Donnerstag, 17.20 Uhr: Rushhour im Kaufland und ich mittendrin. Genervt schiebe ich meine Einkaufskarre vorbei an gestresst wirkenden Menschen und durch die unzähligen Lebensmittelreihen, von denen aus mir die Produkte quasi zuzurufen scheinen: „Kauf mich, hol mich mit nach Hause! Ich tu dir gut, denn ich gebe dir das Gefühl, dass du dich glücklicher, schlanker, gesünder, ausgewogener fühlst.“ Der Wein zwinkert mir dabei ganz besonders verführerisch zu…
Aber keine Chance! Heute wird das nichts, mit bewusstem Einkaufen, Preisvergleich und Kauferlebnis. Ich will einfach meine Einkaufsliste abarbeiten – wobei ich genau weiß, dass später genau die Sachen, die drauf stehen und die ich wirklich brauche im Laden liegen bleiben werden – und dann ab nach Hause auf die Couch, denn es war ein langer Tag. Außerdem fehlt sowieso nur noch ein kleines Fünkchen irgendetwas und ich raste aus.
Der Grund: Vor fünf Minuten habe ich mir, nachdem ich endlich einen Parkplatz gefunden habe – natürlich schön weit weg vom Eingang und den Einkaufskarren – und meinen Berg Pfand zur Rückgabestation geschleppt habe, einen Krieg mit dem Pfandflaschenautomat geliefert… Flasche rein, Flasche raus, Falsche rein, Flasche raus, Flasche drin, Automat voll, anderer Automat, Flasche rein, Flasche raus, Automat voll, alle restlichen Automaten belegt…
„Kaufland – hier bin ich richtig“ dröhnt es aus den Lautsprechern. Schwer zu sagen, wer mehr Hingabe besitzt: Die Frau am Lautsprecher oder ich, wie ich eine Packung Spaghetti in den Wagen werfe. Plötzlich kommt unerwartete Spannung auf: Ein bekanntes Gesicht! Mit neugewonnener Energie flüchte ich mich in den nächsten Gang, um mich vor der Konversation zu drücken. Das hätte mir jetzt noch gefehlt. Lasst mich einfach alle in Ruhe!
Dann, nach gefühlt einer Stunde, habe ich alles zusammen und steuere die Kassen an. Wenn ich daran denke, das alles ins Auto, vom Auto ins Haus und in die Schränke zu räumen, sinkt meine Stimmung gen Gefrierpunkt. Während ich meine eingekauften Sachen endlich auf das Band knalle – Murphys Gesetze haben ihre Richtigkeit wieder einmal bewiesen, natürlich habe ich mich in die langsamste Schlange gestellt – bekomme ich eine Situation zwischen einer älteren Dame und einem jungen Mann mit, die vor mir an der Kasse stehen.
Die alte Frau hat Probleme, ihren schweren Einkauf auf das Band zu heben. Der junge Mann will ihr helfen. Die Frau schaut erst etwas skeptisch, freut sich dann aber umso mehr, dass jemand so aufmerksam ist und ihr hilft. Nachdem alles auf dem Band liegt, fragt sie den Mann: „Haben Sie Kinder?“ Der Mann nickt. Die Frau kramt in ihren Tüten und zieht einen Teddybär hervor. „Für Ihre Kinder. Danke fürs Anpacken.“
Mehr passiert nicht und schon ist der kleine, scheinbar unbedeutsame und etwas seltsame Moment vorbei. Doch er hat eine riesige Wirkung: Plötzlich muss ich lächeln… In aller Ruhe räume ich meine Sachen in die Karre, summe mein Lieblingslied vor mich hin und fahre nach Hause.
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