Feuermomente

Dabei  sein.
Nur nicht trödeln.
Von einer wichtigen Verabredung  zur nächsten.
Immer auf dem Sprung.
„Ich muss aber noch schnell…“

Und dann trotzdem immer irgendwie zu spät kommen.
Nirgens richtig da sein.
Und im Hinterkopf das alte Sprichwort meiner Mutter:
„Du kannst nicht auf jeder Hochzeit tanzen!“
Na und? Ich will es aber versuchen!

So sieht mein Leben in letzter Zeit viel zu oft aus.
Ich hetze von Tür zu Tür und mache all die Sachen die ja soo wichtig sind.
Dann passt mein Leben quasi auf die DinA5 Seite meines Taschenkalenders auf das Display meines Handys.
Und immer öfter liege ich im Bett und stelle mir die Frage:
Heute schon gelebt?

Ich ändere das jetzt.
Leichter gesagt als getan. Aber ich meine es ernst.
Ich lege den Schalter um und versuche mal irgendwo ganz da zu sein.

Angekommen…

Da sein – bei der Tasse Kaffee am Mittag.
Ankommen – beim Abend mit Freund*innen.
Die Zeit vergessen, weil es so viel zu erzählen gibt.
Karten spielen.
Musik hören.
Sich selbst nicht ganz so ernst nehmen.
Der Sonne beim Aufgehen zuschauen.

Die Liste ist lang und könnte noch länger sein.
Es ist meine Liste.
Meine Liste mit Feuermomenten.
Diese Momente will ich brennen lassen, dass es knistert und raucht.

Sie sollen mich wärmen, dass ich auftaue.
Auch wenn mir manchmal der Rauch in die Augen weht.
Auch wenn jede Sekunde der Alltag wieder um die Ecke schaut.

„Du kannst nicht auf jeder Hochzeit tanzen“
Das stimmt.
Deswegen suche ich jetzt den Moment.

Und lasse ihn brennen.

Zeig mir, wie du Nonne wirst!

Während hier in Deutschland das „Dschungelcamp“ gerade wieder Millionen-Quoten einfährt, kündigt ein TV-Sender in Spanien eine Reality-Show an, die man getrost als das komplette Gegenteil bezeichnen könnte: Ordenstracht statt Pimmel-Blitzer,  Enthaltsamkeit statt Sex-Enthüllungen, Gott statt Geld. „Ich will Nonne werden“ heißt das Format, das im spanischen Fernsehen ab Februar ausgestrahlt wird. Fünf junge Frauen sollen dabei begleitet werden, wie sie ihren Weg ins Kloster antreten – ihren Weg, Nonne zu werden.

Die Frauen müssen verschiedene „Stufen“ absolvieren. So arbeiten sie zum Beispiel in einer Kinderkrippe und werden auch in eine Mission in den bolivianischen Dschungel geschickt. Am Ende der mehrteiligen Serie gilt es, sich zu entscheiden: Nonne oder nicht? Nach Angaben des Senders haben vor Beginn der Show alle fünf Frauen vor, ihr Leben Gott zu widmen und in ein Kloster zu gehen.

„In your face“ – Extreme

Offenbar hat das Format eine bestimmte Anziehungskraft – immerhin schafft es die Ankündigung in die Schlagzeilen internationaler Medien. Aber warum? Vielleicht, weil es die Extreme braucht. Auf der einen Seite treibt das Dschungelcamp den Voyeurismus und den Sadismus unserer heutigen Gesellschaft auf die Spitze. Und auf der anderen Seite dokumentiert „Ich will eine Nonne werden“ die totale Abkehr von dieser Gesellschaft. Und vor allem von ihrer Übersexualisierung. Denn ist es nicht das, woran man* als eines der ersten Dinge denkt, wenn man* „Nonne“ hört: Enthaltsamkeit?

Der Sender sagt, mit dem Format wolle man* einen „Einblick in eine unbekannte Welt“ geben. Irgendwie zweideutig: Natürlich hat zum einen der Durchschnittsmensch eher selten mit Nonnen oder Mönchen zu tun hat. Zum anderen ist es aber auch eine unbekannte Werte-Welt, weil sie so ziemlich allem widerspricht, was in der heutigen Gesellschaft (anscheinend) Konsens ist.

Der Gang ins Kloster ist ein Schlag ins Gesicht der säkularen Gesellschaft und dessen, wofür sie steht. Junge Frauen, die den idealen Lebensweg für sich darin sehen, ihr Leben einzig und allein Gott zu widmen und allen weltlichen Dingen zu entsagen. Wie durchgeknallt ist das (nicht nur) aus weltlicher Perspektive! Und vielleicht braucht es Menschen, die ein solches Extrem wählen, um auch uns zum Nachdenken zu bringen. „Ich will Nonne werden“ – ein Ausspruch, der auch mich innehalten lässt. Um mich zu fragen: Was zählt eigentlich in meinem Leben?

