Vergangene Woche bin ich durch mein tief verschneites und winterliches Heimatdorf spaziert. Ein solcher Spaziergang ist für mich immer mit vielen Erinnerungen verbunden. Sowohl an direkt erlebte Ereignissen als auch allgemeinerer Natur an eine Zeit, die es nicht mehr gibt. Ganz schön merkwürdig mit 24 Jahren eine solche Aussage zu treffen.
Doch es gibt viele Orte in meinem Dorf, die mir dies deutlich bewusst machen: Die Bank unterhalb des Friedhofs, auf der immer ein älterer Herr saß, ist meistens leer, vor dem Haus an dem ich gerade vorbeispaziere steht kein Stuhl, obwohl früher immer dort eine Frau saß und sich mit den Vorbeikommenden über das Wetter unterhielt, und auch der Dorfladen, der von einer älteren Dame geleitet wurde, die immer, schon bevor ich den Laden richtig betreten hatte, mein Lieblingseis in der Hand hielt, ist geschlossen. All diese Orte und ihre Personen waren für mich feste Institutionen, die das Leben hier ausmachten. Nun sind sie nicht mehr da.
Das macht mich sehr traurig. Nicht nur, weil ich diese Personen vermisse, auch weil ich immer wieder spüre, wie sehr diese Personen dem Leben und dem Geist hier fehlen. Manchmal bekomme ich Angst, dass die doch recht wenigen jungen Menschen im Dorf diese Lücken nicht füllen können. Es scheinen mir immer weniger Schultern zu sein, auf denen das Dorfleben lastet.
Manchmal glaube ich, dass aus dem goldenen Herbst in meinem Dorf ein bitterkalter Winter geworden ist.
Doch bei diesem winterlichen Spaziergang fielen mir Plakate auf: Zum Einen wird zum ersten Mal ein Disco-Fox-Kurs angeboten, zum Anderen ist mein Dorf jetzt an ein Netz eines sogenannten Bürger*innenbusses angeschlossen, mit dem Senior*innen einfach und kostengünstig zum Supermarkt oder zu Ärzt*innen fahren können. Beim Lesen dieser Plakate wurde ich davon abgelenkt, dass zwei Kinder, die gerade einen Schneeiglu gebaut haben, mit ihrer Mutter diskutierten, ob sie jetzt wirklich nach Hause kommen müssen. Nach einigem Protest gingen die Kinder an mir vorbei auf dem Weg nach Hause. Genau als sie an mir vorbeikamen sagte eins zum anderen: „Guck nicht so traurig! Morgen kommen wir bestimmt wieder!“
Da stand ich tief im Schnee mit der dicken Jacke in meiner Winterstimmung und es kam mir ein älteres Lied der Sportfreunde Stiller in den Sinn, mit dem ich mich dann aber doch selbst ermahnen musste:
„Und ich warte mal wieder auf den Frühling!
Man kann nicht nur traurige Lieder singen,
doch bald werden sie wieder anders klingen,
wenn die ersten Sonnentage Wärme bringen!“