Über Entscheidungen und die Zeit danach

Was hat Aufbruch mit Warten zu tun?

Aufbruch heißt doch eigentlich, endlich aktiv zu werden.  Aufzubrechen aus alten Situationen, um zu neuen Wegen zu gehen.

Ja und manchmal ist das auch so.

Aber es gibt auch andere Aufbrüche. Man* bricht auf und muss erst warten, bis man* es Realität werden lassen kann.

Als ich mich entschieden hatte, meinen bisherigen Beruf aufzugeben und zu studieren, musste ich fast zwei Jahre warten, bis ich das in die Tat umsetzen konnte. Und doch war ich aufgebrochen. Ich war schon auf dem neuen Weg, während ich noch den alten gegangen bin.

Äußere Umstände haben mich dazu gezwungen. Die Zeit im Wartesaal des Lebens war unvermeidlich.

Das ist in ganz vielen Situationen so.

Was tut man* mit der Wartezeit? Es fühlt sich an, wie schon aufgebrochen. Die Entscheidung ist gefällt. Was gibt es jetzt noch zu tun, wenn klar ist, dass es noch zwei Jahre dauert?

Klar, ganz frei war die Zeit nicht, bis das Studium begann. Der Alltag war genau wie vor meiner Entscheidung. Und doch war ich freier. Ich war aufgebrochen.

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Jeden Tag ein neues Törchen. Dieser Beitrag ist Teil unseres Adventkalenders 2015 zum Thema Aufbruch & Abbruch. Alle weiteren Einträge findest du in unserem Archiv unter Adventskalender 2015.

Versteckt. Irgendwo. Mittendrin.

Samstagmorgen letzte Woche. Irgendwo in der Eifel. Es geht um das Thema Barmherzigkeit. In der uralten Kirche liegen Plakate aus, auf die man* seine Meinung schreiben kann.

Die Frage: Kann man* trotz all dem, was sich Menschen alles gegenseitig an schlimmen Dingen antun, noch an Gottes Barmherzigkeit glauben?

Barmherzigkeit. Was für ein Wort? Im Alltag gebrauchen wir es kaum. Ich überlege. Wo habe ich schon einmal so was wie Barmherzigkeit erfahren? Mir fällt es ein. Damals im Bus von Los Angeles nach San Francisco.

Auf einem Plakat hat jemand aufgeschrieben: „versteckt. Irgendwo mittendrin und doch ganz konkret ist sie gelebt da.“

Vielleicht muss ich gar nicht erst soweit weg gehen um so etwas wie Barmherzigkeit zu erfahren. Auch gar nicht in Gedanken und in Erinnerungen an die Busfahrt in Kalifornien.

Schön, wenn man* die Erfahrung machen kann, dass andere zu einem*r barmherzig sind. Nicht um andere klein zu machen, sondern um sie ganz groß werden zu lassen.

Barmherzigkeit geschieht an mir und durch mich an anderen. Oft von mir selbst „unbemerkt. versteckt. Irgendwo mittendrin und doch ganz konkret ist sie gelebt da.“

Der sperrige Begriff beginnt sich mit Bedeutung zu füllen.

Ein erster Aufbruch.

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Ein Kompliment

Eine Zeugnismappe

Ich gebe es gerne offenherzig zu: Mir schmeicheln Komplimente.

Ein ernstgemeintes Kompliment bestätigt mich in meinen Ideen. Es gibt mir Mut und Kraft auf meinem Weg.

Selten jedoch bringen mich Komplimente zum Nachdenken. Kritik sicherlich. Aber Komplimente eher nicht.

Bis zu dem Moment, als jemand zu mir sagte: „Du bist voll das Zeugnis.“

Ein wahrlich komisches Kompliment.

Ein Zeugnis war für mich bis dato immer nur eine Beurteilung über jemand anderen. Eine schulische Bestandsaufnahme. Schwarz auf weiß gedruckt und bei aller Wichtigkeit doch eher ohne persönliche Relevanz. Die Vorstellung, selber Zeugnis zu sein war mir bis dato fremd.

Und doch fasziniert mich diese Vorstellung:

Ein Zeugnis sein.

Für etwas stehen und damit auch beständig sein.

Nicht im Rauschen des ‚Vielleicht‘ untergehen, sondern auch gegenüber anderen für etwas stehen.

Zeugnis abgeben. Gerade für so etwas Persönliches wie den eigenen Glauben.

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Unangenehme Wahrheiten

Der „Club der roten Bänder“, momentan meine absolute Lieblingsserie.

