Du (er)trägst mich

Immer wieder sind sie da.
Diese Momente in denen man sich selbst ertragen muss.
Wenn man mal wieder Geisel seiner selbst ist.

Mir fallen zu genüge Dinge ein, die ich an mir ändern will, ändern sollte, ändern könnte…?

Doch da sind sie.

Wer?

Die Menschen, die mich ertragen und aushalten.
Die Menschen, mit denen ich Tränen lachen und das Leben gebührend feiern kann.
Die Menschen, die mir aber auch mal sagen, wie blöd ich sein kann.
Die Menschen, mit denen ich weinen kann.

Ich habe oft das Gefühl, dass ich viel zu wenig erwähne, wie sehr ich euch brauche und wie viel Kraft ihr mir gebt, mich manchmal selbst zu ertragen.

Mit euch kann ich meine Zweifel beiseite räumen und zumindest für einen Moment fest daran glauben, dass es dich gibt.

Mitten unter uns.

Gut Pfad!

Pfadfindergruß.

Ein Zwölfjähriger hat mir mein Leben erklärt.

Er streckt mir seine linke Hand entgegen. Der Pfadfindergruß.

Mit der linken Hand. Seltsam.

Und die rechte Hand finde ich noch seltsamer und frage nach.

Die drei mittleren Finger ausgestreckt. Daumen und kleiner Finger werden übereinander gelegt.

Alles hat seine Bedeutung und es ist so banal. Und so wichtig zugleich.

Der Daumen liegt über dem kleinen Finger. – Der Große beschützt den Kleinen.

Der erste der mittleren Finger erinnert mich an Gott. – Der zweite an meine Mitmenschen. –  Und der dritte an mich selbst.

So einfach und doch stehe ich wie vom Donner gerührt da.

Wie oft habe ich den dritten Finger vergessen?

Ich weiß nicht, was Gott ist.

Ich weiß nicht, was Gott ist.

Was für viele wie Resignation klingt, ist für mich eine wichtige Erkenntnis.

Denn gerade ich sollte es doch wissen: Theologiestudent. 10. Semester. Fast fertig.

Aber ich weiß es nicht und das ist sehr angenehm. Denn so kann ich mich immer wieder überraschen lassen.

Gott muss sich nicht in mein Bild einordnen, sondern ich kann sein Bild in meine Collage einsortieren.

Wenn ich an Gott denke, denke ich an einen Tanz.

Ich stelle mir vor, dass wir alle wie in einem Amphitheater um die Bühne herum sitzen und den Tanz betrachten.

Und jede*r sieht was anderes.

Mal ein Bein. Mal ein Arm. Mal das Gesicht.

Immer für einen kleinen Augenblick und dann ist es schon wieder weg.

Es bewegt sich. Immer wieder entstehen neue Bilder.

Und obwohl ich dem Tanz mein Leben lang schon zusehe: Weiß ich nicht, was Gott ist.

Denn ich sehe nur das, was sich mir gerade zeigt.

Und auch nur, wenn ich gerade hinschaue; nicht abgelenkt bin.

Ich frage mich, was mein Sitznachbar sieht.

Oder die Person auf der anderen Seite.

Eins habe ich mir vorgenommen: Wenn ich das nächste Mal dasitze und dem Tanz nicht mehr folgen kann, weil ich mir überlege, was die anderen sehen.

Dann steh ich auf.

Gehe rüber und frag nach.