Kabel sortieren

Mein Vater ist ein penibler Mensch, wenn es um Arbeit und Ordnung geht. Bei ihm bekommen Maßband und Wasserwaage sakralen Charakter. Wenn ein Tisch, ein Schrank oder Kabel noch um 5 mm perfekter positioniert werden können, wird es getan.

Ich bin nicht so. Bei mir ist gerne die fünf mal grade und „perfekt“ liegt halt irgendwo zwischen zu gut und zu schlecht.

Zu einer der nervigsten Geschichten zwischen meinem Vater und mir gehört wahrscheinlich das Einrichten seines Büros. Als wir fertig waren, wurde jedes Möbelstück wahrscheinlich achttausendmal angepackt, musste der Schreibtisch gefühlt halb zersägt werden und nochmal neue Kabelhalter gekauft werden, damit auch alle elektrischen Kabel perfekt positioniert werden können.

Seit nun fast vier Jahren hab ich meine eigene Wohnung.
Seit fast vier Jahren nervt es mich, wenn ich unter dem Schreibtisch staubsauge und die Mehrfachsteckdosen, Kabel und Stecker jedes Mal Minuten kosten ,es richtig zu machen.

Aus lauter Sturheit, in diesem Zusammenhang nicht so werden zu wollen wie mein Vater, habe ich wahrscheinlich noch nichts dran gemacht.
Jedes Mal aufs Neue tue ich mir das an.

Manchmal denke ich dann aber doch: So schlecht ist dieser Satz mit dem „die Mitte zwischen euch beiden finden“ nicht.
Manchmal sind auch innere Kompromisse vielleicht ganz sinnvoll.

Untertitelbetrachtung

Dreifach Glauben. leben mit glauben – glauben mit leben. Klingt konventionell, unglaublich fetzig, sonntäglich katholisch … eh ja, wie denn jetzt eigentlich?

Als gute Studentin lernt man ja, sich zunächst mal mit den Begriffen auseinanderzusetzen – deshalb hier ein Versuch über unseren Untertitel (liebe Theologen, das LThK hab ich zugelassen , sondern mal ganz schlicht gegoogelt, nehmt es mir nicht übel):

leben: Leben ist der Zustand, den Lebewesen gemeinsam haben und der sie von toter Materie unterscheidet … (wikipedia.de)

Das heißt ja eigentlich, Leben ist das Gegenteil von Tod. Aber was gehört dazu? Aufstehen, lernen, essen, lachen, weinen, reden, Zähneputzen, Sport, kochen, staubsaugen … alles , was ich so den lieben langen Tag tue. So weit, so gut.

glauben: für möglich und wahrscheinlich halten, annehmen; meinen … jemandem, einer Sache vertrauen, sich auf jemanden, etwas verlassen/ vom Glauben erfüllt sein … in seinem Glauben von der Existenz einer Person oder Sache überzeugt sein … (duden.de)

Hier bietet sich eine ganze Reihe von Bedeutungen. Kann ich auch allem erstmal so zustimmen. Glauben ist Vertrauen, oft Gefühl, aber auch Überzeugung.

Und nicht zuletzt steht da noch

mit: drückt Gemeinsamkeit … Wechselseitigkeit bei einer Handlung aus (duden.de)

Klar, es verbindet Dinge miteinander, stärker noch als ein schnödes „und“.

So. Und was habe ich jetzt davon? Zusammen genommen ergäbe es ja so etwas wie: „Alles, was ich den lieben langen Tag tue, hat eine Gemeinsamkeit mit dem, auf das ich vertraue, wovon ich überzeugt bin und was ich fühle.“

Hmm. Vielleicht mit einem Grundsatz, der mir aus der Pfadfinderei vertraut ist: „Als Pfadfinderin sage ich, was ich denke, und tue, was ich sage“. Wovon ich überzeugt bin, schlägt sich in meinem alltäglichen Leben nieder und umgekehrt bleiben die Dinge, auf die ich vertraue, nicht unbeeindruckt von dem, was mich umgibt.

Oder mit Christoph Theobald auf den Punkt gebracht: „Leben und glauben, dass es gut ist zu leben, ist ein und dasselbe.“

Versteckt. Irgendwo. Mittendrin.

Samstagmorgen letzte Woche. Irgendwo in der Eifel. Es geht um das Thema Barmherzigkeit. In der uralten Kirche liegen Plakate aus, auf die man* seine Meinung schreiben kann.

