Angst vor 18:00 Uhr

Da ich nun schon ein paar Jahre in Trier lebe, ist es – leider – alltäglich geworden von römischen Baudenkmälern umgeben zu sein. Wenig achtsam, manchmal ohne sie eines Blickes zu würdigen, passiere ich die Porta Nigra, die Kaiserthermen oder die Konstantinbasilika.

Aber es gibt immer wieder Tage, an denen ich bewusst stehen bleibe.

So auch heute. Seit einigen Minuten stehe ich vor der Konstantinbasilika.

Heute ist vieles anders als sonst.

Ich habe Angst. Genauer gesagt habe ich Angst vor 18:00 Uhr.

Die Konstantinbasilika erinnert mich daran, wie schnell sich die Politik ändern kann. Im dritten Jahrhundert wurden viele Christ*innen von den Römer*innen verfolgt, 313 hat Kaiser Konstantin der Große das sogenannte Mailänder Toleranzedikt unterzeichnet, nur einige Jahrzehnte später wurde das Christentum zur Staatsreligion.

So ist die Konstantinbasilika für mich nicht nur ein Meisterwerk antiker Baukunst. Sie ist auch eine steingewordene Lehrstunde über Politik.

Vielleicht ist mir die Basilika am heutigen Tag deshalb besonders nahe. Ich komme nicht damit klar, wie schnell sich Politik und Gesellschaft manchmal ändern. Vor sechs Jahren habe ich im Geschichtsleistungskurs ungläubig darüber gestaunt, wie rasant sich eine abartige Politik wie die NS-Ideologie in der Breite durchsetzen konnte. Heute muss ich mir um 18:00 Uhr von Bettina Schausten erklären lassen, dass eine Partei in den Bundestag einzieht, deren Spitzenkandidat von „entsorgen“ spricht, wenn er von einem Menschen redet, und die von „Stolz“ reden, wenn sie an die „Leistungen“ der deutschen Soldat*innen in Verdun und Stalingrad denken.

Heute wird mir um 18:00 Uhr ein blauer Balken mit einer Prozentzahl aufzeigen, dass es in Deutschland immer noch rechte Verführer*innen gibt, von denen sich zu viele Menschen verleiten lassen. Heute ab 18:00 Uhr muss ich vielen wunderbaren Menschen und Freunden in Kenia erklären, dass im höchsten Parlament meines Landes eine Partei sitzt, dich sich über „Neger“ und den „lebensbejahenden afrikanischen Ausbreitungstyp“ auslässt. Ich könnte im Strahl kotzen! Ich könnte heulen!

Ich fühle mich machtlos. Auch wenn ich den Fernseher um 18 Uhr ausschalte, Bettina Schausten wird trotzdem reden und der blaue Balken wird viel zu hoch ansteigen.

So stehe ich jetzt hier. Ich hasse diese Machtlosigkeit! Ich kann mit diesem Gefühl nicht gut umgehen. Deswegen mache ich der Konstantinbasilika jetzt ein Versprechen. So wie ich mich an die vielen römischen Baudenkmäler in Trier gewöhnt habe und sie nur noch selten richtig wahrnehme, möchte mich nie daran gewöhnen, dass Extremist*innen im Parlament über mein Leben und meine Zukunft entscheiden.

Ich verspreche, Zeuge dafür zu sein, dass ich an Gott glaube, der jeden Menschen gleich geschaffen hat und der die Liebe ist.
Ich verspreche, dass ich für alle Parteien im Deutschen Bundestag beten werde.

Und jetzt gehe ich wählen.

Nein, ich lebe genau so, wie ich will!

Ich bin jetzt zusammen mit meinem Zukünftigem im letzten Monat unserer Hochzeitsvorbereitungen. Dazu gehört eben auch, noch einmal den Saal für die Deko zu begutachten und dem Personal der Location die letzten Wünsche mitzuteilen.

