Ich kann es nicht

Die Adventszeit gilt als Zeit, in der wir auf Weihnachten warten. Wir warten. Und wir bereiten uns auf das große Fest vor, indem wir Geschenke besorgen, Plätzchen backen, die Wohnung schmücken. Und der*die ein*e oder andere bereitet sich, wenn es die Zeit zulässt, auch innerlich vor – auf den Gedanken, dass Gott in diese Welt gekommen ist.

Wie würde (oder werde) ich mich vorbereiten? Kann ich mich eigentlich vorbereiten? Was muss ich denn eigentlich tun, um Gott angemessen zu empfangen? Was wir an Weihnachten feiern, ist doch eigentlich „unfeierbar“, weil es unsere Vorstellungskraft auf allen Ebenen übersteigt. Ich kann Gott doch gar nicht empfangen, weil ich kleiner Mensch damit völlig überfordert bin. Und all die Floskeln, die man in der Adventszeit allerorten hört – letztlich bleiben sie doch nur Floskeln. „Mein Herz öffnen“, „Liebe verbreiten“. Ja, ja, ja.

Fakt ist doch: Ich kann es nicht. Gott empfangen – dazu fühle ich mich nicht in der Lage. Ich bin schon mit dem Gedanken überfordert, dass an Heiligabend die Wohnung so hergerichtet sein muss, dass andere Menschen kommen können.

Und dann, in den ruhigen Stunden der Adventszeit, da höre ich manchmal eine Stimme. Aus dem Off, ganz leise, die mir zuflüstert: „Ich komme nicht. Du brauchst dich nicht vorzubereiten.“

Es ist eine Stimme, die mir sagt: „Ich muss nicht zu dir kommen, denn ich bin schon da.“

Hier bin ich richtig

Donnerstag, 17.20 Uhr: Rushhour im Kaufland und ich mittendrin. Genervt schiebe ich meine Einkaufskarre vorbei an gestresst wirkenden Menschen und durch die unzähligen Lebensmittelreihen, von denen aus mir die Produkte quasi zuzurufen scheinen: „Kauf mich, hol mich mit nach Hause! Ich tu dir gut, denn ich gebe dir das Gefühl, dass du dich glücklicher, schlanker, gesünder, ausgewogener fühlst.“ Der Wein zwinkert mir dabei ganz besonders verführerisch zu…

Aber keine Chance! Heute wird das nichts, mit bewusstem Einkaufen, Preisvergleich und Kauferlebnis. Ich will einfach meine Einkaufsliste abarbeiten – wobei ich genau weiß, dass später genau die Sachen, die drauf stehen und die ich wirklich brauche im Laden liegen bleiben werden – und dann ab nach Hause auf die Couch, denn es war ein langer Tag. Außerdem fehlt sowieso nur noch ein kleines Fünkchen irgendetwas und ich raste aus.

Der Grund: Vor fünf Minuten habe ich mir, nachdem ich endlich einen Parkplatz gefunden habe – natürlich schön weit weg vom Eingang und den Einkaufskarren – und meinen Berg Pfand zur Rückgabestation geschleppt habe, einen Krieg mit dem Pfandflaschenautomat geliefert… Flasche rein, Flasche raus, Falsche rein, Flasche raus, Flasche drin, Automat voll, anderer Automat, Flasche rein, Flasche raus, Automat voll, alle restlichen Automaten belegt…

„Kaufland – hier bin ich richtig“ dröhnt es aus den Lautsprechern. Schwer zu sagen, wer mehr Hingabe besitzt: Die Frau am Lautsprecher oder ich, wie ich eine Packung Spaghetti in den Wagen werfe. Plötzlich kommt unerwartete Spannung auf: Ein bekanntes Gesicht! Mit neugewonnener Energie flüchte ich mich in den nächsten Gang, um mich vor der Konversation zu drücken. Das hätte mir jetzt noch gefehlt. Lasst mich einfach alle in Ruhe!

Dann, nach gefühlt einer Stunde, habe ich alles zusammen und steuere die Kassen an. Wenn ich daran denke, das alles ins Auto, vom Auto ins Haus und in die Schränke zu räumen, sinkt meine Stimmung gen Gefrierpunkt. Während ich meine eingekauften Sachen endlich auf das Band knalle – Murphys Gesetze haben ihre Richtigkeit wieder einmal bewiesen, natürlich habe ich mich in die langsamste Schlange gestellt – bekomme ich eine Situation zwischen einer älteren Dame und einem jungen Mann mit, die vor mir an der Kasse stehen.

Die alte Frau hat Probleme, ihren schweren Einkauf auf das Band zu heben. Der junge Mann will ihr helfen. Die Frau schaut erst etwas skeptisch, freut sich dann aber umso mehr, dass jemand so aufmerksam ist und ihr hilft. Nachdem alles auf dem Band liegt, fragt sie den Mann: „Haben Sie Kinder?“ Der Mann nickt. Die Frau kramt in ihren Tüten und zieht einen Teddybär hervor. „Für Ihre Kinder. Danke fürs Anpacken.“

Mehr passiert nicht und schon ist der kleine, scheinbar unbedeutsame und etwas seltsame Moment vorbei. Doch er hat eine riesige Wirkung: Plötzlich muss ich lächeln… In aller Ruhe räume ich meine Sachen in die Karre, summe mein Lieblingslied vor mich hin und fahre nach Hause.

Weihnachtsprobleme

Ich habe so meine Probeme mit Weihnachten.

Jetzt nicht direkt mit dem Fest an sich, nicht mit der Nachricht, um die es geht.
Darüber will ich heute aber auch nicht reden – heute bin ich nicht der Theologe, der die Weihnachtsgeschichte auslegt.

Heute frage ich mich einfach: Wie soll ich das denn überstehen?

Frei auf der Arbeit – Keine Vorlesungen. Der schöne Alltag, an den ich mich klammere, verpufft.
Dann geht es auf in die Heimat. Mit Sack und Pack zu Mama und Papa.

Der Weihnachtsbaum ist – wie jedes Jahr- irgendwie schief und kahl, weil „sich irgendjemand zu spät drum gekümmert hat ihn zu besorgen.“
Wer genau dafür zuständig war ist unklar – wie jedes Jahr.
Ich war es nicht. (Zum Glück!)

Die Deko ist mir zu hell, zu viel, zu bunt.
Die Küche ist mir zu klein, zu laut, zu unübersichtlich, wenn alle gleichzeitig mitwirken wollen am Weihnachtsbraten.
Das Wohnzimmer zu vollgestellt, zu Kerzenlicht, zu warm. (Mal ehrlch: 25 Grad?!)

Wir schaffen es irgendwie durch Essen, Bescherung und Weihnachtslieder durch, ohne zu streiten.
Jacke an, die Glocke läutet: Abendmesse.

Weil wir „einen guten Platz brauchen, wo man auch was sieht“ sind wir eine gefühlte Stunde zu früh in der Kirche.

Warum tu ich mir das jedes Jahr an?

Vielleicht, weil es genau darum geht (jaa, ich weiß, der Theologe lässt grüßen).
Weihnachten ist etwas, dass man übersteht.
Wo man über sich und den Dingen einfach mal drüber steht. Groß ist.
Den*die andere*n annimmt – genau wie er*sie ist.
Ich schlucke meinen Ärger über Deko, Famille und Braten runter.

Nach der Messe gibt’s noch ein Glas Sekt.

Und ich habe tatsächlich einen tollen Abend.

Überstanden.