Die Frage: Kann man* trotz all dem, was sich Menschen alles gegenseitig an schlimmen Dingen antun, noch an Gottes Barmherzigkeit glauben?

Barmherzigkeit. Was für ein Wort? Im Alltag gebrauchen wir es kaum. Ich überlege. Wo habe ich schon einmal so was wie Barmherzigkeit erfahren? Mir fällt es ein. Damals im Bus von Los Angeles nach San Francisco.

Auf einem Plakat hat jemand aufgeschrieben: „versteckt. Irgendwo mittendrin und doch ganz konkret ist sie gelebt da.“

Vielleicht muss ich gar nicht erst soweit weg gehen um so etwas wie Barmherzigkeit zu erfahren. Auch gar nicht in Gedanken und in Erinnerungen an die Busfahrt in Kalifornien.

Schön, wenn man* die Erfahrung machen kann, dass andere zu einem*r barmherzig sind. Nicht um andere klein zu machen, sondern um sie ganz groß werden zu lassen.

Barmherzigkeit geschieht an mir und durch mich an anderen. Oft von mir selbst „unbemerkt. versteckt. Irgendwo mittendrin und doch ganz konkret ist sie gelebt da.“

Der sperrige Begriff beginnt sich mit Bedeutung zu füllen.

Ein erster Aufbruch.

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Jeden Tag ein neues Törchen. Dieser Beitrag ist Teil unseres Adventkalenders 2015 zum Thema Aufbruch & Abbruch. Alle weiteren Einträge findest du in unserem Archiv unter Adventskalender 2015.

Unangenehme Wahrheiten

Der „Club der roten Bänder“, momentan meine absolute Lieblingsserie.

Kurz zum Inhalt: Die Serie dreht sich um eine Gruppe Jugendlicher, die allesamt wegen verschiedenen Schicksalsschlägen im Krankenhaus behandelt werden. Dort finden sie zusammen und beschließen eine Gemeinschaft zu bilden, den „Club der roten Bänder“. Gegenseitig stützen sie sich und kämpfen gemeinsam gegen ihre Schicksalsschläge, aber auch gegen die ganz normalen Probleme des Erwachsenwerdens.

Eine Folge dreht sich ganz um unangenehme Wahrheiten.

Dabei fällt der Satz:

„Wir sind immer wieder gezwungen, unangenehme Wahrheiten zu sagen. Das ist eine der schwierigsten Aufgaben in unserem Leben.“

Unangenehme Wahrheiten – im Beruf, im Privatleben, in der Familie.

Überall sind sie zu finden.

Ich fange mit einer kleinen unangenehmen Wahrheit an, die mir schon lange im Bauch liegt.

Und siehe da – es geht mir besser.

Es mag kitschig sein, aber diese wuchtige Aussage hat mir beim Schauen der Serie irgendwie den Spiegel vorgehalten.

Umso länger ich warte, desto schwieriger und unangenehmer werden sie.

Die Zeit läuft!

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Jeden Tag ein neues Törchen. Dieser Beitrag ist Teil unseres Adventkalenders 2015 zum Thema Aufbruch & Abbruch. Alle weiteren Einträge findest du in unserem Archiv unter Adventskalender 2015.

Du bist die Mauer?!

Mein Geburtstag ist der 1. April 1990. Die DDR existierte noch.

Der Mauerfall lag etwa fünf Monate zurück.

Zwei Wochen vor meinem Geburtstag finden die ersten und zugleich die letzten freien Wahlen zur Volkskammer der DDR statt.

Die Wiedervereinigung ist im vollen Gange.

Die DDR oder besser gesagt das, was davon übrig geblieben ist, kenne ich nur von diversen Berlin-Besuchen, Zeitzeugenberichten und aus den Medien.
Ich habe diese Nacht nicht miterlebt. Nicht als Zuschauer am Fernsehen und schon gar nicht vor Ort in Berlin.
Und doch bereitet es mir immer wieder Gänsehaut,
wenn ich die Bilder jener Nacht sehe.
Menschenmassen an den Grenzübergängen in Berlin. Jubel. Tränen.
Endlose Freude über das, was da geschieht.

Der Mauerfall wurde erst durch die Menschenmassen auf den Straßen möglich.
Die Bürger*innen der DDR wollten nicht länger eingesperrt sein, nicht länger gesagt bekommen, was sie zu tun oder zu lassen haben.
Durch die Mauer war ein ganzes Land sichtbar getrennt.
Familien wurden auseinandergerissen.
In der Nacht des Mauerfalls haben sich Emotionen und Hoffnungen auf den Straßen gesammelt und haben mit dafür gesorgt, dass die Mauer eingerissen wurde.

