Mein Glaube, eine Verschwörungstheorie?

Erde flach? Hillary Reptiloid? Verschwörungtheoretiker ruft bei Domian an

Hach, wie ist das schön absurd: Die Erde ist eine Scheibe, Hillary Clinton ein Reptiloid – und natürlich liegen wir, die wir das (vermutlich zum Großteil) nicht glauben, alle falsch, weil wir uns nicht richtig im Internet informieren. Verschwörungstheorien haben Hochkonjunktur, und das Internet liefert selbst den größten Spinner*innen ein Forum, ihre kruden Thesen zu verbreiten.

Ich frage mich, ob es nicht in manchen Dingen Parallelen zu meinem Glauben gibt. Nicht inhaltlich, sondern strukturell. Verkommt nicht auch der Glaube hin und wieder zu einem unanfechtbaren System, in dem Zweifel keinen Platz haben? Zu einem System, das mit der Realität nichts mehr zu tun hat? Ist mein Glaube etwas, bei dem ich Angst habe, es kritisch zu hinterfragen – weil sonst alles zusammenbrechen könnte?

Damit mein Glaube für mein Leben relevant ist und bleibt, muss ich mich genau das trauen: Mich selbst zu hinterfragen. Ich muss Zweifel zulassen, darf nicht an Dogmen nur um der Dogmen Willen festhalten. Ich darf nicht zum Verschwörungstheoretiker werden, der in einer abgekapselten Traumwelt lebt.

Habe ich Angst, dass bei diesem Prozess liebgewonnene Glaubenssätze verloren gehen? Vielleicht, manchmal. Aber diese Angst muss ich nicht haben. Heißt Glaube nicht auch Vertrauen? Vertrauen auf Gott – und darauf, dass bleibt, was wichtig ist.

Baustelle Leben

Ein Gruppenleiterkurs –  nicht der erste, nicht der letzte, aber wie jeder halt doch besonders. Auf diesem war die Zusammensetzung außergewöhnlich. Normalerweise begegnen mir auf solchen Veranstaltungen doch verdächtig viele Menschen, die Soziale Arbeit, Erziehungswissenschaften oder was anderes mit Hang zur Pädagogik studieren. Diesmal: Maschinenbauer, Wirtschaftsinformatiker, Informationstechniker. Immer wieder höre ich die Aussage: „Also mit Spiritualität haben wir es ja nicht so bei uns…“ Aber spätestens, als wir über das Versprechen reden (ein zentrales Mittel der Pfadfindermethode, bei dem sowohl einzelne Mitglieder der Gruppe gegenüber ein Versprechen ablegen, als auch die Gruppe sich verantwortlich erklärt für die Einzelnen), wird klar: einzigartige Gänsehaut-Tränen-in-den-Augen-seltsamberührende Momente am Lagerfeuer und am See kennt jede*r.

Als ich am vorletzten Tag den Arbeitsauftrag „Gestaltet einen Wortgottesdienst“ formuliere (das Thema Spiritualität gehört nicht nur zu unserem Verband, sondern ist auch ein Element der Leiterausbildung), ist die Skepsis dennoch groß. Aber im Laufe des Nachmittags entsteht eine bizarre, unerwartete, wuselige, vorfreudige Atmosphäre und es entsteht ein Abend, der mir immer noch nachhängt:

Am Fluss hinterm Haus sind hunderte Teelichter auf Boden, überhängenden Zweigen, am Ufer verteilt, zwei kleine Bodenfeuer erhellen die nasskalte, ungemütliche Nacht. Als Sitzgelegenheit gibt es Matratzen, die Liedauswahl ist ungewöhnlich und ehrlich. Keine fertigen Kirchenlieder, sondern vor allem Popsongs, die viele seit Jahren begleiten. Vorgefertigte Texte aus frommen Andachtsbüchern? Fehlanzeige. Selbst geschriebene Texte, Gedanken zum Thema „Baustelle Leben“, zum Evangelium und zum Nachdenken verbinden Geschichten der Einzelnen zu einer gemeinsamen Feier. Sie verkünden Freiheit, Gemeinschaft und Vertrauen ins Leben. Einige Ausschnitte daraus möchte und darf ich hier veröffentlichen:

