Bild mit Ton

Die Fernsehübertragung wirkt wie der Gruß aus einer anderen Welt. Dieser Nachrichtensender scheint auf der Autobahnraststätte immer eingeschaltet zu sein. Kein Wunder, dass sich niemand der Gäste um das Programm schert – schon gar nicht, wenn der Papst zu sehen ist. Ich habe auch nur flüchtig zum Bildschirm oben in der Ecke geschaut und sowieso höre ich keinen Ton; ist wohl abgeschaltet. Soweit ich aus den Fernsehbildern erkenne, geht es in dem Bericht um die Öffnung der Heiligen Pforte in Rom anlässlich des Jahres der Barmherzigkeit.

Mir kommt die Frage, wer mit diesen Begriffen überhaupt etwas anfangen könnte, wenn der Ton eingeschaltet wäre. Aber die Frage kommt mir schon wieder zu abgedroschen vor. Denn alleine schon aus meinem Freundeskreis weiß ich, dass Kenntnisse über Kirche nicht weit verbreitet sind.

Auch, wenn ich nicht weiß, was z. B. die Frau mit dem Salat und der Chanel-Handtasche am Nebentisch beruflich macht, nehme ich an, dass es bei der Mehrzahl der Reisenden ähnlich ist, wie in meinem Freundeskreis.

Als Theologe bin ich dort bei Anlässen wie dem Jahr der Barmherzigkeit nicht nur als Fernseher gefragt, der den Ton im Gegensatz zum hiesigen eingeschaltet hat. Von mir wird auch erwartet, dass ich die Geschichte so erkläre, dass alle sie verstehen, neulich etwa die literarische Entstehung der biblischen Schöpfungsberichte in ihrem historischen Kontext. Und obwohl weithin bekannt ist, dass ein näherer Bezug zu Kirche selten gegeben oder gewünscht ist, finde ich die Veranschaulichung dieses Umstands deshalb wichtig, weil ich gleichzeitig erlebe, dass dennoch ein Wunsch nach Spiritualität und Gottesbeziehung vorhanden ist.

Ein Kollege aus meiner Fußballmannschaft etwa spricht mich regelmäßig auf religiöse Themen an, von denen er in der Zeitung liest. Zum Jahr der Barmherzigkeit kam er auf mich zu: „Die Kirche will doch mit den Touristen und Gläubigen, die deshalb nach Rom kommen, nur Geld machen. Das hat doch mit uns hier nichts zu tun.“

Zunächst konnte ich ihm sagen, dass der Papst ein Bild von Kirche prägen möchte, die ihre Türen weit öffnet und Heilige Pforten wurden neben Rom inzwischen auch in unseren Bistümern geöffnet.

Nicht sagen konnte ich ihm allerdings, ob es tatsächlich etwas mit ihm persönlich zu tun hat in dem Sinn, als ob ich wüsste, was gut für ihn ist oder für die Frau mit der schicken Handtasche.

Nein, um erreicht zu werden, brauchen wir das Gefühl, persönlich gemeint zu sein. Aufbruch entsteht dann, wenn ich merke, dass ich gemeint bin und im Kontext von Kirche als der Mensch gemeint bin, der der Kirche wiederum aufgegeben ist. Und ich kann das einfache Zeugnis abgeben, dass ich mich auf den Aufbruch, den das Heilige Jahr mir bedeutet, freue.

Dann bekommt das Bild einen Ton und ist nicht mehr so weit weg.

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Jeden Tag ein neues Törchen. Dieser Beitrag ist Teil unseres Adventkalenders 2015 zum Thema Aufbruch & Abbruch. Alle weiteren Einträge findest du in unserem Archiv unter Adventskalender 2015.