Her mit dem Roboter-Missionar!

Manchmal können Lösungen so einfach sein! Das dachte ich zumindest, als ich in den vergangenen Tagen über den buddhistischen Roboter-Mönch gestolpert bin (virtuell, versteht sich). Das kleine Kerlchen namens Xian’er hat einiges auf dem Kasten: Er kann über den buddhistischen Glauben aufklären, Gebete aufsagen und sich frei im Tempel bewegen. Das soll er auch tun, denn Xian’er ist dazu gemacht, zu demonstrieren, dass sich Glaube und Wissenschaft nicht widersprechen und so neue Gläubige zu gewinnen. So sieht das aus:

China's robot monk has lessons on Buddhism

Sowas könnten wir doch auch gut gebrauchen. In Zeiten von Pfarrer*innen- bzw. Priestermangel und Gemeinden, die zusammengelegt werden wären Roboter  eine tolle Entlastung. Lästige Fragen in Glaubenssachen, auf die sowieso jeder andere Antworten gibt – endlich könnte hier für Ordnung gesorgt werden. Eine zentrale Datenbank auf Abruf, fertig. Und das, ohne wertvolle Arbeitszeit der Geistlichen für zeitraubende persönliche Gespräche zu vergeuden.

Und bei Predigten erst! Man könnte die Langeweile aus dem Quellcode streichen, zack, schon hält es uns vor Spannung kaum noch auf den Kirchenbänken. Licht- und andere Effekte sind heutzutage auch kein Problem mehr (Idee: Augen, die plötzlich rot leuchten, wenn das Wort „Hölle“ vorkommt, vielleicht noch mit etwas Schwefeldampf aus den Ohren). So wird der Kirchenbesuch künftig auch bei Protestant*innen ganz unaufwendig zum Erlebnis, das alle Sinne anspricht.

Nicht vergessen darf man natürlich das eingebaute Staubsaugermodul, das beim Kirchen-Roboter keinesfalls fehlen darf. Wenn der Roboter sich selbstständig bewegt, kann er dabei auch gleich saubermachen. Wieder Geld und Zeit gespart.

Ein ganz netter Nebeneffekt: Roboter sind cool. Der Bezug zur Lebenswelt derer, die er erreichen möchte, fiele einem Roboter-Missionar nicht schwer. Star Wars, Ex Machina, Terminator, RoboCop – in Sachen Anschlussfähigkeit sind Roboter auf der sicheren Seite. Langfristig, garantiert.

Worauf warten wir also noch?

„Risen“ – ein Ereignis, das verändert?

„I believe I can never be the same.“ Mit diesen Worten fasst der Protagonist des Films „Risen“ (deutsch: „Auferstehung“) zusammen, was er über die merkwürdigen Ereignisse nach der Kreuzigung Jesu denkt. Es sind eindrucksvolle Worte nach der Hetzjagd nach dem Leichnam Jesu und nach einer Begegnung, die der römische Tribun nie für möglich gehalten hätte.

Die Auferstehung als Thema eines Hollywood-Films, die Botschaft so klar und deutlich wie in der Bibel selbst. Irgendwie schade. Eine Neuinterpretation, eine herausfordernde Spielart, die bisher Geglaubtes hinterfragt, mich aufregt, mich fordert – wäre das nicht viel spannender gewesen als eine alte Geschichte in neuem Gewand?

Dennoch: Die finalen Worte hallen auf dem Weg aus dem Kinosaal in meinem Kopf nach. „I believe I can never be the same.“ Und da dämmert es: Ist das provozierende vielleicht gerade die Frage, die mir der Film mit diesem Schlusssatz mitgibt? Was könnte herausfordernder sein, als mich aufzufordern, mir ganz konkret zu überlegen: Was verändert Ostern – in meinem Alltag, meinem Innern, meinem Leben?

Der Kuss unter’m Kreuz

DRANGSAL - "ALLAN ALIGN" (Official Video)

Eine aufgerüttelte Frau sitzt nach einem Rosenkrieg in ihrer Wohnung. Sie betet. Macht sich auf den Weg in die Kirche, trifft dort einen Priester. Alleine. Empfängt das Abendmahl – um schließlich den Priester zu küssen, sich an ihn zu schmiegen. Bei ihm findet sie Ruhe.