„Ein bisschen Efeu würde sich noch gut in den Fensternischen machen.“ „Nein, ein paar Sitzkissen für draußen zieht die Hochzeitsgesellschaft vielleicht viel zu sehr nach draußen.“
„Brauchen wir zusätzliche Kissen für die Rückenlehnen?“ – „Nein, beim Tischgespräch wendet man sich doch eher nach vorne, sodass der Sitzkomfort nicht wirklich beeinträchtigt wird.“

„Wird es die Schwingungen im Raum verändern, wenn wir eine Cocktailbar einrichten anstatt die Cocktails vom Service bringen zu lassen?“
„Nein, ein bisschen Bewegung kann bei den Gästen schließlich nicht schaden und hebt für gewöhnlich die Stimmung. Ich habe gehört, bei körperlicher Aktivität sollen Glückshormone ausgestoßen werden, die beim Gast dann wohl für das beste Wohlbefinden sorgen!“

Froh, Dinge, die wahrscheinlich für den hochzeitlichen Weltuntergang gesorgt hätten, abgewendet zu haben, wendeten wir uns als nächstes den Absprachen mit dem Service zu. „Haben wir eigentlich Schnapsgläser?“ – „Hm, die müssten unbedingt noch besorgt werden.“

Sie müssten aus Glas sein und natürlich zu den ausgesuchten Gläsern und Tellern passen, sonst riskieren wir schließlich einen Aufruhr unter den Gästen.

Plastikgläschen? Nein, die kommen nicht infrage, sind sie doch völlig unangebracht für ein Fest von solchem Rang!

Am Ende unserer Besprechungen erzählte mir unsere Servicekraft, dass sie letztes Wochenende auf einer Hochzeit bedient hat, auf der selbst Burger für die Gäste zubereitet wurden. Gegessen wurde auf schön eingedeckten Bierbänken in einem Park. Deko bot die Natur. Ein Teich und ein paar Bäume.

In dem Gedanken – zumindest fortan – ein unabhängiges und eigenständiges Leben zu führen, beschloss ich auf dem Weg nach draußen: „Doch Plastikschnapsglässchen! Auch wenn ich damit möglicherweise ein öffentliches Ärgernis errege.“

Mein Glaube, eine Verschwörungstheorie?

Erde flach? Hillary Reptiloid? Verschwörungtheoretiker ruft bei Domian an

Hach, wie ist das schön absurd: Die Erde ist eine Scheibe, Hillary Clinton ein Reptiloid – und natürlich liegen wir, die wir das (vermutlich zum Großteil) nicht glauben, alle falsch, weil wir uns nicht richtig im Internet informieren. Verschwörungstheorien haben Hochkonjunktur, und das Internet liefert selbst den größten Spinner*innen ein Forum, ihre kruden Thesen zu verbreiten.

Ich frage mich, ob es nicht in manchen Dingen Parallelen zu meinem Glauben gibt. Nicht inhaltlich, sondern strukturell. Verkommt nicht auch der Glaube hin und wieder zu einem unanfechtbaren System, in dem Zweifel keinen Platz haben? Zu einem System, das mit der Realität nichts mehr zu tun hat? Ist mein Glaube etwas, bei dem ich Angst habe, es kritisch zu hinterfragen – weil sonst alles zusammenbrechen könnte?

Damit mein Glaube für mein Leben relevant ist und bleibt, muss ich mich genau das trauen: Mich selbst zu hinterfragen. Ich muss Zweifel zulassen, darf nicht an Dogmen nur um der Dogmen Willen festhalten. Ich darf nicht zum Verschwörungstheoretiker werden, der in einer abgekapselten Traumwelt lebt.

Habe ich Angst, dass bei diesem Prozess liebgewonnene Glaubenssätze verloren gehen? Vielleicht, manchmal. Aber diese Angst muss ich nicht haben. Heißt Glaube nicht auch Vertrauen? Vertrauen auf Gott – und darauf, dass bleibt, was wichtig ist.

