Das Säuseln

Lautes Böllergeknalle läutete vor 10 Tagen das neue Jahr ein. Der Himmel wurde mit allen möglichen Farben erhellt und viele setzten sich neue Vorsätze. Dieses Jahr kann doch nur besser werden als das letzte. Jetzt endlich starte ich durch.

Ein kollektiver Sinneswandel wurde mit bunten Funken und lauten Böllern eingeleitet. Ab jetzt laufen gehen. Endlich wieder fit sein. Schluss machen mit dem, was eine*n ärgert. Das neue Jahr bietet all diese Möglichkeiten und vor allem eine Begründung sich zu verändern.

Ich gebe zu, ich habe auch meine Vorsätze. Aber wenn ich daran denke, wann sich was in meinem Leben geändert hat, dann war das nur ganz selten durch einen lauten Knall. Eher so Knallerbsen. Kurzes Erschrecken. Lachen. Dann selber welche werfen.

Vielmehr war es immer wieder ein Säuseln.
Etwas ganz Leises. Für keine*n anderen hörbar.

Und egal, wie laut das Feuerwerk an Silvester ist „nach dem Feuer kam ein sanftes, leises Säuseln.“ (1. Kön 19, 12)

Ich mag Feuerwerk.
Aber an meinem Leben ändert das nichts.

Weihnachtsmarkt Overload

So wie jedes Jahr, zieht es auch mich in einem Anflug von vorweihnachtlicher Romantik auf den Weihnachtsmarkt. Ich tauche ein in die Menge, lasse mich vom Strom der Menschenmasse mitziehen, werde eins mit ihr und lasse die Situation auf mich wirken.

Als erstes erschlägt mich die Geräuschkulisse. In meinen Ohren klingelt Jingle Bells gepaart mit Oh du Fröhliche und einem Liederwirrwar der tausenden Stimmen um mich herum. Das Lied des einzelnen geht dabei unter. Genauso wie die Klarinettentöne des Straßenmusikers, der in einer Ecke einsam für sich selbst spielt – niemand beachtet ihn.
Ich blicke nach oben. Es ist eigentlich schon lange dunkel und doch erleuchtet das künstliche Licht der unzähligen Lichterketten und blinkenden Rentiernasen den Himmel. Sie machen die Nacht zum schillernden Tag.

Langsam atme ich ein. Anstatt der kühlen Nachtluft, die ich im Winter so gerne rieche, steigt mir der typische Duft des Weihnachtsmarktes in die Nase. Es ist ein buntes Potpourri aus Glühweingewürzen, gebratenen Mandeln, Frittenfett und dem schweren Parfüm der Frau, die sich neben mir durch die Menge zwängt.

Unzählige Menschen kommen mir entgegen. Lachend, gestresst, betrunken, glücklich oder verloren sehen sie aus. Alle haben eins gemeinsam. Jeder von ihnen trägt neben den, für die Weihnachtszeit obligatorischen, Plastiktüten – reich gefüllt mit Geschenken für die Liebsten – sein ganz persönliches Päckchen mit sich. Ob dieses gefüllt mit Freude oder Sorgen ist, lässt sich nicht sagen. Das hier ist sowieso nicht der richtige Ort, über den Inhalt nachzudenken!

Diese ganzen Eindrücke strömen innerhalb von Sekunden auf mich ein.

Und plötzlich sagt alles in mir Stopp. Absolute Reizüberflutung. Ich muss hier weg. Sofort.

Ich flüchte mich in eine naheliegende Kirche, deren Türen noch offen sind. Hier ist es angenehm still und kühl. Der Raum wird sanft und unaufgeregt durch den Schein einiger weniger Kerzen erleuchtet. Es riecht vertraut nach abgestandenem Weihrauch. Hier bin ich ganz alleine. Fast. Mein eigenes Päckchen habe ich mitgebracht. Hier ist der richtige Ort, um es auszupacken.

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Jeden Tag ein neues Törchen. Dieser Beitrag ist Teil unseres Adventkalenders 2015 zum Thema Aufbruch & Abbruch. Alle weiteren Einträge findest du in unserem Archiv unter Adventskalender 2015.