Lieber Bischof,

Lieber Nikolaus,

ich weiß nicht, ob ich es dir mal so bewusst gesagt habe, aber eigentlich bist du schon einer meiner liebsten Heiligen. Klar ist das jetzt ein bisschen Mainstream, wer mag dich denn nicht? Da geht es dir ja wie St. Martin, dich findet doch jeder cool.

Zugegeben, es ist auch keine revolutionäre Idee dir einen Brief zu schreiben, sicherlich wirst du gerade von Kindern mit Briefen, Bildern oder anderen Basteleien überschüttet.

Heute, an deinem Gedenktag, will ich es trotzdem einmal tun. Ich bitte dich sehr diesen Brief zu lesen, denn ich möchte dir etwas Wichtiges sagen.

Ich möchte nämlich keine Geschenke oder dir etwas Besonderes von mir erzählen. Trotzdem ist dieser Brief eine Art Wunschzettel.

Als Kind habe ich dich natürlich schon immer toll gefunden, mittlerweile habe ich sogar verstanden, warum ich dich immer noch tolle finde. Ich würde gerne mehr und mehr werden wie du.

Ok, der Bart und die Haare müssten nicht sein. Auch ist es nicht nötig, dass alle Menschen anfangen zu singen, wenn sie mich sehen.

Ich muss auch kein Kornwunder vollbringen können, auch wenn es natürlich schön wäre.

Viel mehr würde ich gerne ein anderes Wunder von dir lernen.
Ich würde gerne allen Menschen immer mit Respekt und Freude begegnen.
Ich würde gerne überall, wo ich auftauche, Freude in die Augen von Menschen zaubern.
Ich würde gerne lernen ein Mensch zu sein, der, wo er auch hinkommt, Not sehen und lindern kann.

Ja, vor allem würde ich gerne ein Mensch sein, der Herzen aus Stein verwandeln kann.
Vielleicht übertreibe ich gerade ein bisschen, und du konntest auch mal ein Griesgram sein.

Aber bestimmt hast du da einen guten Trick auf Lager.
Ich denke, wir sollten bezüglich der guten Vorsätze für das neue Jahr weiter korrespondieren.

Liebe Grüße,
dein Michael

Vom Wert und vom Nutzen

Ich bin ja von Natur aus ein sehr perfektionistischer und ehrgeiziger Mensch und das in allen Lebenslagen. Das ist toll, denn in der Uni regnet es quasi gute Noten und auch im Ehrenamt, so versichert man es mir ab und an mal, könne man immer auf mich zählen. Alle Dinge, die anstehen, sind bei mir so geplant und strukturiert, dass ich allen Anforderungen gerecht werden kann. Und wenn dann mal wieder ein anstrengender Tag hinter mir liegt, an dem viele Termine eingehalten, viele gute Worte gesprochen und viel auf die Beine gestellt wurde, ja, dann kann ich mich am Abend beruhigt auf der Couch zurücklehnen und mir sagen: Was du heute wieder alles geschafft hast! Du bist wirklich ein wertvoller Mensch!

Heute läuft nur leider alles ganz anders. Ein langer freier Nachmittag liegt vor mir und auch die Aufgaben türmen sich auf meinem Schreibtisch. Nur mein Gehirn, das will heute nicht so recht, meine Motivationsakkus scheinen komplett leer zu sein.

Ich vergeude also den Nachmittag mit Kochen, Aufräumen, auf dem Sofa und trinke einen Kaffee und einen Tee nach dem anderen. Ich schaue in die Luft, denke nach, mache ein kurzes Nickerchen, aber bei all dem, was ich tue, nagt das schlechte Gewissen in mir.

Wie nutzlos du heute bist, sagt es mir.

Was für eine Zeitverschwendung deiner wertvollen Lebens- und auch Arbeitszeit.

Wie gut hättest du heute das ein oder andere lesen oder zusammenfassen können.

Und was machst du daraus? Nichts!

Ein schrillendes Geräusch reißt mich plötzlich aus meiner Gedankenspirale. Noch etwas verträumt ergreife ich den Telefonhörer. Am anderen Ende der Leitung höre ich die Stimme meiner Mutter. Als ich mich nach dem Grund ihres Anrufs erkundige sagt sie: „Och, ich wollte einfach nur mal kurz deine Stimme hören.“

Sofort wird es mir warm ums Herz, denn was meine Mutter mir in diesem Moment eigentlich sagt ist: Du bist wertvoll und das einfach, weil du du bist.

Als wir aufgelegt haben, setze ich mich erneut auf die Couch, lasse mich in die Kissen sinken und denke mir voll Stolz: Heute musstest du einfach mal nur du sein.

Würd‘ ich anders machen?

