Novemberlaune und Sonnenmenschen

Augen auf – Der Wecker klingelt, 7 Uhr.
Fenster auf: Novemberwetter.
Ich gehe aus dem Haus. Ich bin gewappnet.
Mit meinem neuen besten Freund:
Dem Regenschirm.
Mit ihm versuche ich mich zu schützen.
Vor der Nässe. Vor der Welt. Vorm November.
Im November läuft alles auf Sparflamme.
Die Heizungen. Aus Kostengründen.
Auf Sparflamme auch meine Motivation.
Im Studium. Im Freundeskreis. Im Leben.
Nur die Regenwolken scheinen von Sparflamme noch nichts gehört zu haben.
Schade drum.
Ich hasse den November. Jetzt ist es raus.
Ich hasse diesen toten Monat.
Da ist der Weinstand am Hauptmarkt nicht mehr und der Weihnachtsmarkt noch nicht offen.
Ich hasse den November und das merkt man auch.
Im November bin ich kein guter Mensch.
Im November brauch ich euch noch viel mehr.
Ihr Sonnenmenschen.
Ihr Wolkenbrecher*innen.
Ich brauche euch zum Aufrechtgehen. Zum Kopf Ausschalten.
Ihr dreht meine Sparflamme auf und haltet den Regenschirm für mich.
Dann kann ich ich sein – und vielleicht doch ein bisschen mehr so wie du.

Verliebt in die verrückte Welt

Noch ein paar Minuten zwischen zwei Terminen. Zu wenig, um verplant werden zu können, und zu viel, um herumzustehen. Also einfach losgehen und einmal im Kreis herumlaufen.

Seltsam, obwohl ich ständig an dieser Wand vorbeigehe, ist mir bisher noch nie das Graffiti aufgefallen. Ein Meisterwerk? Schwarze Schrift auf orangenem Grund. „Verliebt in die verrückte Welt. Hermann Hesse. 1877-1962.“

Aus eigenem Antrieb hätte ich wahrscheinlich nie nach dem Zitat gesucht. Die schönsten Dinge findet man* halt meistens, wenn man* nicht danach sucht. Oder finden sie uns?

Wer war das denn? Was hat sich der*die Sprayer*in eigentlich dabei gedacht? Plötzlich legt sich ein leises Lächeln über mein Gesicht. Genial, der Spruch fasziniert mich. „Verliebt in die verrückte Welt.“ Hoffentlich bin ich das hin und wieder auch mal wieder.

P.S.: Seit Wochen war das Foto in meinem Handy gespeichert. Heute hat es mich zufällig wieder gefunden. Jetzt will ich es wissen. Woher kommt das Zitat?

Notiz an mich: Hermann Hesse. „Gestutzte Eiche“. Juni 1919. Danke für das TROTZDEM!

Ich glaub‘, gestern hab ich Gott getroffen

Einer dieser schei schlechten Tage:

Wecker zu früh. Dusche zu heiß, zu kalt, zu heiß. Klamotten zu ungebügelt. Kaffee zu umgefallen.

Kalender zu voll. Menschen zu viel. Büro zu Büro.

Und als mir dann noch an der Kasse die Erdbeeren – ja, an beschi besondern Tagen will man sich was Gutes tun – und als mir dann also noch an der Kasse die Erdbeeren aus der Schale auf das Fließband rollen, sehe ich wohl mit dem stummen Fluch in meinem Gesicht so sehr nach dieser Art Tag aus, dass mich die Kassiererin erst mitleidig anguckt und dann lacht. Und dann lachen wir beide. Einfach so.

Ach so. Ja, Gott? Der war da irgendwo. Auch an der Kasse. Nicht direkt die Kassiererin. Nicht ihr Lachen. Nein, auch meins nicht.

Dazwischen.

„Dann noch einen schönen Tag.“ „Ihnen auch. Danke.“

Wetter immer noch zu…

Sonnenstrahlkraft

Es ist vier Uhr am Nachmittag, die Sonne hat sich hinter Wolken und Nebel versteckt. Ich bin müde und mache ich mich auf den Weg nach Hause. Eigentlich hätte ich noch Uni – aber die letzte Vorlesung lasse ich sausen. Das ist heute einfach nicht mehr drin…

Mein Auto scheint fast von allein zu fahren. So ist das, wenn man einen Weg wieder und wieder fährt. Die Gewohnheit sitzt am Steuer und lässt einen abstumpfen: für die Umwelt, die andern, das Leben.

Aber das ist mir auch heute ganz recht so – erst mal das Radio aufdrehen. In meinem Auto schotte ich mich ab: vom Nachdenken, von mir, und auch von Gott.

Und dann passiert es plötzlich, auf dem Weg nach unten übersehe ich ein Schlagloch. Ich schrecke auf und schaue mich um… und sehe es. Ich kann es nicht in Worte fassen. Wahre Schönheit: Die Sonne, gerade im Begriff unterzugehen. Das Bild brennt sich mir ein. Ich drehe die Karre um und halte an einer Bushaltestelle. So was habe ich schon lange nicht mehr gesehen: Wie die Sonne hinter Nebelschwaden durchbricht, plötzlich noch einmal alles gibt und mir ihr Leuchten schenkt… wunderbar.

Es ist noch anderen wie mir ergangen. Sieben, acht Leute haben angehalten, sind ausgestiegen. Sie haben ihren Alltag zurückgelassen und stehen jetzt hier. Andächtig sehen wir zu. Eben noch im alten Trott verfangen, schauen wir jetzt einfach nur stumm zu und genießen. Niemand macht Fotos, jedem*r ist klar: Das hier lässt sich nicht einfangen. Nach zwei Minuten ist alles wieder vorbei.