Die Gedanken zu Beginn entführen in die erste gemeinsame Wohnung eines Pärchens, das einen Streit über Deckenfarben doch noch versöhnlich meistert: „Beide streichen die Küche zu Ende. Nach getaner Arbeit sitzen sie auf dem Boden ihres leeren Wohnzimmers, sie lehnen an der Heizung. Tom hat seinen Arm um Lila gelegt, schaut ihr in die Augen und sagt: ‚Diese Baustelle haben wir nun auch gemeistert.‘ Lila antwortet: ‚Und die anderen Baustellen, die uns das Leben bereitet, werden wir auch meistern.‘

„Falls du mal nicht genug Energie hast, um deine Baustelle zu erleuchten, lass deine Projekte ruhen. In der Dunkelheit passieren zu viele Fehler, die deine ganze Großbaustelle ruinieren können. Warte, bis die Sonne wieder aufgeht, um dann mit neuem Eifer weiter zu bauen. Nur im Licht kannst du weiter arbeiten und vorankommen.“ Als Kern der Gedanken zu Mk 4,21-25.

Am Ende bleibt eine Gewissheit aus den Impulsfragen zur Baustelle Leben:

„Meine Baustellen sind nicht klar abgesteckt. Sie überlappen, haben kleine Baustellen in sich selbst. Alle Baustellen sind unterschiedlich, alle Baustellen erzeugen ihre eigenen Gefühle bei mir.

Ich will an meinen Baustellen arbeiten.

Ich will ihnen Raum geben zu wachsen.

Ich will sie zulassen, ich will sie fertig stellen.

Ich will meine Baustellen leben!“

Credits: Pascal Brand, Joshua Kreiner, Björn Lubitz, Tobias Lubitz, Nils Werner

Thom Yorke – der Satan in mir?

Thom Yorke ist der Sänger der Band Radiohead. Man muss deren Musik nicht mögen. Aber für die Christ*innen-Kolleg*innen von „Generation for God“ stellt Yorke wohl so etwas wie die Inkarnation des Antichristen dar. Zumindest impliziert das der folgende Tweet: 8 things that satan uses to enslave you and destroy you: pic.twitter.com/qZGIXVYlLe — Generation for God … Weiterlesen …

Zwei Welten?

Valerie und der Priester gehört seit etwa einem halben Jahr zu meiner regelmäßigen Lektüre. Valerie Schönian folgt bei diesem Blog dem jungen Priester Franziskus – das Motto: Die agnostische Journalistin und der Mann Gottes erklären dem*der anderen (und dem*der Leser*in) ihre Lebenswelt.

Was erstmal ein wenig wie ein neues Format von den Macher*innen von Frauentausch und Co. klingt, liest sich überraschend frisch. Die Protagonist*innen versuchen so klar, ehrlich und authentisch wie möglich Fragen zu stellen und zu beantworten – und das gelingt sogar meist.

Als Leser interessiert mich der Austausch, das Wieso und Wohin der Beiden.
Mich interessieren die kleinen und großen Konflikte: Frauenpriestertum (natürlich), die Frage nach dem Nutzen des Gebets, und vieles mehr.

Schade ist, das ich – der Leser – mich fühle, als müsste ich mich entscheiden. Team Franziskus oder Team Valerie?
Liberal und fresh, oder konservativ und Angst vor Sexszenen im Theater?
Muss ich als Mensch, der an Gott glaubt und deswegen Theologie studiert, immer mit Franzsiskus übereinstimmen?

Oder darf ich katholisch sein und mich trotzdem fragen, ob „Jesus hatte ja nur Männer berufen“ wirklich Grund für den kategorischen Ausschluss des Frauenpriestertums sein kann?
Darf ich katholisch sein und trotzdem für die absolute Gleichberechtigung kämpfen?
Ich möchte Franziskus zustimmen, wenn er vom persönlichen Glück einer Beziehung zu Gott spricht.
Aber ich möchte auch mit Valerie fragen dürfen, ob das klassische Gebet dazu der einzige, der beste Weg ist.

Es gibt keine einfachen Antworten – aber deswegen darf ich doch das Fragen nicht aufgeben, oder?
Wie sieht christliches Leben aus – abseits des Pfarrhauses?

Ich will Austausch.
Ich will wissen, was die Menschen glauben.
Ich will aufhören, so zu tun, als wüsste ich alles.

Es gibt keine einfachen Antworten – aber ich darf doch das Fragen nicht aufgeben, oder?