Das Jahr neigt sich mit der Adventszeit langsam dem Ende zu. 2017 war für mich ein turbulentes und aufregendes Jahr. Vieles hat sich verändert. Vieles hat sich gefestigt und vieles steht noch offen.

Heute vor einem Jahr stand ich noch auf wackligen Beinen und hatte Angst zum Ende zu kommen. Die Mosel hat mir beigebracht, dass Schleifen zu schlagen auch mal gut tut. Ich habe Held*innen verloren und das Chaos regieren lassen.

Einiges ist einfach passiert. Vieles habe ich selbst so entschieden. Nie die riesen Entscheidungen, aber auch nie wirklich einfache. Schritt für Schritt bin ich da angekommen, wo ich jetzt bin.

Würd‘ ich es anders machen?

Sicher einiges, aber wer weiß, wer ich dann jetzt wäre.

Ein Satz im Winter

Urlaub. Endlich. Wandern, Couchen, leckeres Essen, liebe Menschen. So der Plan. Dazu kommt noch Schnee und eine traumhafte Winterlandschaft. Herrlich. Am letzten Tag steht ein älterer Mann am Straßenrand und hält den Daumen raus. Mitten im Schneematsch. Wir nehmen ihn ein Stückchen mit.

Er steigt ein. Zusammen mit einem Strauß aus Tannengrün und Mistelzweigen. Auf den paar Metern, die wir zusammen fahren, erzählt er uns, dass seine Frau einen Blumenladen hatte und er von ihr gelernt hat, Weihnachtsgestecke zu machen. Das macht er jetzt und denkt dabei an sie. Von sich erzählt er fast nichts, nennt nur seinen ehemaligen Beruf und dann sind wir auch schon da.

Er steigt aus, wir geben uns die Hand und dann sagt er einen Satz, der mir in den nächsten Tagen wohl nicht aus dem Kopf gehen wird. Ohne mich zu kennen, sagt er was, das mich so tief drinnen trifft, dass ich erstmal Luft holen muss. Und das im Schnee. Derart kitschig, dass es fast nicht zu glauben ist. Und gleichzeitig so wahr, dass es auf keine Postkarte passt.

Dafür liegen jetzt zwei Zweige Misteln in meinem Auto.

Die Würde unterhalb der Würde

Neuerdings zähle ich mich ja zu diesen erwachsenen Menschen. Ich habe einen Beruf, ein geregeltes Einkommen, bin verheiratet und überhaupt komme ich mir schon ganz schön weit fortgeschritten auf der „Erwachsenenskala“ vor.

Dazu gehört, dass ich von manchen Dingen Abschied nehme.

Die Risse in der Jeans werden weniger.

Die Zahl der pro Monat verspeisten Tiefkühlpizzen geht zurück.

Die effektiven Arbeitszeiten verschieben sich von der Nacht auf den Tag.

Ich fange an darüber nachzudenken, ob ich im Fußballstadion den Stehplatz nicht gegen den Sitzplatz tauschen sollte.

Bei all dem Erwachsenensein werde ich, wenn ich nicht aufpasse, genau so, wie ich niemals werden wollte.

Nun ist das mit den neuen Jeans, der abwechslungsreicheren Ernährung und den Arbeitszeiten am Tag schon ok.

Nicht ok war für mich ein Erlebnis, das ich vor ein paar Tagen hatte. Ich sollte mit ein paar Kindern Weihnachtsbaumanhänger basteln. Ich bin eigentlich sehr ungeschickt was das Basteln betrifft, weshalb ich es auch nicht gerne mache. Viel mehr schockiert hat mich aber ein Gefühl, das plötzlich in mir aufstieg und das mir sagte: „Das ist jetzt aber unter meiner Würde“. Es passt nicht zu meinem aktuellen Entwicklungsstand auf der „Erwachsenenskala“ mit Kindern gegen meinen Willen Weihnachtsbaumanhänger zu basteln.

Gott sei Dank haben mich die Kinder aber doch dazu gedrängt, auch einen Anhänger zu basteln.

Heute liegt dieser Anhänger in meiner Wohnung und wartet auf den Weihnachtsbaum, an den er gehängt werden kann.

Und jedes Mal, wenn ich ihn ansehe, freue ich mich. Nicht nur darüber, einen selbstgebastelten Weihnachtsbaumanhänger zu haben, sondern Kinder kennengelernt zu haben, die mir geholfen haben zu basteln und etwas Wichtiges gezeigt haben. Da, wo ich auf meiner „Erwachsenenskala“ ein paar Schritte zurückgegangen bin und die von mehr selbst so schrecklich falsch gedachte Würde hinter mir gelassen habe, habe ich etwas entdeckt: Freude, Hilfsbereitschaft, Zusammenhalt, Ehrlichkeit und Offenheit statt Verschlossenheit und Egoismus. Ich habe die Würde unterhalb der „Würde“ entdeckt. Danke!