Vom Luxus zu fasten

Es muss mal wieder sein. Die Zeit hat ihre Spuren in Form von Volumen an meinem Körper hinterlassen.
Beginnend mit dem Neujahrsvorsatz, fortgesetzt im Vorosterfasten habe ich meinem Körperfett den Kampf angesagt.

Ab jetzt wird der Teller nur dann gefüllt, wenn ich Hunger habe.
Und nur mit dem gefüllt, was nahrhaft und wertvoll ist.
Frische Luft wird joggend genossen.
Und ab und an gibt es auch mal Liegestütze und Sit-ups.

Soweit der Vorsatz. Doch von Zeit zu Zeit vermisse ich das schlechte Essen.
Das Salzige und Fettige.
Und immer wieder, wenn ich danach hungere,
fällt mir auf, in welchem Luxus ich doch lebe.
Dass ich freiwillig entscheiden kann weniger zu essen.
Meinen Teller leer zu lassen.

Mein Leben so umzustellen, dass ich eine negative Kalorienbilanz am Ende des Tages habe.
Da ich mir ganz sicher sein kann, dass ich auch die nächsten Jahre nie Hunger leiden muss.

Dieses Gefühl, zu wissen, dass man verzichten kann,
dass weniger mich nicht umbringt, hat mich nachdenklich gemacht.

Ich weiß, dass ich mein Essen nicht in alle Welt von meinem Teller aus teilen kann.
Aber alle Dinge, die ich konsumiere, ohne dass ich sie brauche, fehlen woanders.

Mein Teller bleibt jetzt öfter mal leer.
Denn mein Luxus verpflichtet mich.

In Kooperation mit katholisch.de befassen wir uns die Fastenzeit mit den 7 Werken der Barmherzigkeit. Montag, Dienstag, Mittwoch, Freitag und Samstag veröffentlichen wir einen Gebetsimpuls auf der katholisch.de Facebookseite. Und jeden Sonntag einen Gedanken auf unserem Blog. Alle Gedanken sind unter Fastenaktion 2016 abrufbar. #barmherzlich

Versteckt. Irgendwo. Mittendrin.

Samstagmorgen letzte Woche. Irgendwo in der Eifel. Es geht um das Thema Barmherzigkeit. In der uralten Kirche liegen Plakate aus, auf die man* seine Meinung schreiben kann.

Die Frage: Kann man* trotz all dem, was sich Menschen alles gegenseitig an schlimmen Dingen antun, noch an Gottes Barmherzigkeit glauben?

Barmherzigkeit. Was für ein Wort? Im Alltag gebrauchen wir es kaum. Ich überlege. Wo habe ich schon einmal so was wie Barmherzigkeit erfahren? Mir fällt es ein. Damals im Bus von Los Angeles nach San Francisco.

Auf einem Plakat hat jemand aufgeschrieben: „versteckt. Irgendwo mittendrin und doch ganz konkret ist sie gelebt da.“

Vielleicht muss ich gar nicht erst soweit weg gehen um so etwas wie Barmherzigkeit zu erfahren. Auch gar nicht in Gedanken und in Erinnerungen an die Busfahrt in Kalifornien.

Schön, wenn man* die Erfahrung machen kann, dass andere zu einem*r barmherzig sind. Nicht um andere klein zu machen, sondern um sie ganz groß werden zu lassen.

Barmherzigkeit geschieht an mir und durch mich an anderen. Oft von mir selbst „unbemerkt. versteckt. Irgendwo mittendrin und doch ganz konkret ist sie gelebt da.“

Der sperrige Begriff beginnt sich mit Bedeutung zu füllen.

Ein erster Aufbruch.

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Jeden Tag ein neues Törchen. Dieser Beitrag ist Teil unseres Adventkalenders 2015 zum Thema Aufbruch & Abbruch. Alle weiteren Einträge findest du in unserem Archiv unter Adventskalender 2015.

Novemberlaune und Sonnenmenschen

Augen auf – Der Wecker klingelt, 7 Uhr.
Fenster auf: Novemberwetter.
Ich gehe aus dem Haus. Ich bin gewappnet.
Mit meinem neuen besten Freund:
Dem Regenschirm.
Mit ihm versuche ich mich zu schützen.
Vor der Nässe. Vor der Welt. Vorm November.
Im November läuft alles auf Sparflamme.
Die Heizungen. Aus Kostengründen.
Auf Sparflamme auch meine Motivation.
Im Studium. Im Freundeskreis. Im Leben.
Nur die Regenwolken scheinen von Sparflamme noch nichts gehört zu haben.
Schade drum.
Ich hasse den November. Jetzt ist es raus.
Ich hasse diesen toten Monat.
Da ist der Weinstand am Hauptmarkt nicht mehr und der Weihnachtsmarkt noch nicht offen.
Ich hasse den November und das merkt man auch.
Im November bin ich kein guter Mensch.
Im November brauch ich euch noch viel mehr.
Ihr Sonnenmenschen.
Ihr Wolkenbrecher*innen.
Ich brauche euch zum Aufrechtgehen. Zum Kopf Ausschalten.
Ihr dreht meine Sparflamme auf und haltet den Regenschirm für mich.
Dann kann ich ich sein – und vielleicht doch ein bisschen mehr so wie du.