„…einen ewigen Namen gebe ich ihnen…“

„Mein Name ist Michael Michels“. Das sorgt oft, wenn nicht gerade ein Peter Peters oder Jens Jensen vor mir steht, für Lacher oder skeptische Blicke. Entweder werden meine Eltern als „kreativ“ gelobt oder ich bemitleidet. Oft drehen sich Gespräche um meinen Namen. So ist auch mit Blick auf meine Hochzeit und die anstehende Ehe eine der meist gestellten Fragen: „Wie macht ihr es mit euren Namen?“

Ich bin Michael Michels; bald 24 Jahre. Mit diesem Namen zu leben gehört zu meiner Identität; ganz zu meinem Wesen. Ich würde fast behaupten, dass einen Teil meiner Art, wie ich mich vor und zu anderen Menschen verhalte, von diesem Namen bestimmt ist. „Michael Michels, Vor- quasi wie Nachname“: So stelle ich mich öfter selbst zum Beispiel am Telefon vor.

Seit zwei Wochen beschäftigt mich das Thema „Name“ nochmal ganz neu. Ich habe dort im Rahmen einer Exkursion das Konzentrationslager Auschwitz und das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau besucht.

Ich kann und möchte gar nicht erst versuchen, euch meine Gefühle und Gedanken niederzuschreiben, die ich mit diesen Orten und den dortigen Ausstellungen verbinde. Es geht sowieso nicht. Auch weil ich gar nicht weiß, was ich in Anbetracht von Zahlen und Fakten, die man nicht verarbeiten kann, Ausstellungsstücken und Bildern, deren Grauen jede Vorstellbarkeit übersteigt und abertausenden Lebensgeschichten, über deren schreckliches Ende ich nicht traurig genug sein kann, fühlen oder denken soll.

Gefangene, die nach Auschwitz kamen, bekamen ihre Häftlingsnummer auf die Haut tätowiert. Von diesem Moment an trugen sie offiziell ihren Namen nicht mehr; waren nichts anderes als eine Nummer, ein Platz auf einer Liste in einem abartigen, perversen Mordsystem.

Aus Namen wurden Nummern. Aus Menschen wurden Nummern. Mit der Nummer war eine Entmenschlichung der Gefangenen auf die Spitze getrieben. Ich komme da nicht darauf klar….

Die Gedenkstelle Yad Vashem hat auch in Auschwitz selbst eine eindrucksvolle Gedenkstätte errichtet. In einem gigantischen Buch sind alle Namen erfasst, die bisher als Opfer des Holocausts bekannt sind. Für mich war es verstörend sich durch unzählige Seiten zu blättern. Zugleich fand ich es wunderschön, dass man hier eine entscheidende Korrektur an diesem unmenschlichen System vorgenommen hat: Aus Nummern wurden wieder Namen.

In Yad Vashem selbst werden im Kinderraum in einer Endlosschleife alle bekannten Namen der im Holocaust ermordeten Kinder vorgelesen. Für 1,5 Millionen Namen braucht das Band drei Jahre. Dann geht es wieder von vorne los. All den unschuldig ermordeten Kindern werden wieder Namen gegeben. Jedem einzelnen!

„Ich gebe ihnen einen Namen, der mehr wert ist als Söhne und Töchter: Einen ewigen Namen gebe ich ihnen, der niemals ausgetilgt wird“ (Jes 56,5)

Gott, ich kann dir gar nicht genug dafür danken, einen Namen zu tragen.

Von Angst und Hoffnung.

2015. Irgenwann nach den Anschlägen von Paris. Ein Gespräch.

Wir sitzen auf dem verrauchten Dachboden meiner WG – es ist spät.