Das Musikvideo von „Allan Align“, der neuen Single von Drangsal, provoziert mich. Es spielt, wie in der Popkultur häufig zu finden, mit gängigen Stereotypen über Kirche, die mich stören. Und dann das sexuell aufgeladene Abendmahl – beim Brot ist noch alles normal, doch statt Wein gibt es einen innigen Kuss vom Priester.

Doch ich frage mich: Was genau stört denn daran? Das Video spielt gewollt mit provokanten Szenen. Haben wir in der Bibel nicht Texte, die noch viel provokanter sind – das Hohelied zum Beispiel ist um einiges extremer als dieses Video. Und immer wieder wurde der Text aus dem Alten Testament ausgelegt als Beschreibung der Liebe zwischen Gott und Israel bzw. Gott und Kirche. Die erotische Dimension ist ein (harmloser) alter Hut.

Eigentlich ist es doch schön: Die Kirche als Ort der innigen Begegnung – in einem Pop-Video. Als der Ort, an den man* kommt, wenn das Leben im Chaos versinkt; an dem man* Trost findet in der intensiven Gemeinschaft unter dem Kreuz. Je mehr ich darüber nachdenke – daran kann ich nichts Anstößiges finden. Im Gegenteil.

Zeig mir, wie du Nonne wirst!

Während hier in Deutschland das „Dschungelcamp“ gerade wieder Millionen-Quoten einfährt, kündigt ein TV-Sender in Spanien eine Reality-Show an, die man getrost als das komplette Gegenteil bezeichnen könnte: Ordenstracht statt Pimmel-Blitzer,  Enthaltsamkeit statt Sex-Enthüllungen, Gott statt Geld. „Ich will Nonne werden“ heißt das Format, das im spanischen Fernsehen ab Februar ausgestrahlt wird. Fünf junge Frauen sollen dabei begleitet werden, wie sie ihren Weg ins Kloster antreten – ihren Weg, Nonne zu werden.

Die Frauen müssen verschiedene „Stufen“ absolvieren. So arbeiten sie zum Beispiel in einer Kinderkrippe und werden auch in eine Mission in den bolivianischen Dschungel geschickt. Am Ende der mehrteiligen Serie gilt es, sich zu entscheiden: Nonne oder nicht? Nach Angaben des Senders haben vor Beginn der Show alle fünf Frauen vor, ihr Leben Gott zu widmen und in ein Kloster zu gehen.

„In your face“ – Extreme

Offenbar hat das Format eine bestimmte Anziehungskraft – immerhin schafft es die Ankündigung in die Schlagzeilen internationaler Medien. Aber warum? Vielleicht, weil es die Extreme braucht. Auf der einen Seite treibt das Dschungelcamp den Voyeurismus und den Sadismus unserer heutigen Gesellschaft auf die Spitze. Und auf der anderen Seite dokumentiert „Ich will eine Nonne werden“ die totale Abkehr von dieser Gesellschaft. Und vor allem von ihrer Übersexualisierung. Denn ist es nicht das, woran man* als eines der ersten Dinge denkt, wenn man* „Nonne“ hört: Enthaltsamkeit?

Der Sender sagt, mit dem Format wolle man* einen „Einblick in eine unbekannte Welt“ geben. Irgendwie zweideutig: Natürlich hat zum einen der Durchschnittsmensch eher selten mit Nonnen oder Mönchen zu tun hat. Zum anderen ist es aber auch eine unbekannte Werte-Welt, weil sie so ziemlich allem widerspricht, was in der heutigen Gesellschaft (anscheinend) Konsens ist.

Der Gang ins Kloster ist ein Schlag ins Gesicht der säkularen Gesellschaft und dessen, wofür sie steht. Junge Frauen, die den idealen Lebensweg für sich darin sehen, ihr Leben einzig und allein Gott zu widmen und allen weltlichen Dingen zu entsagen. Wie durchgeknallt ist das (nicht nur) aus weltlicher Perspektive! Und vielleicht braucht es Menschen, die ein solches Extrem wählen, um auch uns zum Nachdenken zu bringen. „Ich will Nonne werden“ – ein Ausspruch, der auch mich innehalten lässt. Um mich zu fragen: Was zählt eigentlich in meinem Leben?

Für alles einen Engel?