Gedankenkette

Eigentlich hätte an dieser Stelle der letzte Herbstpost für dieses Jahr stehen sollen – ein Artikel zum Thema Lebensfreude, Schöpfungswunder und Sonnenschein

Aber nach den Anschlägen in Paris erschien mir das seltsam, zu tun als wäre nichts passiert. Auch wenn der Alltag einfach so weiter zu gehen scheint. Zu viele Gedanken bilden lange Ketten in meinem Kopf …

Schrecklich – unvorstellbar –Guter Gott, warum? – Was wird aus dieser Welt? – Zu was sind Menschen fähig? – Was habe ich doch ein behütetes Leben hier im heilen Europa, dass mich dieser Freitag so aus dem Konzept bringt? – Was bleibt von Europa, wenn seine Bürger*innen fordern, die Grenzen zu kontrollieren? – Alltag, das heißt in Aleppo genau das, was uns an den Bildern von Freitagnacht so schockiert – Freitagnacht, da saßen wir mit der Familie um einen großen Tisch und ich habe mich über Kleinigkeiten aufgeregt – Unbegreiflich – Und was ist mit all denen, denen in den kommenden Tagen womöglich noch eine größere Welle Hass entgegenschlägt als bisher? – Die aus den Gebieten kommen, wo der Black Friday zwischen zwei anderen Schreckensmeldungen verlesen würde? – Wer wird sich neben sie stellen in der nächsten Zeit? – Wie wird die Zukunft unserer Welt aussehen?

Gedanken, die unbeantwortet bleiben, die im Licht der Kerzen schimmern, die weltweit real und virtuell brennen als Zeichen für Hoffnung und Solidarität. Nicht nur mit Paris, sondern mit der gesamten Welt. Der Welt, deren Erhaltung uns aufgetragen und anvertraut wurde.

Jetzt reicht’s!

Da ist er – dieser Moment. Der Moment, in dem ich mir denke „Jetzt reicht’s!“

Eigentlich geht’s mir gut. Ich fühle mich fit, das Studium läuft Richtung Ende, mein Kontoauszug jagt mir keinen Schrecken ein und das Wetter ist nach meinem Geschmack. Wie gesagt: Gut.

Eigentlich.

Denn da gibt es noch die anderen. Die Menschen in meinem Umfeld, denen es alles andere als gut geht.

In unregelmäßigem, aber bedrohlich dichtem Takt prasseln Neuigkeiten auf mich ein, die mich fertig machen. Es sind nicht meine eigenen Schicksalsschläge. Und doch treffen sie auch mich. Vielleicht nicht ganz so stark, aber sie treffen mich. Und sie haben das Potential mich umzuhauen. An ihnen ändern auch Studiumsendspurt, Kontoauszug und Sonnenschein nichts. Und das Schlimmste: Ich kann nichts an ihnen ändern.

Meine Ohnmacht macht mich wahnsinnig und wütend. Und ich richte mich an den, von dem ich glaube, dass er keine Ohnmacht kennt, und sage „Jetzt reicht’s!“.

Ob mir das zusteht?

Ich weiß es nicht.

Ich glaube es nicht.

Aber in dem Moment fällt mir nichts anderes ein, was ich sagen könnte.

Die Wunder dieser Zeit?

Wenn Jesus das kann, dann klappt das auch bei mir.

So simpel war mein Gedankengang, als ich mit ca. fünf Jahren versucht habe, aus Wasser Wein zu machen. Hmpf. Ich war schon etwas enttäuscht, dass sich das Wasser in meinem Zahnputzbecher nicht verwandelt hat.
Wenn ich heute daran denke, muss ich lachen. Wie einfach doch mein Glaube damals war. Wasser in Wein zu wandeln. Wunder. Jesus. Alles war so real. So denkbar.

Und heute? 25 Jahre später? Wie ist das mit den Wundern? Gibt es sie nicht mehr? Glaube ich nicht mehr daran?

So einfach fällt mir die Antwort nicht. Das Nein zu Wundern will mir nicht über die Lippen.
Müsste ich dann nicht auch alles andere in Frage stellen? Jesus und so.

Julianmäßig

Julian ist vier.

Er steht auf einer Mauer, die doppelt so hoch ist wie er. Stolz und erhaben.

Ich kenne ihn erst seit ein paar Stunden. Ich kann ihn nicht einschätzen. Ich habe Angst, dass er von der Mauer fällt. Sicherheitshalber breite ich die Arme aus.