„Ich versteh´ den IS nicht – was wollen die denn?“
(Schluck Bier –  nervöses Lachen)
„Angst. Die wollen, dass du Angst hast. Und ich. Wir alle.“
(Schluck Bier)
„Aber hab ich das? Paris, New York – klar, dass da was passiert.
 Warum soll ich denn hier Angst haben? Als könnte in Trier was passieren…“
(Schluck Bier – Themenwechsel)

2016. 8  Tage nach Würzburg. 2 Tage nach Ansbach. Ein Selbstgespräch.

Ich sitze auf dem verrauchten Dachboden meiner WG – es ist früh.

40.000 Einwohner hat Ansbach. Knapp 50.000 weniger als Trier. Knapp 20.000 mehr als meine Heimatstadt.
(Schluck  Kaffee – Handysummen – Breaking News: Geiselnahme in einer nordfranzösischen Kirche)
Nach Paris war ich sicher. Angst habe ich nicht gefühlt.
(Schluck Kaffee)
Und jetzt? Was fühle ich?
Es ist diffus. Angst könnte man es schon nennen – aber auch:
Verwirrung. Trotz. Ein mulmiges Gefühl im Bauch.

(Schluck Kaffee – Zigarette)
Aber warum Angst?
Weil es kleiner ist. Näher. Da wird in der Provinz geschlitzt und gebombt.
Das ist nicht mehr Paris. Das kann jetzt überall sein.
(Schluck Kaffee)
Wenn so was Angst sähen kann – wie kann man Hoffnung pflanzen?

2 Stunden später. Auf dem Weg zu Aldi. Ein Gespräch.

Ich laufe durch die Innenstadt. Alles wie immer.
Eine Frauenstimme singt – „Arabisch“, denke ich.
Da sitzt sie, direkt neben der Eingangstür.
Sie trägt ein blumiges Kopftuch und singt.

Schön“, sage ich.
Sie lächelt: „Danke.“ –  „Was singst du da?“
Gebrochenes Deutsch: „Ich singe. Liebe, Leben und Gott, singe ich.“
„Warum?“
„Überall Tod. Wenn ich singe, kein Tod. Wenn ich singe, keine Angst

Wow. Im Weitergehen frage ich mich noch:
Kaffee, oder Bier? Was kaufst du jetzt?

Von der Angst zum Ende zu kommen

Eigentlich heißt es ja, dass aller Anfang schwer ist. Das berühmte weiße Blatt Papier.
Doch für mich ist nicht das Anfangen, sondern das Zum-Ende-Kommen viel herausfordernder.
Das beschriebene Blatt Papier endlich mal abgeben.
Mich damit abfinden, dass eine Sache jetzt vorbei ist.

Ja, ich finde ein Ende schwieriger als einen Anfang.
Wenn ich anfange, weiß ich, wohin ich möchte. Ich habe eine Idee, der ich nachfolge.
Ein grobes Konzept, was ich machen möchte.

Aber etwas zu beenden heißt auch immer, mit der Idee abzuschließen.
Und dann habe ich eben kein Konzept mehr für den nächsten Schritt.
Keine Idee, die danach kommt, sondern einfach nichts.
Nur das, was zu Ende gebracht worden ist.

Und so sitze ich da. Vor dem voll beschriebenen Papier.
Sage mir: „Da könntest du noch was machen. Hier könntest du noch was schreiben.“
Bis ich abbreche und die letzte Hausarbeit meines Lebens endlich abgebe.

Hier bin ich richtig

Donnerstag, 17.20 Uhr: Rushhour im Kaufland und ich mittendrin. Genervt schiebe ich meine Einkaufskarre vorbei an gestresst wirkenden Menschen und durch die unzähligen Lebensmittelreihen, von denen aus mir die Produkte quasi zuzurufen scheinen: „Kauf mich, hol mich mit nach Hause! Ich tu dir gut, denn ich gebe dir das Gefühl, dass du dich glücklicher, schlanker, gesünder, ausgewogener fühlst.“ Der Wein zwinkert mir dabei ganz besonders verführerisch zu…

Aber keine Chance! Heute wird das nichts, mit bewusstem Einkaufen, Preisvergleich und Kauferlebnis. Ich will einfach meine Einkaufsliste abarbeiten – wobei ich genau weiß, dass später genau die Sachen, die drauf stehen und die ich wirklich brauche im Laden liegen bleiben werden – und dann ab nach Hause auf die Couch, denn es war ein langer Tag. Außerdem fehlt sowieso nur noch ein kleines Fünkchen irgendetwas und ich raste aus.

