Haltewunsch

Da ist er also, der Advent, in vollem Gange, fast fertig. Ja, ich weiß – Lebkuchen und Spekulatius warten schon seit Monaten vertrocknend darauf, endlich gekauft zu werden, die Weihnachtsmärkte werden seit zehn Wochen (mindestens!) aufgebaut und überhaupt – man hätte schon merken können, dass er kommt, der Advent.

Hab ich aber nicht. Der November und auch der Dezember waren zu voll dieses Jahr – zu voll mit Veranstaltungen, Terminen und Aufgaben. Und dazu war der November auch kein richtiger, mit seinen Schreckensmeldungen und den dazu so gar nicht passenden Sonnentagen. Eigentlich die stringente Fortführung dieses Jahres. Ich finde, der Dezember mit seinem Advent hätte noch ein paar Tage warten können. Der Welt noch ein bisschen Zeit geben zum Sich-Beruhigen, statt täglich neue Kriegsverbrechen, Anschläge und Menschenhass zu verkünden. Da passt Weihnachten gerade so wenig wie Eis am Stiel.

Und irgendwie passt es halt ja doch wieder. Hilflose Kinder, die versuchen, die Welt wachzurütteln, Junge und Alte, die keine Heimat finden, Unglauben, Wut und Ratlosigkeit angesichts dessen, zu was Menschen fähig sind. Dahinein wird Gott Mensch, vor 2000 Jahren wie heute, und gibt damit das Versprechen, da zu sein.

Mein Kopf kann das alle wunderbar zusammenbringen. Aber entgegen allem Denken wünsche ich mir einfach nur, dass wenigstens an Weihnachten die Welt kurz still steht. Dass Gott nicht nur da ist, sondern einfach mal Frieden macht. Auszeit. Und sich alle, überall, in diesen Frieden verlieben. Utopisch. Ich weiß. Trotzdem.

Wenn die Hoffnung auf diesen Frieden sich nicht zur riesigen Sehnsucht auswächst, was bleibt dann?

Lasst meine Ideen leben

Ich breche ab.

Denn am Ende des Jahres sehe ich viele meiner Ideen am Boden liegen.
Nicht weil ich sie dorthin geworfen habe.
Auf sie wurde mehr eingeredet
als auf Bonnie & Clyde geschossen.
Zugegeben: Einige haben es auch verdient.

Aber die meisten sind zu Unrecht mit Zweifel k. o. geschlagen,
durch Strukturen stranguliert und anschließend fallen gelassen worden.

„Ich weiß nicht, ob das so funktioniert.“

Natürlich weißt du es nicht,
denn es bewegt sich außerhalb deines Komfortbereiches so zu denken.

Natürlich weißt du es nicht,
wenn du allen, die dir so etwas offerieren mit der selben Arroganz begegnest.

„Ich weiß nicht, ob dieser Joghurt wirklich nach Erdbeere schmeckt.“

Dann hör auf rumzuheulen.
Schnapp dir ’nen Löffel.
Mach den Deckel auf und probier ihn!

Aber vor allem sag mir nicht hundertmal, dass du dir nicht sicher bist, ob er wirklich so schmeckt.

Was soll denn passieren?

Vielleicht schmeckt er nach Banane. Auch lecker.
Nicht dein Geschmack? Nicht mein Problem!

Wovor hast du Angst?

Ich lasse meine Ideen nicht mehr so einfach fallen.
Ich werde bei ihnen stehen. Ihnen ein Anwalt sein.
Und dann selber bestimmen, wie lange ich meine Mandantin verteidige.

Ich breche mit eurem Zweifel!
Meine Ideen wollen leben.

logo_aufbruch_abbruch

Jeden Tag ein neues Törchen. Dieser Beitrag ist Teil unseres Adventkalenders 2015 zum Thema Aufbruch & Abbruch. Alle weiteren Einträge findest du in unserem Archiv unter Adventskalender 2015.

Au Revoir

In seinem Lied „Au Revoir“ singt Mark Forster:

„In diesem Haus, wo ich wohn
Ist alles so gewohnt
So zum Kotzen vertraut
Man, jeder Tag ist so gleich
Ich zieh Runden durch mein‘ Teich
Ich will nur noch hier raus
Ich brauch mehr Platz und frischen Wind
Ich muss schnell woanders hin
Sonst wachs ich hier fest
Ich mach ’nen Kopfsprung durch die Tür
Ich lass alles hinter mir
Hab was Großes im Visier
Ich komm nie zurück zu mir
Es gibt nichts, was mich hält, Au Revoir […].“

Für mich geht es um das Sich-im-Kreis-Drehen, um das Gefangen-Sein im Alltag.
Ich höre den sehnlichen Wunsch nach Freiheit, nach Perspektiven und nach der Verwirklichung von Träumen.
Dafür scheint ein Abbruch – ein radikaler Cut mit dem Gewohnten und Vertrauten – notwendig zu sein. Ist das so, frage ich mich?