Fun mit dem Hampelmann Jesus

Christliche Kinderfreizeiten, hach, die sind schon was Tolles. Da haben nicht nur die Kids, sondern auch die Mitarbeiter*innen Fun. Es gibt mindestens zweierlei Arten: Zum einen die, die eine erlebnisreiche gemeinsame Woche beim Zelten verbringen. Und zum anderen die, die dabei noch ein Musikvideo zum „ultimativen Kids-Freizeitsong 2016“ drehen und das anschließend bei Youtube reinstellen, um das Image der Christenheit aufzupolieren. Oder so.

Sommerhit 2016 – Kennst du Jesus? (Zukunft für DICH)

Die einen freut’s wie ein Hampelmann, mich schüttelt’s wie einen Zitteraal. „Ich will mit Jesus geh’n, [..] so hab ich kein Problem!“ und „Du kannst alles von ihm haben, komm und leb‘ in seinem Licht“.

Dass das noch niemand entdeckt hat: Leb‘ als Christ*in und alles ist gut. Keine Probleme, alle Wünsche werden dir erfüllt. (Nicht verraten: Geht mir seit Jahren so, ich erzähl es nur nicht weiter – sonst müsste ich Gott, der mich – zurecht – zum Mittelpunkt des Universums macht, ja mit anderen teilen.) Warum erzählt man Kindern sowas? Warum tut man das? Warum nur? Warum? 

Ein solches Gottesbild setzt mich so sehr unter Strom, dass ich eigentlich meinen Laptop künftig gar nicht mehr aufladen müsste. Der Hampelmann ist in dem Song in Wirklichkeit nicht die Sängerin, auch wenn sie das behauptet („Ich freu mich wie ein Hampelmann, mit dir macht’s einfach Fun!“). Der Hampelmann in der Geschichte ist Jesus: Zieh unten an der Schnur, und er macht genau, was du erwartest. Und verkommt dabei zur völligen Witzfigur.

Werft die kleinen Monster aus der Kirche!

„Pokémon Go“ ist derzeit in aller Munde – und offenbar auch in so mancher Kirche. Es hat mich zum Schmunzeln gebracht, als ich die Schlagzeile gelesen habe, dass das Kölner Domkapitel offenbar einen Anwalt einschaltet, der mit Nintendo über die Platzierung eines „Pokéstops“ im Innenraum des Kölner Doms reden soll. Grund: Der sakral genutzte Innenraum soll Pokémon-freie Zone bleiben. Schließlich, so zitiert man einen Verantwortlichen, werde auch kein Brettspiel in der Kirche erlaubt: „Wenn wir jemanden beim Spielen erwischen, werfen wir ihn umgehend raus“.

Kann man machen: Menschen, die Spaß in einer Kirche haben, rauswerfen. Bloß nicht im Dom spielen. Und wehe, es lacht einer!

Was steckt da für eine Vorstellung von Gott dahinter, den man durch solch läppische Aktionen verärgern könnte? Ist es vielleicht viel weniger Gott als der Mensch, der solche abgrenzbaren Räume des Heiligen braucht, in denen sich alles nur um eine höhere Macht dreht? Und macht es sich der (gläubige) Mensch damit nicht viel zu einfach? Das Heilige schön einsperren, ihm einen festen Ort zuweisen. Ich komme dann schon, wenn ich es brauche. Und da will ich keinen Pokéstop!!!

Doch: Wo fängt Kirche an? Wo hört der Dom auf? Ist der sakrale Raum tatsächlicher, begrenzter Raum? Ist nicht vielleicht das Leben an sich ein sakraler Raum? Ohne Grenzen, jede Minute meines Lebens als Christ? Egal ob mit oder ohne Pokémon, beim Brettspiel oder Kirchgang.

Mit Jesus vor die Wand und an den Abgrund

Predigten sind so was wunderbar Herrliches, so etwas schön zu Veräppelndes. Vor allem, wenn der*die Prediger*in einen übertrieben pastoralen Ton draufhat und Bilder verwendet, die gar nicht zueinander passen: Nach der Hochphase im Glauben kommt die Wand, die dann zum Abgrund wird. Ein gefundenes Fressen für (geniale) Leute wie Oliver Kalkhofe:

KALKOFES MATTSCHEIBE REKALKED – VOR DIE WAND UND AM ABGRUND

Es ist nur ein Beispiel von vielen, bei denen ich mich frage: Was für eine Sprache benutzen wir eigentlich als Christ*innen? Die im Video aus der Predigt zitierten Metaphern sind ja noch harmlos, Kalkhofe treibt das satirisch auf die Spitze. Er trifft aber einen wunden Punkt.

