Untertitelbetrachtung

Dreifach Glauben. leben mit glauben – glauben mit leben. Klingt konventionell, unglaublich fetzig, sonntäglich katholisch … eh ja, wie denn jetzt eigentlich?

Als gute Studentin lernt man ja, sich zunächst mal mit den Begriffen auseinanderzusetzen – deshalb hier ein Versuch über unseren Untertitel (liebe Theologen, das LThK hab ich zugelassen , sondern mal ganz schlicht gegoogelt, nehmt es mir nicht übel):

leben: Leben ist der Zustand, den Lebewesen gemeinsam haben und der sie von toter Materie unterscheidet … (wikipedia.de)

Das heißt ja eigentlich, Leben ist das Gegenteil von Tod. Aber was gehört dazu? Aufstehen, lernen, essen, lachen, weinen, reden, Zähneputzen, Sport, kochen, staubsaugen … alles , was ich so den lieben langen Tag tue. So weit, so gut.

glauben: für möglich und wahrscheinlich halten, annehmen; meinen … jemandem, einer Sache vertrauen, sich auf jemanden, etwas verlassen/ vom Glauben erfüllt sein … in seinem Glauben von der Existenz einer Person oder Sache überzeugt sein … (duden.de)

Hier bietet sich eine ganze Reihe von Bedeutungen. Kann ich auch allem erstmal so zustimmen. Glauben ist Vertrauen, oft Gefühl, aber auch Überzeugung.

Und nicht zuletzt steht da noch

mit: drückt Gemeinsamkeit … Wechselseitigkeit bei einer Handlung aus (duden.de)

Klar, es verbindet Dinge miteinander, stärker noch als ein schnödes „und“.

So. Und was habe ich jetzt davon? Zusammen genommen ergäbe es ja so etwas wie: „Alles, was ich den lieben langen Tag tue, hat eine Gemeinsamkeit mit dem, auf das ich vertraue, wovon ich überzeugt bin und was ich fühle.“

Hmm. Vielleicht mit einem Grundsatz, der mir aus der Pfadfinderei vertraut ist: „Als Pfadfinderin sage ich, was ich denke, und tue, was ich sage“. Wovon ich überzeugt bin, schlägt sich in meinem alltäglichen Leben nieder und umgekehrt bleiben die Dinge, auf die ich vertraue, nicht unbeeindruckt von dem, was mich umgibt.

Oder mit Christoph Theobald auf den Punkt gebracht: „Leben und glauben, dass es gut ist zu leben, ist ein und dasselbe.“

Zwei Minuten Mitläuferin

Ich hasse es, mit dem Bus zur Uni zu fahren.

Doch wenn ich es mal wieder nicht rechtzeitig aus dem Bett geschafft habe, bleibt mir nichts anderes übrig. Dann muss ich da durch.

Ich werde Zeugin von Gesprächen, die ich nicht hören will. Ich nehme Gerüche auf, die ich um diese Zeit nicht riechen will. Und ich habe zu Leuten Körperkontakt, deren Namen ich wahrscheinlich nie kennen werde. Unangenehm.

Wenn sich dann die Bustüren an der Uni-Haltestelle öffnen, atme ich auf.

Alle quetschen sich aus dem Bus und gehen los.

Ungefähr 100 Leute auf einmal, die zunächst das gleiche Ziel ansteuern: Den Eingang zur Universität. Und ich mittendrin.

Knapp 150 Meter schwimme ich mit dem Strom. Und ich genieße es. Einfach gehen. Mitgehen. Ich muss nicht nachdenken. Ich folge der Masse.

Eigentlich etwas, was ich nicht gerne mache. Folgen, hinterherrennen, mitlaufen. Doch in den zwei Minuten kommt es mir gerade recht.

So ungern ich mit dem Bus zur Uni fahre, so dankbar bin ich für diese kurze Zeit, in der ich einfach nur folge, ohne mir Gedanken zu machen, wem eigentlich.

Irgendwann sind die zwei Minuten vorbei. Und ich muss, kann und darf ausbrechen, abbiegen, meinen eigenen Weg gehen. Und mir vielleicht Gedanken machen, wem ich sonst so folge.

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Jeden Tag ein neues Törchen. Dieser Beitrag ist Teil unseres Adventkalenders 2015 zum Thema Aufbruch & Abbruch. Alle weiteren Einträge findest du in unserem Archiv unter Adventskalender 2015.

Ein Kompliment

Eine Zeugnismappe

Ich gebe es gerne offenherzig zu: Mir schmeicheln Komplimente.

Ein ernstgemeintes Kompliment bestätigt mich in meinen Ideen. Es gibt mir Mut und Kraft auf meinem Weg.

Selten jedoch bringen mich Komplimente zum Nachdenken. Kritik sicherlich. Aber Komplimente eher nicht.