Der Musikclip zu Au Revoir gibt dem Ganzen ein Gesicht: ein 16-jähirges Mädchen läuft von zu Hause weg.
Sie wirft ihren Eltern vor, sie vor ihren Träumen wegzusperren und flieht in die Stadt, wo sie nicht nur ihre neu gewonnene Freiheit genießt, sondern auch an ihre Grenzen stößt:
Sie ist alleine und auf sich gestellt, sie trinkt und sie verdient ihr Geld als Stripperin.
In der letzten Szene des Clips sieht man sie beim Vortanzen für ein Ballett-Ensemble – das ist ihr Traum, für den sie ihr altes Leben hinter sich gelassen hat.

Und wie geht die Geschichte des Mädchens aus? Erfüllt sich ihr großer Traum? War es das wert?

Ich weiß es nicht, das Ende bleibt offen.

Ein radikaler Abbruch des bisherigen Lebens um seine Träume zu erreichen?
Das ist für mich in meiner kleinen behüteten Welt nie eine Option gewesen.
Dennoch: es gibt Situationen, da gibt es keine Alternative!

Nicht für das vielleicht etwas trotzige 16-jährige Mädchen in dem Musikclip.
Ganz besonders nicht für die vielen Menschen weltweit, die vielleicht gerade in diesem Moment den Entschluss fassen – wild entschlossen oder schweren Herzens – der Heimat den Rücken zu kehren.

Dabei haben die meisten die Ungewissheit im Gepäck, wie das Unternehmen ausgehen wird und ob es jemals ein Wiedersehen – gewollt oder ungewollt – mit dem Abgebrochenen gibt. Au revoir?!

Mark Forster Feat. Sido - Au Revoir

logo_aufbruch_abbruch

Jeden Tag ein neues Törchen. Dieser Beitrag ist Teil unseres Adventkalenders 2015 zum Thema Aufbruch & Abbruch. Alle weiteren Einträge findest du in unserem Archiv unter Adventskalender 2015.

Ich will mich nicht besinnen!

„Auszeit im Advent“ /

„Gedanken zum ruhigen Start in den Tag“ /

„Besinnliche Stunden im Advent wünschen Dir…“ /

„Gönn Dir eine beruhigende Tasse Tee zum Durchatmen in all dem Weihnachtsstress!“

Egal ob Plakat an der Uni, Gemeindebrief, Weihnachtskarten oder Werbung. Alle und alles fordert dazu auf, mich hinzusetzen, durchzuatmen, eine Tasse Tee zu trinken, zu warten und mich zu besinnen. Herrlich. Genau das Richtige im Advent. Vorbereitung und so.

Aber ich will mich nicht besinnen. Nicht jetzt. Nicht so. Mein Leben ist gerade so erfüllt, die Zeit so intensiv … an der Uni – viel zu lernen, zu diskutieren, zu entdecken. In der Familie – viel zu besprechen. Im Ehrenamt – viel planen, anzugehen, anzupacken. Manchmal, das gebe ich zu, droht es „zu viel“ zu werden. Aber wird es weniger, wenn ich mich hinsetze, Tee trinke, warte und mich besinne?!

Ja, wir brauchen Rückzugsorte im Leben, Zeiten, in denen wir einfach nur da sind, ohne zu rennen, zu denken, zu machen und zu tun. Die sind nicht nur sinnvoll, sondern lebensnotwendig.

Aber in diesem Jahr tue ich mir schwer mit dieser kollektiven Besinnlichkeit.

Und dazu: Weihnachten, der Beginn eines ganz besonderen Lebens. Der Advent, welcher der Weihnachtszeit vorausgeht, eine ausgewiesene Vorbereitungszeit. Vorbereitung – dazu gehören für mich Denkarbeit, Klärungsarbeit, logistische und organisatorische Aufgaben.

Deshalb breche ich dieses Jahr mit der Besinnung bei Tee und Kerzenschein. Werde lesen, denken, lachen, diskutieren, rennen, brennen, begegnen, mich auch mal ärgern, gestalten und damit meinen Kopf, mein Herz, meine Beine, meine Hände vorbereiten auf das, was kommt.

logo_aufbruch_abbruch

Jeden Tag ein neues Törchen. Dieser Beitrag ist Teil unseres Adventkalenders 2015 zum Thema Aufbruch & Abbruch. Alle weiteren Einträge findest du in unserem Archiv unter Adventskalender 2015.

Nicht jetzt.

Es klopfte. Laut.
Einmal.
Zweimal.
Ein weiteres Mal.

Ich komme sofort,
rief die Person diesseits.
Den Topf vom Herd,
die Hände an die Schürze.

Unpassend. Jetzt!
Ausgerechnet.

Ein viertes Mal.
Das Klopfen. Laut.

Die Hand an der Klinke
öffnete die Person diesseits
die Tür.
Schnee wehte herein. Kalt.
Niemand da.

Achselzucken. Stirnrunzeln.
Unpassend! Jetzt! Egal.
Ausgerechnet.

Egal?

logo_aufbruch_abbruch

Jeden Tag ein neues Törchen. Dieser Beitrag ist Teil unseres Adventkalenders 2015 zum Thema Aufbruch & Abbruch. Alle weiteren Einträge findest du in unserem Archiv unter Adventskalender 2015.