Allzu oft höre ich Predigten, die an meiner Sprachwelt – und damit an meiner Lebenswelt! – vorbeigehen. Viel zu häufig singe ich Lieder mit Worten, die ich sonst niemals in den Mund nehmen würde. Selbst wenn ich Christ*innen miteinander reden höre, denke ich: Was für eine merkwürdige, in manchen Bereichen fast schon lächerliche, Binnen-Sprache hat sich da mitunter ausgebildet?

Und dann kommt mir der eigentliche Gedanke:

Wenn ich das als Christ schon furchtbar finde, …

Deckbett gewünscht

22 Uhr, der Tag ist geschafft. Oder so ähnlich. Eigentlich steht heute Abend noch Prüfungsvorbereitung an. Aber der Kopf macht nicht mehr mit. Alles Apfelmus da drin. Ein kurzer Scroll über facebook verspricht ja prinzipiell erstmal Ablenkung und Erfrischung.
Heute jedoch leider keins von beidem. Ich stolpere dabei immer wieder über Artikel, Posts und Nachrichten, die weder Witz noch Leichtigkeit verheißen.

Das Leid der Welt und die Angst der Menschen, formuliert in reißerischen Geschichten, schlecht gemachten Graphiken, polarisierenden Überschriften, einseitig recherchierten Meldungen.

Mir wird übel.

Ich wünsche mir, die Kraft zu haben, mit ihnen zu diskutieren, zu debattieren, manches Argument zu entkräften. Aber irgendwie bin ich zu k.o., aber es reicht noch, den bereits geschriebenen Artikel Türen dieser Welt nochmal zu teilen. Denn an meiner Meinung hat sich nix geändert.

Ich bin gerade einfach ziemlich müde. Mag in mein Bett. Und eine Decke über den Kopf. Die hieß früher bei uns Deckbett. Wenn mein Papa das über mich drüber gepackt hat, war alles gut. Schade, dass das heute nicht mehr so einfach ist. Wann genau bin ich zu alt geworden dafür?

Her mit dem Roboter-Missionar!

Manchmal können Lösungen so einfach sein! Das dachte ich zumindest, als ich in den vergangenen Tagen über den buddhistischen Roboter-Mönch gestolpert bin (virtuell, versteht sich). Das kleine Kerlchen namens Xian’er hat einiges auf dem Kasten: Er kann über den buddhistischen Glauben aufklären, Gebete aufsagen und sich frei im Tempel bewegen. Das soll er auch tun, denn Xian’er ist dazu gemacht, zu demonstrieren, dass sich Glaube und Wissenschaft nicht widersprechen und so neue Gläubige zu gewinnen. So sieht das aus:

China's robot monk has lessons on Buddhism

Sowas könnten wir doch auch gut gebrauchen. In Zeiten von Pfarrer*innen- bzw. Priestermangel und Gemeinden, die zusammengelegt werden wären Roboter  eine tolle Entlastung. Lästige Fragen in Glaubenssachen, auf die sowieso jeder andere Antworten gibt – endlich könnte hier für Ordnung gesorgt werden. Eine zentrale Datenbank auf Abruf, fertig. Und das, ohne wertvolle Arbeitszeit der Geistlichen für zeitraubende persönliche Gespräche zu vergeuden.

Und bei Predigten erst! Man könnte die Langeweile aus dem Quellcode streichen, zack, schon hält es uns vor Spannung kaum noch auf den Kirchenbänken. Licht- und andere Effekte sind heutzutage auch kein Problem mehr (Idee: Augen, die plötzlich rot leuchten, wenn das Wort „Hölle“ vorkommt, vielleicht noch mit etwas Schwefeldampf aus den Ohren). So wird der Kirchenbesuch künftig auch bei Protestant*innen ganz unaufwendig zum Erlebnis, das alle Sinne anspricht.

Nicht vergessen darf man natürlich das eingebaute Staubsaugermodul, das beim Kirchen-Roboter keinesfalls fehlen darf. Wenn der Roboter sich selbstständig bewegt, kann er dabei auch gleich saubermachen. Wieder Geld und Zeit gespart.

Ein ganz netter Nebeneffekt: Roboter sind cool. Der Bezug zur Lebenswelt derer, die er erreichen möchte, fiele einem Roboter-Missionar nicht schwer. Star Wars, Ex Machina, Terminator, RoboCop – in Sachen Anschlussfähigkeit sind Roboter auf der sicheren Seite. Langfristig, garantiert.

Worauf warten wir also noch?