Bis zu dem Moment, als jemand zu mir sagte: „Du bist voll das Zeugnis.“

Ein wahrlich komisches Kompliment.

Ein Zeugnis war für mich bis dato immer nur eine Beurteilung über jemand anderen. Eine schulische Bestandsaufnahme. Schwarz auf weiß gedruckt und bei aller Wichtigkeit doch eher ohne persönliche Relevanz. Die Vorstellung, selber Zeugnis zu sein war mir bis dato fremd.

Und doch fasziniert mich diese Vorstellung:

Ein Zeugnis sein.

Für etwas stehen und damit auch beständig sein.

Nicht im Rauschen des ‚Vielleicht‘ untergehen, sondern auch gegenüber anderen für etwas stehen.

Zeugnis abgeben. Gerade für so etwas Persönliches wie den eigenen Glauben.

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Gedankenkette

Eigentlich hätte an dieser Stelle der letzte Herbstpost für dieses Jahr stehen sollen – ein Artikel zum Thema Lebensfreude, Schöpfungswunder und Sonnenschein

Aber nach den Anschlägen in Paris erschien mir das seltsam, zu tun als wäre nichts passiert. Auch wenn der Alltag einfach so weiter zu gehen scheint. Zu viele Gedanken bilden lange Ketten in meinem Kopf …

Schrecklich – unvorstellbar –Guter Gott, warum? – Was wird aus dieser Welt? – Zu was sind Menschen fähig? – Was habe ich doch ein behütetes Leben hier im heilen Europa, dass mich dieser Freitag so aus dem Konzept bringt? – Was bleibt von Europa, wenn seine Bürger*innen fordern, die Grenzen zu kontrollieren? – Alltag, das heißt in Aleppo genau das, was uns an den Bildern von Freitagnacht so schockiert – Freitagnacht, da saßen wir mit der Familie um einen großen Tisch und ich habe mich über Kleinigkeiten aufgeregt – Unbegreiflich – Und was ist mit all denen, denen in den kommenden Tagen womöglich noch eine größere Welle Hass entgegenschlägt als bisher? – Die aus den Gebieten kommen, wo der Black Friday zwischen zwei anderen Schreckensmeldungen verlesen würde? – Wer wird sich neben sie stellen in der nächsten Zeit? – Wie wird die Zukunft unserer Welt aussehen?

Gedanken, die unbeantwortet bleiben, die im Licht der Kerzen schimmern, die weltweit real und virtuell brennen als Zeichen für Hoffnung und Solidarität. Nicht nur mit Paris, sondern mit der gesamten Welt. Der Welt, deren Erhaltung uns aufgetragen und anvertraut wurde.

Die Wunder dieser Zeit?

Wenn Jesus das kann, dann klappt das auch bei mir.

So simpel war mein Gedankengang, als ich mit ca. fünf Jahren versucht habe, aus Wasser Wein zu machen. Hmpf. Ich war schon etwas enttäuscht, dass sich das Wasser in meinem Zahnputzbecher nicht verwandelt hat.
Wenn ich heute daran denke, muss ich lachen. Wie einfach doch mein Glaube damals war. Wasser in Wein zu wandeln. Wunder. Jesus. Alles war so real. So denkbar.

Und heute? 25 Jahre später? Wie ist das mit den Wundern? Gibt es sie nicht mehr? Glaube ich nicht mehr daran?

So einfach fällt mir die Antwort nicht. Das Nein zu Wundern will mir nicht über die Lippen.
Müsste ich dann nicht auch alles andere in Frage stellen? Jesus und so.

Der Fremde ist fremd.

Ja, wer ist das denn?

Der Fremde.
„Ein Schmarotzer! Der nimmt uns die Arbeit weg! Schützt unsere Kinder!“
Aha. Wie treffend.

Der Fremde, wer ist das?
„Asylantenpack! Weg damit! In Auschwitz ist noch Platz!“
Aha. Wie widerlich.

Der Fremde, wer ist das?
Ein Flüchtling – der flüchtet also. Vor was?
Vor Krieg. Vor Tod. Vor Hunger.
Der will weg.
Weg von Menschen, die Kinder töten.
Weg von Schutthaufen, die mal Städte waren.
Weg von zu Hause – weil er weiterleben will.

Und jetzt ist er hier, hat sich durchgekämpft.
Er hat (irgendwie) überlebt, steht hier, ist angekommen –

… und ist fremd.

Na super.
Da ist er gerannt, geschwommen, gehetzt.
Er hat gehungert, hat tagelang nichts getrunken.
Hat Schlepper*innen überlebt und Schiffe, die diesen Namen nicht verdient haben.

Und steht hier und ist fremd.
Und wir rümpfen die Nase.