Der Grund: Vor fünf Minuten habe ich mir, nachdem ich endlich einen Parkplatz gefunden habe – natürlich schön weit weg vom Eingang und den Einkaufskarren – und meinen Berg Pfand zur Rückgabestation geschleppt habe, einen Krieg mit dem Pfandflaschenautomat geliefert… Flasche rein, Flasche raus, Falsche rein, Flasche raus, Flasche drin, Automat voll, anderer Automat, Flasche rein, Flasche raus, Automat voll, alle restlichen Automaten belegt…

„Kaufland – hier bin ich richtig“ dröhnt es aus den Lautsprechern. Schwer zu sagen, wer mehr Hingabe besitzt: Die Frau am Lautsprecher oder ich, wie ich eine Packung Spaghetti in den Wagen werfe. Plötzlich kommt unerwartete Spannung auf: Ein bekanntes Gesicht! Mit neugewonnener Energie flüchte ich mich in den nächsten Gang, um mich vor der Konversation zu drücken. Das hätte mir jetzt noch gefehlt. Lasst mich einfach alle in Ruhe!

Dann, nach gefühlt einer Stunde, habe ich alles zusammen und steuere die Kassen an. Wenn ich daran denke, das alles ins Auto, vom Auto ins Haus und in die Schränke zu räumen, sinkt meine Stimmung gen Gefrierpunkt. Während ich meine eingekauften Sachen endlich auf das Band knalle – Murphys Gesetze haben ihre Richtigkeit wieder einmal bewiesen, natürlich habe ich mich in die langsamste Schlange gestellt – bekomme ich eine Situation zwischen einer älteren Dame und einem jungen Mann mit, die vor mir an der Kasse stehen.

Die alte Frau hat Probleme, ihren schweren Einkauf auf das Band zu heben. Der junge Mann will ihr helfen. Die Frau schaut erst etwas skeptisch, freut sich dann aber umso mehr, dass jemand so aufmerksam ist und ihr hilft. Nachdem alles auf dem Band liegt, fragt sie den Mann: „Haben Sie Kinder?“ Der Mann nickt. Die Frau kramt in ihren Tüten und zieht einen Teddybär hervor. „Für Ihre Kinder. Danke fürs Anpacken.“

Mehr passiert nicht und schon ist der kleine, scheinbar unbedeutsame und etwas seltsame Moment vorbei. Doch er hat eine riesige Wirkung: Plötzlich muss ich lächeln… In aller Ruhe räume ich meine Sachen in die Karre, summe mein Lieblingslied vor mich hin und fahre nach Hause.

Mimimi – er hat Jesus gesagt!

Religion und Werbung – was auf den ersten Blick kaum zusammenpasst, wird dennoch oft kombiniert. Religiöse Anspielungen scheinen vor allem dann in den Köpfen der Werbemacher*innen aufzupoppen, wenn man nach etwas Provokantem sucht. Jüngstes Beispiel: Der Schweizer Bikini-Modemacher „Ta-bou“. Ein hübsches Model räkelt sich vor einem Holzkreuz, daneben der Spruch: „Nicht wie Jesus oder Alexander! Wir machen weiter … seit 38 Jahren!“ (Hier der Link zum Plakat.)

