zu wissen, was ich denken, fühlen, sagen, lassen sollte.

Personen, die versuchen meine Freiheit an ihre beschränkten Ketten zu legen, um es mir als eine besonders erhabene Form der Freiheit zu verkaufen. Bis ich nach Tagen, Wochen, Monaten, Jahren endlich begriffen habe, dass eine erhabene Form der Kette trotzdem eine Kette ist.

Um das zu erkennen, brauche ich oft andere. Die mir beistehen. Mir die Ketten zeigen. Die helfen, um mir zu helfen und nicht gleichzeitig eine neue Kette schmieden. Die ein Interesse an meiner Freiheit haben.

Die wissen, dass ich ihnen auch bei ihren Ketten helfen werde.

In Kooperation mit katholisch.de befassen wir uns die Fastenzeit mit den 7 Werken der Barmherzigkeit. Montag, Dienstag, Mittwoch, Freitag und Samstag veröffentlichen wir einen Gebetsimpuls auf der katholisch.de Facebookseite. Und jeden Sonntag einen Gedanken auf unserem Blog. Alle Gedanken sind unter Fastenaktion 2016 abrufbar. #barmherzlich