Engel mit Flügeln

Adventszeit ist Engelszeit: Während sie ihr Dasein in den übrigen Monaten des Jahres in der Esoterik-Ecke des Buchladens fristen, nehmen Engel auf Weihnachtsmärkten, Postkarten, Plakaten, Werbebildern in der kalten Jahreszeit am öffentlichen Leben teil. Weiß, mit Flügeln, mal mit Heiligenschein, mal mit goldenem Zauberstäbchen.

Engel – das bedeutet für mich: Fragen. Was sind sie? Warum sind sie immer geflügelt, kindlich, freundlich? Und vor allem: Warum ist der Glaube an Schutzengel attraktiver als der Glaube an einen Gott?

Engel, das kann vieles sein. Ein Begriff, mit dem jede*r eine ganz eigene Vorstellung verbindet. Unverbindlich. Undogmatisch. Der Theologe Thomas Ruster spricht vom (esoterischen) Engelglauben als „Religion der Bedürfnisse“: Sie sei aus Bedürfnissen entstanden und ihr Zweck bestehe darin, diese zu erfüllen. Darin sieht er – zurecht – eine Gefahr. Denn so werden meine Bedürfnisse zu meinen Gott. Eine Konsumreligion.

Trifft das auch auf meine Engelvorstellungen zu? Habe ich überhaupt welche?

Engel in der Weihnachtszeit, eigentlich sollte das etwas anderes sein. Engel in der Bibel – es gibt sie, zuhauf. Aber niemals ohne den, auf den sie verweisen: Gott. Mit meinen Bedürfnissen hat das nichts zu tun. Es hat etwas damit zu tun, auf etwas Größeres hinzudeuten. Engel sind unbequem (Bileam). Engel sind überraschend (Abraham). Engel sind fordernd (Maria & Josef). Die Bot*innen Gottes zwingen mich geradezu, mit Bedürfnissen abzubrechen, sie zurückzustellen. Und den Aufbruch zu wagen: Zu dem, ohne den Engel nicht zu denken sind.

logo_aufbruch_abbruch

Jeden Tag ein neues Törchen. Dieser Beitrag ist Teil unseres Adventkalenders 2015 zum Thema Aufbruch & Abbruch. Alle weiteren Einträge findest du in unserem Archiv unter Adventskalender 2015.

417 Meter über New York

Normalerweise ist es einfach, einen Schritt nach vorne zu gehen, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Doch als ich kürzlich im Kino saß, mit der 3D-Brille auf der Nase, und dem Protagonisten auf der Leinwand beobachtete, da dachte ich: Nie und nimmer würde ich diesen Schritt tun, der nun folgen würde. Nie im Leben.

„The Walk“ erzählt eine wahre Geschichte, die von Philippe Petit, einem französischen Hochseilartisten. Er sucht nach immer neuen Orten für den nächsten Nervenkitzel, er will immer weiter über sich hinauswachsen. Petit bricht schließlich auf, um seinen Lebenstraum zu verwirklichen: Auf einem Seil zwischen den beiden Türmen des World Trade Centers zu balancieren. Illegal natürlich – und ohne Sicherung.

Es ist vor allem ein Satz Petits, der mir nachgeht:  „People ask me: ‚Why do you risk death?‘. For me, this is life.“ Das soll das Leben sein? Dieser Schritt auf das Drahtseil, 417 Meter über der New Yorker Innenstadt, den ich niemals tun würde? Muss ich einen Extremsport betreiben, um das „wahre Leben“ zu spüren? Braucht das Leben das Angesicht des Todes, um voll zur Geltung zu kommen?

Je mehr ich darüber nachdenke: Ich würde zwar niemals einen Aufbruch wagen, wie es der Protagonist von „The Walk“ getan hat. Aber ich muss täglich andere Schritte tun, vielleicht nicht Hunderte Meter über New York, aber häufig ohne Absicherung. Ohne die Gewissheit, dass es gut ausgeht. Ich muss Neues wagen, um voranzukommen.

Und dann kommt mir in den Sinn: Vielleicht ist es nicht die Nähe des Todes, die uns das Leben spüren lässt – auch nicht beim Hochseilartisten Petit. Vielleicht spürt man* das Leben dann besonders intensiv, wenn man* über sich hinauswächst. Jede*r in ihrem*seinem Rahmen.

logo_aufbruch_abbruch

Jeden Tag ein neues Törchen. Dieser Beitrag ist Teil unseres Adventkalenders 2015 zum Thema Aufbruch & Abbruch. Alle weiteren Einträge findest du in unserem Archiv unter Adventskalender 2015.