Du bist die Mauer?!

Mein Geburtstag ist der 1. April 1990. Die DDR existierte noch.

Der Mauerfall lag etwa fünf Monate zurück.

Zwei Wochen vor meinem Geburtstag finden die ersten und zugleich die letzten freien Wahlen zur Volkskammer der DDR statt.

Die Wiedervereinigung ist im vollen Gange.

Die DDR oder besser gesagt das, was davon übrig geblieben ist, kenne ich nur von diversen Berlin-Besuchen, Zeitzeugenberichten und aus den Medien.
Ich habe diese Nacht nicht miterlebt. Nicht als Zuschauer am Fernsehen und schon gar nicht vor Ort in Berlin.
Und doch bereitet es mir immer wieder Gänsehaut,
wenn ich die Bilder jener Nacht sehe.
Menschenmassen an den Grenzübergängen in Berlin. Jubel. Tränen.
Endlose Freude über das, was da geschieht.

Der Mauerfall wurde erst durch die Menschenmassen auf den Straßen möglich.
Die Bürger*innen der DDR wollten nicht länger eingesperrt sein, nicht länger gesagt bekommen, was sie zu tun oder zu lassen haben.
Durch die Mauer war ein ganzes Land sichtbar getrennt.
Familien wurden auseinandergerissen.
In der Nacht des Mauerfalls haben sich Emotionen und Hoffnungen auf den Straßen gesammelt und haben mit dafür gesorgt, dass die Mauer eingerissen wurde.

Doch wie sieht es heute aus? Die Mauer als Bauwerk ist, bis auf kleine Restteile, verschwunden.

Deutschland ist seit 25 Jahren wiedervereinigt.

Bei einem Berlin-Besuch im Sommer 2013 besuchte ich die Gedenkstätte Berliner Mauer in der Bernauer Straße und stolperte regelrecht über einen Stein, der mich heute noch zum Nachdenken bringt. Ich habe keine Ahnung, ob er zur Ausstellung gehört, oder ob ihn jemand einfach dahin gelegt hat.

Seine Aufschrift: DU BIST DIE MAUER

Was hat das zu bedeuten?

Ich entdecke bei mir immer wieder Mauern in meinem Kopf, bei denen es auch an der Zeit wäre sie einzureißen.
Mein oftmals enger Blick, meine Zweifel, Vorurteile, schlechte Angewohnheiten…

Ich könnte noch viel mehr aufzählen. Als ich die Inschrift auf dem Stein das erste Mal gelesen habe, kam ich mir irgendwie überführt und erwischt vor.
Was hat das zu bedeuten?

Mauern einreißen. Das geht nur dann, wenn ich bei mir anfange und meine Mauern einreiße. Mauern aus Angst. Mauern aus Gewohnheit.

Jede*r hat Mauern in ihrem*seinem Leben.

Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer. Vor 26 Jahren.
Ein Anfang. Doch es darf niemals aufhören damit.
Mauern müssen immer wieder eingerissen werden.
Mauern aus Gewalt, Vorurteilen und Pessimismus.
Mauern aus Desinteresse und Wegschauen.
Mauern im Alltag.

Du bist die Mauer. Du bestimmst, ob sie fällt.

Ich wär gern weniger wie ich

Ich mag es, wenn Lieder meine Gedanken anstoßen und mich ins Grübeln bringen.

Während des Hörens fällt mir auf, wie oft ich dann doch ein bisschen mehr so wie du sein möchte.

Neidisch schaue ich auf das, was du hast und was ich nicht habe. Mal wieder…

Ich stelle mir selbst eine Aufgabe: Heute bin ich mal zufrieden mit mir.

Geht das? Ein Versuch ist es wert.

Zufriedenheit mit allem, was mich ausmacht und was ich habe.

Ich finde keine Lösung, aber ich versuche zumindest mir einen Satz zu Herzen zu nehmen, den ich vor einigen Jahren gehört habe, nachdem ich wieder einmal versucht habe du zu sein.

Wer vergleicht, verliert.

Es lohnt sich immer wieder auf ein Neues auszuprobieren,
ich zu sein und nicht du.

Kraftklub - Wie Ich (official video)

Du (er)trägst mich

Immer wieder sind sie da.
Diese Momente in denen man sich selbst ertragen muss.
Wenn man mal wieder Geisel seiner selbst ist.

Mir fallen zu genüge Dinge ein, die ich an mir ändern will, ändern sollte, ändern könnte…?

Doch da sind sie.

Wer?

Die Menschen, die mich ertragen und aushalten.
Die Menschen, mit denen ich Tränen lachen und das Leben gebührend feiern kann.
Die Menschen, die mir aber auch mal sagen, wie blöd ich sein kann.
Die Menschen, mit denen ich weinen kann.

Ich habe oft das Gefühl, dass ich viel zu wenig erwähne, wie sehr ich euch brauche und wie viel Kraft ihr mir gebt, mich manchmal selbst zu ertragen.

Mit euch kann ich meine Zweifel beiseite räumen und zumindest für einen Moment fest daran glauben, dass es dich gibt.

Mitten unter uns.