Ich gehöre zu der Generation, die Dreiviertel ihres moralischen Kompasses aus Disneyfilmen generiert hat.
Deswegen darf ich hier auch ohne Probleme Pocahontas zitieren:
Für dich sind echte Menschen nur die Menschen,
die so denken und so aussehn wie du.
Doch folge nur den Spuren eines Fremden,
dann verstehst du, und du lernst noch was dazu. (…)
Fremde Erde ist nur fremd, wenn der Fremde sie nicht kennt!

derfremde

Der Fremde, wer ist das?

Schmarotzer.

Flüchtling.

Sozialfall.

Armer.

Pack.

Mensch.

Jesus lebt in Trier!?

Ende der Veranstaltung. Nach dem Gottesdienst gehen alle wieder nach Hause. An der Kirchenwand fällt mir ein Schriftzug auf. „Jesus lebt in Trier“. Zugegeben. Man* muss schon genau hinsehen. Die weiße Kreide ist schlechter zu lesen als die schwarze Farbe. Vielleicht ein Werk zweier Künstler*innen, die sich gegenseitig ergänzt haben. Vielleicht hat sich die Geschichte auch einfach selbst fortgeschrieben. Ein Schreibgespräch? Sicherlich ist es von den Hausherr*innen nicht gewollt und wird wohl eher als Sachbeschädigung angesehen.

Hatte der*die Verfasser*in vielleicht sonst keinen Raum, ihr*sein Bekenntnis der Öffentlichkeit mitzuteilen oder wollte er*sie damit einfach nur provozieren? Eine spannende Frage und vor allem eine spannende Aussage. „Jesus lebt in Trier“. Das feiern Christ*innen doch seit fast zweitausend Jahren in dieser Stadt. Zumindest beim Gottesdienst ist klar: alle, die in die Kirche gehen, gehen in die Kirche, um das zu feiern. Aber woran merken Menschen, die nicht in die Kirche gehen, dass Jesus auch in Trier lebt? An der sterilen Außenhülle?

Die Grenze ist der Ort der Erkenntnis. Papst Franziskus sagt ja auch, man* muss an die Ränder der Gesellschaft gehen. Suchen wir Jesus eigentlich mehr in unseren Kirchengebäuden als auf den Marktplätzen und Verkehrswegen unserer Städte? Wenn wir drinnen feiern „Jesus lebt in Trier!“, müssen wir uns auch draußen fragen lassen „Jesus lebt in Trier?“ – Was bedeutet das eigentlich und woran kann man* es merken?

Gut Pfad!

Pfadfindergruß.

Ein Zwölfjähriger hat mir mein Leben erklärt.

Er streckt mir seine linke Hand entgegen. Der Pfadfindergruß.

Mit der linken Hand. Seltsam.

Und die rechte Hand finde ich noch seltsamer und frage nach.

Die drei mittleren Finger ausgestreckt. Daumen und kleiner Finger werden übereinander gelegt.

Alles hat seine Bedeutung und es ist so banal. Und so wichtig zugleich.

Der Daumen liegt über dem kleinen Finger. – Der Große beschützt den Kleinen.

Der erste der mittleren Finger erinnert mich an Gott. – Der zweite an meine Mitmenschen. –  Und der dritte an mich selbst.

So einfach und doch stehe ich wie vom Donner gerührt da.

Wie oft habe ich den dritten Finger vergessen?

Ich weiß nicht, was Gott ist.

Ich weiß nicht, was Gott ist.

Was für viele wie Resignation klingt, ist für mich eine wichtige Erkenntnis.

Denn gerade ich sollte es doch wissen: Theologiestudent. 10. Semester. Fast fertig.

Aber ich weiß es nicht und das ist sehr angenehm. Denn so kann ich mich immer wieder überraschen lassen.

Gott muss sich nicht in mein Bild einordnen, sondern ich kann sein Bild in meine Collage einsortieren.

Wenn ich an Gott denke, denke ich an einen Tanz.

Ich stelle mir vor, dass wir alle wie in einem Amphitheater um die Bühne herum sitzen und den Tanz betrachten.

Und jede*r sieht was anderes.

Mal ein Bein. Mal ein Arm. Mal das Gesicht.

Immer für einen kleinen Augenblick und dann ist es schon wieder weg.

Es bewegt sich. Immer wieder entstehen neue Bilder.

Und obwohl ich dem Tanz mein Leben lang schon zusehe: Weiß ich nicht, was Gott ist.

Denn ich sehe nur das, was sich mir gerade zeigt.

Und auch nur, wenn ich gerade hinschaue; nicht abgelenkt bin.

Ich frage mich, was mein Sitznachbar sieht.

Oder die Person auf der anderen Seite.

Eins habe ich mir vorgenommen: Wenn ich das nächste Mal dasitze und dem Tanz nicht mehr folgen kann, weil ich mir überlege, was die anderen sehen.

Dann steh ich auf.

Gehe rüber und frag nach.