Sternschnuppen – Hoffnung

Ich schaue in den Himmel, kämpfe dagegen an, dass ich einschlafe. Eine, nur eine noch, dann mache ich die Augen zu. Nur noch einen Stern vom Himmel fallen sehen. Einmal noch, nur eine klitzekleine, …

Der Wunsch, einen dieser magischen Augenblicke zu erleben, wird immer stärker, ich freue mich darauf, konzentriere mich, um ihn ja nicht zu verpassen, hoffe – warte darauf.

Und dann frage ich mich plötzlich, warum mir das bei Sternschnuppen so leicht fällt: darauf zu vertrauen, dass gleich eine über den Himmel fliegt und dass mich dieser Moment faszinieren und zum Staunen bringen wird. Immer wieder neu habe ich das Gefühl, ein kleines Wunder zu erleben, so unberechenbar, schön, unwirklich, weit weg scheinen diese Lichtmomente zu sein – und gleichzeitig doch ganz nah. Sie berühren mich.

Als die nächste Sternschnuppe fällt, schließe ich die Augen und schicke einen Wunsch in den Himmel (den ich hier jetzt mal wider besseren Aberglauben verrate;)): Ich mag so eine Hoffnung haben für Sternschnuppenmomente in meinem Leben – damit sie mich berühren und verändern können… irgendwie pathetisch. Aber das sind Sternschnuppen ja schließlich auch.

Jesus lebt in Trier!?

Ende der Veranstaltung. Nach dem Gottesdienst gehen alle wieder nach Hause. An der Kirchenwand fällt mir ein Schriftzug auf. „Jesus lebt in Trier“. Zugegeben. Man* muss schon genau hinsehen. Die weiße Kreide ist schlechter zu lesen als die schwarze Farbe. Vielleicht ein Werk zweier Künstler*innen, die sich gegenseitig ergänzt haben. Vielleicht hat sich die Geschichte auch einfach selbst fortgeschrieben. Ein Schreibgespräch? Sicherlich ist es von den Hausherr*innen nicht gewollt und wird wohl eher als Sachbeschädigung angesehen.

Hatte der*die Verfasser*in vielleicht sonst keinen Raum, ihr*sein Bekenntnis der Öffentlichkeit mitzuteilen oder wollte er*sie damit einfach nur provozieren? Eine spannende Frage und vor allem eine spannende Aussage. „Jesus lebt in Trier“. Das feiern Christ*innen doch seit fast zweitausend Jahren in dieser Stadt. Zumindest beim Gottesdienst ist klar: alle, die in die Kirche gehen, gehen in die Kirche, um das zu feiern. Aber woran merken Menschen, die nicht in die Kirche gehen, dass Jesus auch in Trier lebt? An der sterilen Außenhülle?

Die Grenze ist der Ort der Erkenntnis. Papst Franziskus sagt ja auch, man* muss an die Ränder der Gesellschaft gehen. Suchen wir Jesus eigentlich mehr in unseren Kirchengebäuden als auf den Marktplätzen und Verkehrswegen unserer Städte? Wenn wir drinnen feiern „Jesus lebt in Trier!“, müssen wir uns auch draußen fragen lassen „Jesus lebt in Trier?“ – Was bedeutet das eigentlich und woran kann man* es merken?

Julianmäßig

Julian ist vier.

Er steht auf einer Mauer, die doppelt so hoch ist wie er. Stolz und erhaben.

Ich kenne ihn erst seit ein paar Stunden. Ich kann ihn nicht einschätzen. Ich habe Angst, dass er von der Mauer fällt. Sicherheitshalber breite ich die Arme aus.

Ich will sagen: „Spring! Keine Angst! Ich fang Dich auf!“ Ich will ihm erklären, dass er ruhig springen kann. Dass er mir vertrauen kann, auch wenn er mich erst seit ein paar Stunden kennt.

Ich will es ihm erklären. Ich beginne mit meiner Rede und sage: „Spring!… – “ Doch weiter komme ich nicht. Denn da habe ich Julian schon in den Armen. Einfach so. Meine Erklärungen über Vertrauen usw. konnte ich mir sparen.

Für Julian war das keine große Sache. Doch ich war erst fassungslos und dann begeistert. Er hat mir vertraut. Einfach so. Ohne mich zu kennen und ohne dass ich um sein Vertrauen werben musste.

Vertrauen – das hängt für mich eng mit Glauben zusammen.

Julian fällt das leicht – vertrauen: davon ausgehen, dass es im Endeffekt gut wird.

Und genau damit tu ich mir manchmal schwer. Lieber weiß ich vorher ganz genau, worauf ich mich einlasse. Gerne höre ich mir erst mal Erklärungen an. Und erst dann will ich vertrauen.

Doch bei Gott läuft das anders.

Julianmäßig – so möchte ich gerne glauben können:

Nicht auf Erklärungen warten.

Ungewissheit aushalten.

Vertrauen – auch dem, den ich vielleicht noch nicht zu Gesicht bekommen habe.

Du (er)trägst mich

Immer wieder sind sie da.
Diese Momente in denen man sich selbst ertragen muss.
Wenn man mal wieder Geisel seiner selbst ist.

Mir fallen zu genüge Dinge ein, die ich an mir ändern will, ändern sollte, ändern könnte…?

Doch da sind sie.

Wer?

Die Menschen, die mich ertragen und aushalten.
Die Menschen, mit denen ich Tränen lachen und das Leben gebührend feiern kann.
Die Menschen, die mir aber auch mal sagen, wie blöd ich sein kann.
Die Menschen, mit denen ich weinen kann.