Kurz zum Inhalt: Die Serie dreht sich um eine Gruppe Jugendlicher, die allesamt wegen verschiedenen Schicksalsschlägen im Krankenhaus behandelt werden. Dort finden sie zusammen und beschließen eine Gemeinschaft zu bilden, den „Club der roten Bänder“. Gegenseitig stützen sie sich und kämpfen gemeinsam gegen ihre Schicksalsschläge, aber auch gegen die ganz normalen Probleme des Erwachsenwerdens.

Eine Folge dreht sich ganz um unangenehme Wahrheiten.

Dabei fällt der Satz:

„Wir sind immer wieder gezwungen, unangenehme Wahrheiten zu sagen. Das ist eine der schwierigsten Aufgaben in unserem Leben.“

Unangenehme Wahrheiten – im Beruf, im Privatleben, in der Familie.

Überall sind sie zu finden.

Ich fange mit einer kleinen unangenehmen Wahrheit an, die mir schon lange im Bauch liegt.

Und siehe da – es geht mir besser.

Es mag kitschig sein, aber diese wuchtige Aussage hat mir beim Schauen der Serie irgendwie den Spiegel vorgehalten.

Umso länger ich warte, desto schwieriger und unangenehmer werden sie.

Die Zeit läuft!

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Berührt …

… hat mich wieder ein kleines, leises Lied. Geschrieben von einer Gruppe Liedermacher, Schlagsaite, die ich mal in Hamburg gesehen habe und deren Musik mich seitdem begleitet.

„Für die Liedersänger“ ist für mich ein wunderbares Lied, das in wenigen Worten genau das anspricht, was Weihnachten verheißen will:

„Dass hin und wieder alles irgendwie neu anfängt“, dass es für jede*n, auch für die, die nicht mehr daran glauben können oder wollen, einen Neuanfang gibt. Auch für die „Weltverflucher“. Es singt von einer Hoffnung, die uns immer wieder begegnet. Sich nicht aufdrängt, sondern einfach da ist. Darauf wartet, dass wir „dann mal schlau spielen“.

Mehr Interpretation will ich den Zeilen nicht antun. Für mich wird hier Verheißung gesungen. Statt mit Engelsflöten mit Schlagzeug und Gitarre. Nicht süß wie Weihnachtsglocken, sondern echt und kratzig wie ein kurzer Mitschnitt.

https://www.youtube.com/watch?v=Ge9Q2W2i1hQ?t=3m

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Ich liege im Bett

Ich liege im Bett.

Ist ja erstmal nichts Ungewöhliches – dafür wurde es ja erfunden.
Zum Liegen und Schlafen… und vielleicht für ein paar andere Dinge.

Ich liege im Bett.

Neben mir ein Pizzakarton – Kochen war heute nicht.
Es ist 16:24. Eine dieser Zeiten, bei denen es sich schwierig gestaltet, als (halbwegs) Erwachener eine Ausrede zu finden nutzlos rumzuliegen.

Ich liege im Bett.

Und hätte eigentlich zu tun.
Mein Schreibtisch
Meine Ablagefläche für Dinge, die ich vor mir her schiebe, quillt über.
Mein Boden müsste auch mal wieder gestaubsaugt werden.
Ein Blick auf mein Handy verrät: drei Anrufe in Abwesenheit.
Und was mache ich?

Ich liege im Bett.

Und staune.
Über mich. Über die Welt.
Über diese Stimme, die leise sagt: „Dann steh halt auf und mach was!“
Über diese andere Stimme, die lauter ist und schreit: „Aber warum denn?“

Ich liege im Bett.

Dann steh ich auf, nehme den Pizzakarton und werfe ihn weg.
Ich gehe an den Schreibtisch.
Die laute Stimme, der innere Schweinehund, bellt noch einmal und ist dann still.

Heute habe ich gewonnen.

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Wenn Bleiben der beste Aufbruch ist

Eine Dachterrasse in Madrid.

Freundschaft, Freiheit und Zufriedenheit.

Drei Stunden lang.

Und zwischendurch immer wieder die Pläne zum Aufbruch: Sightseeing, Shopping, Essen.

Je mehr Zeit vergeht, umso größer wird der Hunger. Und die Pläne.

Wir können alles schaffen, was wir wollen. Zu zweit können wir Madrid erobern und die ganze Welt gleich mit. Keine Grenzen. Nichts hält uns auf. Hochgefühle. Wir schmieden Pläne über all das, was wir machen, wenn wir aufbrechen. Und bleiben sitzen.

