Zwischenstopp

18.18 Uhr. Viel zu spät. Sie hatte eigentlich schon seit einer halben Stunde hier raus sein wollen. Aber dann hatte das Telefon nicht aufgehört zu klingeln und es war ja auch alles wichtig gewesen. Wirklich wichtig.

18.43 Uhr. Verdammt. Mit dem Pfleger hatte sie ausgemacht, um 18.00 Uhr da zu sein. Er wollte noch irgendwas mit ihr besprechen. Egal, in erster Linie ging es ihr darum, kurz reinzuschauen und dann möglichst schnell nach Hause zu kommen. Der Tag war lang genug gewesen. Warum hatte sie sich überhaupt darauf festnageln lassen, auf diesen Besuch? Und wo musste sie überhaupt hin in diesem riesigen Haus mit den 30 Fluren? Unschlüssig blieb sie erst vor einer Infotafel stehen, fand sich nicht zurecht und erfragte dann doch an der Pforte Zimmernummer und den Weg dahin.

Als sie den langen Flur betrat, war kein Mensch zu sehen. Keine Schwester, keine Angehörigen, nur der typische Krankenhausgeruch begleitete ihre Schritte. „Hoffentlich fange ich mir hier nix ein.“, dachte sie kurz und ging automatisch in Gedanken ihren Terminkalender durch. Nein, krank werden – das war einfach nicht drin im Moment.

18.48 Uhr. Unwillig und genervt klopfte sie an, nachdem sie noch einmal kurz überlegt hatte, umzudrehen und einfach wieder zu gehen. Aber das Pflichtgefühl drängte sie dazu, doch wenigstens kurz reinzuschauen. Als sie den Kopf in das Zimmer streckte, wurde sie erfreut begrüßt. Dann hörte sie sich mehr oder minder geduldig die ganze Krankengeschichte an, nickte höflich, tätschelte kurz die Hand, wünschte gute Besserung und verabschiedete sich hastig.

19.01 Uhr. Wieder auf dem Parkplatz, blickt sie sich erleichtert um. Geschafft. Pflicht erfüllt, Besuch abgestattet. Sie überlegt kurz, was geschehen war. Nicht viel. 10 Minuten. Geteilte Zeit, offenes Ohr, mitfühlendes Nicken. Viel gekostet hat es sie nicht, nur die Überwindung. Ein Blick in den Terminkalender zeigte, dass sie auch morgen irgendwo 10 Minuten rausschneiden konnte.
Vielleicht sogar 13.

In Kooperation mit katholisch.de befassen wir uns die Fastenzeit mit den 7 Werken der Barmherzigkeit. Montag, Dienstag, Mittwoch, Freitag und Samstag veröffentlichen wir einen Gebetsimpuls auf der katholisch.de Facebookseite. Und jeden Sonntag einen Gedanken auf unserem Blog. Alle Gedanken sind unter Fastenaktion 2016 abrufbar. #barmherzlich

Der Falter

Als ich einmal in eine Kirche ging, kam ich, um die Stille zu genießen. Meine Augen erfreuten sich am unverschämt pompösen Schmuck und meine Ohren freuten sich an der Einfachheit der Klänge. Es war still. Nur meine eigenen Füße gaben dem Raum Klang. Und er antwortete mit all seinen Winkeln.

Ich ging bis nach ganz vorne. Drehte meinen Blick und sah Kerzen, die von Fremden entzündet alleine ihren Tanz tanzten. Ich warf eine Münze in den Korb, nahm mir selbst eine Kerze, entzündete sie, stellte sie zu ihren Geschwistern und setzte mich.

Es schien, als ob sie nur für mich tanzen würden. Nach einem Lied, welches nur sie hören können. Ich konnte die Melodie nur in ihren Bewegungen erraten.

Und wie ich dort saß, fasziniert von den Flammen, hörend auf Stille wurde diese durch ein starkes Vibrationsgeräusch unterbrochen. Ein Falter versuchte mit seinen Flügeln das Glas vor sich wegzuschieben.

Er wollte zum Licht und vergaß dabei das offene Fenster im Schatten hinter sich. Er war geblendet. Und in seiner Blindheit versuchte er unaufhörlich durch das Glas zu kommen.

Ich war deprimiert. Ließ meine Kerze allein mit den anderen weitertanzen und verließ die Kirche.