Ich will sagen: „Spring! Keine Angst! Ich fang Dich auf!“ Ich will ihm erklären, dass er ruhig springen kann. Dass er mir vertrauen kann, auch wenn er mich erst seit ein paar Stunden kennt.

Ich will es ihm erklären. Ich beginne mit meiner Rede und sage: „Spring!… – “ Doch weiter komme ich nicht. Denn da habe ich Julian schon in den Armen. Einfach so. Meine Erklärungen über Vertrauen usw. konnte ich mir sparen.

Für Julian war das keine große Sache. Doch ich war erst fassungslos und dann begeistert. Er hat mir vertraut. Einfach so. Ohne mich zu kennen und ohne dass ich um sein Vertrauen werben musste.

Vertrauen – das hängt für mich eng mit Glauben zusammen.

Julian fällt das leicht – vertrauen: davon ausgehen, dass es im Endeffekt gut wird.

Und genau damit tu ich mir manchmal schwer. Lieber weiß ich vorher ganz genau, worauf ich mich einlasse. Gerne höre ich mir erst mal Erklärungen an. Und erst dann will ich vertrauen.

Doch bei Gott läuft das anders.

Julianmäßig – so möchte ich gerne glauben können:

Nicht auf Erklärungen warten.

Ungewissheit aushalten.

Vertrauen – auch dem, den ich vielleicht noch nicht zu Gesicht bekommen habe.

Türen dieser Welt

Es bringt mich aus der Fassung. Wie viele Leute sich dagegen wehren, Flüchtlingen die „Türe aufzumachen“. Wie viele Sätze in dieser Richtung mit „Ich stelle weder die Menschenrechte in Frage, noch bin ich ausländerfeindlich“ beginnen und einem gesprochenen oder hörbar gedachten „…, aber…“ beendet werden.

Gleichzeitig stehen viele Andere für Flüchtlinge ein und auf, versuchen zu argumentieren und zu begründen, warum es gut, gerecht, sinnvoll, gewinnbringend,… ist, fremde Menschen im „eigenen Land“ aufzunehmen.

Was mich dabei immer häufiger zum Nachdenken bringt: Warum braucht es diese vielen verschiedenen Argumentationen? Egal ob religiös motivierte („Jesus war ja auch ein Flüchtling“), oder solche, die besagen, „dass das alles gar nicht so schlimm ist – immerhin kenne man doch bestimmt den und den – und der war ja auch mal Flüchtling und sei doch jetzt ein guter Bürger…“, sie alle rechtfertigen und suchen wortreich nach Begründung.

Warum reicht es denn nicht schlichtweg, dass es einem Menschen schlecht geht, jemand kein Zuhause hat, um sein oder ihr Leben bangen muss?
Warum ist diese himmelschreiende Ungerechtigkeit nicht schon Grund genug?
Ist sie nicht Grund und die Menschen, die nach Schutz suchen, nicht Anlass genug, mir mal wieder zu überlegen, wem diese Welt denn nun gehört?

Es mag naiv klingen, aber reicht das nicht? Reicht das nicht aus, um Menschen zumindest die „Tür“ „meines Landes“ aufzumachen?

Wer hat diese Tür überhaupt gebaut? Gehört die Welt nicht allen, die auf ihr herumlaufen?!

Ich weiß nicht, was Gott ist.

Ich weiß nicht, was Gott ist.

Was für viele wie Resignation klingt, ist für mich eine wichtige Erkenntnis.

Denn gerade ich sollte es doch wissen: Theologiestudent. 10. Semester. Fast fertig.

Aber ich weiß es nicht und das ist sehr angenehm. Denn so kann ich mich immer wieder überraschen lassen.

Gott muss sich nicht in mein Bild einordnen, sondern ich kann sein Bild in meine Collage einsortieren.

Wenn ich an Gott denke, denke ich an einen Tanz.

Ich stelle mir vor, dass wir alle wie in einem Amphitheater um die Bühne herum sitzen und den Tanz betrachten.

Und jede*r sieht was anderes.

Mal ein Bein. Mal ein Arm. Mal das Gesicht.

Immer für einen kleinen Augenblick und dann ist es schon wieder weg.

Es bewegt sich. Immer wieder entstehen neue Bilder.

Und obwohl ich dem Tanz mein Leben lang schon zusehe: Weiß ich nicht, was Gott ist.

Denn ich sehe nur das, was sich mir gerade zeigt.

Und auch nur, wenn ich gerade hinschaue; nicht abgelenkt bin.

Ich frage mich, was mein Sitznachbar sieht.

Oder die Person auf der anderen Seite.

Eins habe ich mir vorgenommen: Wenn ich das nächste Mal dasitze und dem Tanz nicht mehr folgen kann, weil ich mir überlege, was die anderen sehen.

Dann steh ich auf.

Gehe rüber und frag nach.