Ich stelle mir den Dialog derer vor, die sich das ausgedacht haben:

„Wir brauchen mal wieder etwas, das uns ins Gespräch bringt.“

„Jesus!“

„Gute Idee. Uns gibt es jetzt seit 38 Jahren. Wurde Jesus nicht 38 Jahre alt?“

„Moment…Google sagt: 33. Und Alexander der Große wurde auch nur 33!“

„Mist, fünf Jahre zu wenig. Andrerseits … Egal. 38, 33 – was machen die paar Jährchen schon für’n Unterschied. Tot ist tot. Jesus ist gut, das zieht. Da regen sich die Frommen schön auf!“

Und klar: Es hat funktioniert. Man* regt sich auf.

Ich wünsche mir manchmal, dass wir auf solche „Provokationen“ einfach nicht reagieren. Wenn ich ein solches Plakat oder etwas anderes in der Art sehe, denke ich mir: So what? Was hat das für mich für eine Bedeutung? Ganz unabhängig davon, wie beleidigend oder provokativ es ist. Es ist doch wie im Kindergarten: Der*die eine ärgert weiter, solange sich der*die andere drüber aufregt. Sobald der*die das aber einfach dauerhaft ignoriert, ist Schluss – die Provokation macht einfach keinen Spaß mehr. Ist das so schwer, sobald man aus der Pubertät raus ist?

Und abgesehen davon: Müssen wir Christ*innen uns wirklich stellvertretend für Gott aufregen? Ich glaube, das kriegt der Allmächtige schon ganz gut alleine hin. Vermutlich geht’s da aber dann um ganz andere Sachen, und nicht darum, ob im Kopf irgendeiner*s Werbefachfrau*manns ab und an Mal „Jesus“ aufpoppt.

Her mit dem Roboter-Missionar!

Manchmal können Lösungen so einfach sein! Das dachte ich zumindest, als ich in den vergangenen Tagen über den buddhistischen Roboter-Mönch gestolpert bin (virtuell, versteht sich). Das kleine Kerlchen namens Xian’er hat einiges auf dem Kasten: Er kann über den buddhistischen Glauben aufklären, Gebete aufsagen und sich frei im Tempel bewegen. Das soll er auch tun, denn Xian’er ist dazu gemacht, zu demonstrieren, dass sich Glaube und Wissenschaft nicht widersprechen und so neue Gläubige zu gewinnen. So sieht das aus:

China's robot monk has lessons on Buddhism

Sowas könnten wir doch auch gut gebrauchen. In Zeiten von Pfarrer*innen- bzw. Priestermangel und Gemeinden, die zusammengelegt werden wären Roboter  eine tolle Entlastung. Lästige Fragen in Glaubenssachen, auf die sowieso jeder andere Antworten gibt – endlich könnte hier für Ordnung gesorgt werden. Eine zentrale Datenbank auf Abruf, fertig. Und das, ohne wertvolle Arbeitszeit der Geistlichen für zeitraubende persönliche Gespräche zu vergeuden.

Und bei Predigten erst! Man könnte die Langeweile aus dem Quellcode streichen, zack, schon hält es uns vor Spannung kaum noch auf den Kirchenbänken. Licht- und andere Effekte sind heutzutage auch kein Problem mehr (Idee: Augen, die plötzlich rot leuchten, wenn das Wort „Hölle“ vorkommt, vielleicht noch mit etwas Schwefeldampf aus den Ohren). So wird der Kirchenbesuch künftig auch bei Protestant*innen ganz unaufwendig zum Erlebnis, das alle Sinne anspricht.

Nicht vergessen darf man natürlich das eingebaute Staubsaugermodul, das beim Kirchen-Roboter keinesfalls fehlen darf. Wenn der Roboter sich selbstständig bewegt, kann er dabei auch gleich saubermachen. Wieder Geld und Zeit gespart.

Ein ganz netter Nebeneffekt: Roboter sind cool. Der Bezug zur Lebenswelt derer, die er erreichen möchte, fiele einem Roboter-Missionar nicht schwer. Star Wars, Ex Machina, Terminator, RoboCop – in Sachen Anschlussfähigkeit sind Roboter auf der sicheren Seite. Langfristig, garantiert.

Worauf warten wir also noch?