Die Frage.

Samstag Abend, 00:43.

Ich stehe in der Küche eines entfernten Bekannten.
Bier Nummer 4 (?!) dümpelt lauwarm und abgestanden in meiner Hand herum.
„Na, zum Glück hast du´s in die Küche geschafft, das ist ja auf der Party der einzige Raum in dem geraucht werden darf“, denk ich mir noch und verfluche leise murmelnd die olle Nikotinsucht.

Das wiederum nimmt der nette junge Mann neben mir – gesehen hab ich den schonmal irgendwo – zum Anlass ein Gespräch zu eröffnen.

„Auch noch´n Bier?“
Ich Trottel hab in meine Plörre aus versehen reingeascht.
„Ja, gerne!“, lächle ich.

Und so entwickelt sich eines dieser Gespräche, die man schon tausend mal geführt hat.
Innerlich zähle ich die Sekunden, bis die am meisten gefürchtete aller Fragen fällt:
„Und was studierst du so?“

Versteht mich nicht falsch: Ich habe kein Problem damit, katholische Theologie zu studieren.
Mal abgesehen von der ein oder anderen Dogmatikvorlesung.
Die Probleme scheinen eher die anderen zu haben.

Und so überlege ich noch kurz einfach „Ähm… Kunstgeschichte?“ zu antworten.
Das lass ich dann aber doch und entschließe mich, die Angelegenheit genauso schnell zu regeln wie das Abziehen eines Pflasters:
„Katholische Theologie.“

Vor meinem inneren Auge läuft ein Film mit den verschiedensten Reaktionen, die ich beim Beantworten dieser Frage schon erleben durfte …
„Ah… Frauenrechte sind dann wohl nicht so deins?“
„Dabei wirkst du ja erstmal ganz nett…“
„Uh, ich war ja nach dem Abi in Nepal und habe da mit buddhistischen Mönchen meditiert und meine innere…“
„Kinderschänder? Dann hat sich das Gespräch hier wohl erledigt.“
oder der Standartfall: „Und dann wirst du Priester? Aber warum?“

Bis man seinem Gegenüber dann erklärt hat, dass man nicht Priester werden muss wenn man Theologie studiert, ist die Party auch fast schon wieder zu Ende.

„Und wie ist Gott so?“

Peng! Meine Mutter würde sagen, mein Gesicht sieht aus „wie ne Kuh, wenns´s blitzt“.
Baff lächle ich mein Gegenüber an und antworte irgendwann:
„Naja, gut – und… fair“ – Was für eine behämmert grenzdebile Antwort.

Aber ich werde erneut überrascht.
Der nette Typ in der Küche lässt sich auf meine Meinung ein.
So entspinnt sich ein Gespräch über Gott und die Welt, über Leben und Tod, Sinn und Unsinn von allem.

Stunden später bin ich lächelnd und ein wenig beschwippst wieder zu Hause und liege in meinem Bett.
„Zum Glück studierst du nicht Kunstgeschichte“, murmele ich noch zu mir selbst und schlafe ein.

Über Entscheidungen und die Zeit danach

Was hat Aufbruch mit Warten zu tun?

Aufbruch heißt doch eigentlich, endlich aktiv zu werden.  Aufzubrechen aus alten Situationen, um zu neuen Wegen zu gehen.

Ja und manchmal ist das auch so.

Aber es gibt auch andere Aufbrüche. Man* bricht auf und muss erst warten, bis man* es Realität werden lassen kann.

Als ich mich entschieden hatte, meinen bisherigen Beruf aufzugeben und zu studieren, musste ich fast zwei Jahre warten, bis ich das in die Tat umsetzen konnte. Und doch war ich aufgebrochen. Ich war schon auf dem neuen Weg, während ich noch den alten gegangen bin.

Äußere Umstände haben mich dazu gezwungen. Die Zeit im Wartesaal des Lebens war unvermeidlich.

Das ist in ganz vielen Situationen so.

Was tut man* mit der Wartezeit? Es fühlt sich an, wie schon aufgebrochen. Die Entscheidung ist gefällt. Was gibt es jetzt noch zu tun, wenn klar ist, dass es noch zwei Jahre dauert?

Klar, ganz frei war die Zeit nicht, bis das Studium begann. Der Alltag war genau wie vor meiner Entscheidung. Und doch war ich freier. Ich war aufgebrochen.

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Jeden Tag ein neues Törchen. Dieser Beitrag ist Teil unseres Adventkalenders 2015 zum Thema Aufbruch & Abbruch. Alle weiteren Einträge findest du in unserem Archiv unter Adventskalender 2015.