Ich öffne meine Augen.
„Zu früh., gestern zu lang.“, sind die ersten Gedanken dieses viel zu lauen Wintermorgens.
Zwei Kaffee später stehe ich unter der Dusche und realisiere Zeit, Raum und wie unnütz es eigentlich ist an diesem Morgen zu duschen.
„Bitte wird man da nicht super dreckig“, flehe ich grammatikalisch inkorrekt in den Raum.
Egal, die Zeit ist mal wieder meine eigentliche Baustelle. So hetze ich mich zum Zug, entwickle eine seltsame Vorfreude und den Gedanken:
„Heute Abend weißt Du, wie es ist ein Tier zu töten.“
Diese Frage stellt sich mir jetzt schon länger. Ich konsumiere Fleisch relativ moderat.
Aber zur Wahrheit meines studentischen Geldbeutels gehört es auch, keinen Bullshit zu reden:
Völlig entkoppelt kaufe ich trotzdem oft widerlches Fabrikhühnchen. Schmerz in Plastik.
Anderthalb Stunden später stehe ich – etwas wacher- auf einer matschigen Wiese und umarme Herzensmenschen.
Zigarette in der Hand haltend begutachte ich das Szenario.
Hinten rechts im Zaun gackern noch 19 von 24 (Surprise: ich bin spät dran) der glücklichsten Puten.
Sie sind das ganze Jahr fröhlich über einen grünen Hugel gehüpft.
Heute hüpfen sie ins Grab.
Sechs haben schon das zeitliche gesegnet.
„Bolzenschuss durchs Hirn“, wird mir erklärt, „danach sind die futsch, alles andere ist Nachzucken.“
Und schon liegt der Kopf einer Pute vor mir auf einem Heuballen.
Schlaufe um die Füße, Bolzenschussgerät senkrecht auf den Kopf.
„Nee, bisschen mehr in die Mitte“, korrigiert mich einer meiner Mittäter*innen.
Und: „Nach dem Abrdrücken am besten schnell zurück, die hauen ganz schön um sich.“
– Peng –
Die geplatzte Patrone riecht nach Feuerwerk und schreit Neuanfang.
Ich ducke mich weg und beobachte einige Schritte enfernt, wie das Leben vergeht.
Nach ein bis zwei Minuten ist alles anders.
Und das ist überraschend ok.
Da ist jetzt nur noch Fleisch.
Den restlichen Tag wird geschlachtet, gebrüht, gerupft, geputzt.
Ich kann also ein Tier töten.
Das wollte ich als Fleischfresser wenigstens wissen.
Wenn ich das kann, dann kann ich ja wohl auch konsequenter genießen.