Drei Stunden lang.

Die Pläne wachsen weiter.

Gnadenlose Selbstüberschätzung und somit Ursprung der Sünde sagen wohl die Theologen. Alkoholeinfluss sagt meine Mitplanerin. Gotteserfahrung sage ich.

Wer Recht hat? Keine Ahnung. Ich glaube, ich.

Das Ergebnis dieser Gotteserfahrung?

Ein Loch im Magen. Sonnenbrand auf den Schultern. Und das Gefühl wirklich aufgebrochen zu sein.

Mitten im Bleiben.

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417 Meter über New York

Normalerweise ist es einfach, einen Schritt nach vorne zu gehen, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Doch als ich kürzlich im Kino saß, mit der 3D-Brille auf der Nase, und dem Protagonisten auf der Leinwand beobachtete, da dachte ich: Nie und nimmer würde ich diesen Schritt tun, der nun folgen würde. Nie im Leben.

„The Walk“ erzählt eine wahre Geschichte, die von Philippe Petit, einem französischen Hochseilartisten. Er sucht nach immer neuen Orten für den nächsten Nervenkitzel, er will immer weiter über sich hinauswachsen. Petit bricht schließlich auf, um seinen Lebenstraum zu verwirklichen: Auf einem Seil zwischen den beiden Türmen des World Trade Centers zu balancieren. Illegal natürlich – und ohne Sicherung.

Es ist vor allem ein Satz Petits, der mir nachgeht:  „People ask me: ‚Why do you risk death?‘. For me, this is life.“ Das soll das Leben sein? Dieser Schritt auf das Drahtseil, 417 Meter über der New Yorker Innenstadt, den ich niemals tun würde? Muss ich einen Extremsport betreiben, um das „wahre Leben“ zu spüren? Braucht das Leben das Angesicht des Todes, um voll zur Geltung zu kommen?

Je mehr ich darüber nachdenke: Ich würde zwar niemals einen Aufbruch wagen, wie es der Protagonist von „The Walk“ getan hat. Aber ich muss täglich andere Schritte tun, vielleicht nicht Hunderte Meter über New York, aber häufig ohne Absicherung. Ohne die Gewissheit, dass es gut ausgeht. Ich muss Neues wagen, um voranzukommen.

Und dann kommt mir in den Sinn: Vielleicht ist es nicht die Nähe des Todes, die uns das Leben spüren lässt – auch nicht beim Hochseilartisten Petit. Vielleicht spürt man* das Leben dann besonders intensiv, wenn man* über sich hinauswächst. Jede*r in ihrem*seinem Rahmen.

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Gedankenkette

Eigentlich hätte an dieser Stelle der letzte Herbstpost für dieses Jahr stehen sollen – ein Artikel zum Thema Lebensfreude, Schöpfungswunder und Sonnenschein

Aber nach den Anschlägen in Paris erschien mir das seltsam, zu tun als wäre nichts passiert. Auch wenn der Alltag einfach so weiter zu gehen scheint. Zu viele Gedanken bilden lange Ketten in meinem Kopf …

Schrecklich – unvorstellbar –Guter Gott, warum? – Was wird aus dieser Welt? – Zu was sind Menschen fähig? – Was habe ich doch ein behütetes Leben hier im heilen Europa, dass mich dieser Freitag so aus dem Konzept bringt? – Was bleibt von Europa, wenn seine Bürger*innen fordern, die Grenzen zu kontrollieren? – Alltag, das heißt in Aleppo genau das, was uns an den Bildern von Freitagnacht so schockiert – Freitagnacht, da saßen wir mit der Familie um einen großen Tisch und ich habe mich über Kleinigkeiten aufgeregt – Unbegreiflich – Und was ist mit all denen, denen in den kommenden Tagen womöglich noch eine größere Welle Hass entgegenschlägt als bisher? – Die aus den Gebieten kommen, wo der Black Friday zwischen zwei anderen Schreckensmeldungen verlesen würde? – Wer wird sich neben sie stellen in der nächsten Zeit? – Wie wird die Zukunft unserer Welt aussehen?

Gedanken, die unbeantwortet bleiben, die im Licht der Kerzen schimmern, die weltweit real und virtuell brennen als Zeichen für Hoffnung und Solidarität. Nicht nur mit Paris, sondern mit der gesamten Welt. Der Welt, deren Erhaltung uns aufgetragen und anvertraut wurde.