Ich habe oft das Gefühl, dass ich viel zu wenig erwähne, wie sehr ich euch brauche und wie viel Kraft ihr mir gebt, mich manchmal selbst zu ertragen.

Mit euch kann ich meine Zweifel beiseite räumen und zumindest für einen Moment fest daran glauben, dass es dich gibt.

Mitten unter uns.

Ich glaub‘, gestern hab ich Gott getroffen

Einer dieser schei schlechten Tage:

Wecker zu früh. Dusche zu heiß, zu kalt, zu heiß. Klamotten zu ungebügelt. Kaffee zu umgefallen.

Kalender zu voll. Menschen zu viel. Büro zu Büro.

Und als mir dann noch an der Kasse die Erdbeeren – ja, an beschi besondern Tagen will man sich was Gutes tun – und als mir dann also noch an der Kasse die Erdbeeren aus der Schale auf das Fließband rollen, sehe ich wohl mit dem stummen Fluch in meinem Gesicht so sehr nach dieser Art Tag aus, dass mich die Kassiererin erst mitleidig anguckt und dann lacht. Und dann lachen wir beide. Einfach so.

Ach so. Ja, Gott? Der war da irgendwo. Auch an der Kasse. Nicht direkt die Kassiererin. Nicht ihr Lachen. Nein, auch meins nicht.

Dazwischen.

„Dann noch einen schönen Tag.“ „Ihnen auch. Danke.“

Wetter immer noch zu…

Gut Pfad!

Pfadfindergruß.

Ein Zwölfjähriger hat mir mein Leben erklärt.

Er streckt mir seine linke Hand entgegen. Der Pfadfindergruß.

Mit der linken Hand. Seltsam.

Und die rechte Hand finde ich noch seltsamer und frage nach.

Die drei mittleren Finger ausgestreckt. Daumen und kleiner Finger werden übereinander gelegt.

Alles hat seine Bedeutung und es ist so banal. Und so wichtig zugleich.

Der Daumen liegt über dem kleinen Finger. – Der Große beschützt den Kleinen.

Der erste der mittleren Finger erinnert mich an Gott. – Der zweite an meine Mitmenschen. –  Und der dritte an mich selbst.

So einfach und doch stehe ich wie vom Donner gerührt da.

Wie oft habe ich den dritten Finger vergessen?

Türen dieser Welt

Es bringt mich aus der Fassung. Wie viele Leute sich dagegen wehren, Flüchtlingen die „Türe aufzumachen“. Wie viele Sätze in dieser Richtung mit „Ich stelle weder die Menschenrechte in Frage, noch bin ich ausländerfeindlich“ beginnen und einem gesprochenen oder hörbar gedachten „…, aber…“ beendet werden.

Gleichzeitig stehen viele Andere für Flüchtlinge ein und auf, versuchen zu argumentieren und zu begründen, warum es gut, gerecht, sinnvoll, gewinnbringend,… ist, fremde Menschen im „eigenen Land“ aufzunehmen.

Was mich dabei immer häufiger zum Nachdenken bringt: Warum braucht es diese vielen verschiedenen Argumentationen? Egal ob religiös motivierte („Jesus war ja auch ein Flüchtling“), oder solche, die besagen, „dass das alles gar nicht so schlimm ist – immerhin kenne man doch bestimmt den und den – und der war ja auch mal Flüchtling und sei doch jetzt ein guter Bürger…“, sie alle rechtfertigen und suchen wortreich nach Begründung.

Warum reicht es denn nicht schlichtweg, dass es einem Menschen schlecht geht, jemand kein Zuhause hat, um sein oder ihr Leben bangen muss?
Warum ist diese himmelschreiende Ungerechtigkeit nicht schon Grund genug?
Ist sie nicht Grund und die Menschen, die nach Schutz suchen, nicht Anlass genug, mir mal wieder zu überlegen, wem diese Welt denn nun gehört?

Es mag naiv klingen, aber reicht das nicht? Reicht das nicht aus, um Menschen zumindest die „Tür“ „meines Landes“ aufzumachen?

Wer hat diese Tür überhaupt gebaut? Gehört die Welt nicht allen, die auf ihr herumlaufen?!

Ich weiß nicht, was Gott ist.

Ich weiß nicht, was Gott ist.

Was für viele wie Resignation klingt, ist für mich eine wichtige Erkenntnis.

Denn gerade ich sollte es doch wissen: Theologiestudent. 10. Semester. Fast fertig.

Aber ich weiß es nicht und das ist sehr angenehm. Denn so kann ich mich immer wieder überraschen lassen.

Gott muss sich nicht in mein Bild einordnen, sondern ich kann sein Bild in meine Collage einsortieren.

Wenn ich an Gott denke, denke ich an einen Tanz.

Ich stelle mir vor, dass wir alle wie in einem Amphitheater um die Bühne herum sitzen und den Tanz betrachten.

Und jede*r sieht was anderes.

Mal ein Bein. Mal ein Arm. Mal das Gesicht.

Immer für einen kleinen Augenblick und dann ist es schon wieder weg.

Es bewegt sich. Immer wieder entstehen neue Bilder.

Und obwohl ich dem Tanz mein Leben lang schon zusehe: Weiß ich nicht, was Gott ist.

Denn ich sehe nur das, was sich mir gerade zeigt.

Und auch nur, wenn ich gerade hinschaue; nicht abgelenkt bin.

Ich frage mich, was mein Sitznachbar sieht.

Oder die Person auf der anderen Seite.

Eins habe ich mir vorgenommen: Wenn ich das nächste Mal dasitze und dem Tanz nicht mehr folgen kann, weil ich mir überlege, was die anderen sehen.

Dann steh ich auf.

Gehe rüber und frag nach.