Doch wie sieht es heute aus? Die Mauer als Bauwerk ist, bis auf kleine Restteile, verschwunden.

Deutschland ist seit 25 Jahren wiedervereinigt.

Bei einem Berlin-Besuch im Sommer 2013 besuchte ich die Gedenkstätte Berliner Mauer in der Bernauer Straße und stolperte regelrecht über einen Stein, der mich heute noch zum Nachdenken bringt. Ich habe keine Ahnung, ob er zur Ausstellung gehört, oder ob ihn jemand einfach dahin gelegt hat.

Seine Aufschrift: DU BIST DIE MAUER

Was hat das zu bedeuten?

Ich entdecke bei mir immer wieder Mauern in meinem Kopf, bei denen es auch an der Zeit wäre sie einzureißen.
Mein oftmals enger Blick, meine Zweifel, Vorurteile, schlechte Angewohnheiten…

Ich könnte noch viel mehr aufzählen. Als ich die Inschrift auf dem Stein das erste Mal gelesen habe, kam ich mir irgendwie überführt und erwischt vor.
Was hat das zu bedeuten?

Mauern einreißen. Das geht nur dann, wenn ich bei mir anfange und meine Mauern einreiße. Mauern aus Angst. Mauern aus Gewohnheit.

Jede*r hat Mauern in ihrem*seinem Leben.

Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer. Vor 26 Jahren.
Ein Anfang. Doch es darf niemals aufhören damit.
Mauern müssen immer wieder eingerissen werden.
Mauern aus Gewalt, Vorurteilen und Pessimismus.
Mauern aus Desinteresse und Wegschauen.
Mauern im Alltag.

Du bist die Mauer. Du bestimmst, ob sie fällt.

Jetzt reicht’s!

Da ist er – dieser Moment. Der Moment, in dem ich mir denke „Jetzt reicht’s!“

Eigentlich geht’s mir gut. Ich fühle mich fit, das Studium läuft Richtung Ende, mein Kontoauszug jagt mir keinen Schrecken ein und das Wetter ist nach meinem Geschmack. Wie gesagt: Gut.

Eigentlich.

Denn da gibt es noch die anderen. Die Menschen in meinem Umfeld, denen es alles andere als gut geht.

In unregelmäßigem, aber bedrohlich dichtem Takt prasseln Neuigkeiten auf mich ein, die mich fertig machen. Es sind nicht meine eigenen Schicksalsschläge. Und doch treffen sie auch mich. Vielleicht nicht ganz so stark, aber sie treffen mich. Und sie haben das Potential mich umzuhauen. An ihnen ändern auch Studiumsendspurt, Kontoauszug und Sonnenschein nichts. Und das Schlimmste: Ich kann nichts an ihnen ändern.

Meine Ohnmacht macht mich wahnsinnig und wütend. Und ich richte mich an den, von dem ich glaube, dass er keine Ohnmacht kennt, und sage „Jetzt reicht’s!“.

Ob mir das zusteht?

Ich weiß es nicht.

Ich glaube es nicht.

Aber in dem Moment fällt mir nichts anderes ein, was ich sagen könnte.

Verliebt in die verrückte Welt

Noch ein paar Minuten zwischen zwei Terminen. Zu wenig, um verplant werden zu können, und zu viel, um herumzustehen. Also einfach losgehen und einmal im Kreis herumlaufen.

Seltsam, obwohl ich ständig an dieser Wand vorbeigehe, ist mir bisher noch nie das Graffiti aufgefallen. Ein Meisterwerk? Schwarze Schrift auf orangenem Grund. „Verliebt in die verrückte Welt. Hermann Hesse. 1877-1962.“

Aus eigenem Antrieb hätte ich wahrscheinlich nie nach dem Zitat gesucht. Die schönsten Dinge findet man* halt meistens, wenn man* nicht danach sucht. Oder finden sie uns?

Wer war das denn? Was hat sich der*die Sprayer*in eigentlich dabei gedacht? Plötzlich legt sich ein leises Lächeln über mein Gesicht. Genial, der Spruch fasziniert mich. „Verliebt in die verrückte Welt.“ Hoffentlich bin ich das hin und wieder auch mal wieder.

P.S.: Seit Wochen war das Foto in meinem Handy gespeichert. Heute hat es mich zufällig wieder gefunden. Jetzt will ich es wissen. Woher kommt das Zitat?

Notiz an mich: Hermann Hesse. „Gestutzte Eiche“. Juni 1919. Danke für das TROTZDEM!