Schlussstrich ziehen.

Es war nicht so einfach, aber das letzte Jahr habe ich nochmal gelernt Schlussstriche zu ziehen. Manche freiwillig, manche unfreiwillig. Manche unter die Geschichte mit einem Menschen, weil der Tod für einen kurzen Moment über ihr Leben siegte. Manche unter eigene Anforderungen, weil sie mehr lähmten als motivierten.

Manche Schlussstriche unter Sätze, die mir nachgingen. Sätze, die mich lange begleiteten, ohne mir jemals geholfen zu haben. Die mir gerade dann in den Kopf schossen, wenn ich sie am wenigsten brauchte.

Ich habe Schlussstriche gezogen unter Menschen, die Kraft raubten, ohne Halt zu geben. Die immer etwas wollten und ihre eigene Unfähigkeit hinter blumigen Wortgewändern versteckten.

Schlussstriche unter Geschichten, die verletzt haben. Die immer noch verletzen. Wo der Schlussstrich angefangen hat und bis zum Ende des Jahres durchgezogen wird. Ein kleines ToDo bis Weihnachten.

Bist du gläubig?

Nach ein paar Getränken an der Theke lautet die Frage meiner neuen Bekanntschaft: „Bist du gläubig?“

Ich muss zugeben, dass mir diese Frage häufig gestellt wird und trotzdem muss ich kurz innehalten. Mein erster Impuls ist „Ja“ zu sagen und zu hoffen, dass wir wieder das Thema wechseln können. Mir ist unklar, worauf mein Gegenüber hinaus möchte und welche Antwort ihn zufrieden stellen könnte.

Ich entscheide mich dazu, ihm ausführlicher zu antworten, zeige auf, wie ich das Leben sehe und welche Werte ich vertrete. Wir diskutieren im Anschluss über Gott und die Welt. Er verabschiedet sich mit den Worten: „So einen wie dich habe ich noch nicht getroffen… Ich würde auch gerne glauben.“

Es ist eine dieser Begegnungen, über die ich noch am nächsten Morgen nachdenke. Mit Sicherheit habe ich ihn nicht von etwas überzeugt und wahrscheinlich ist er sich nicht darüber bewusst, was das Gespräch in mir ausgelöst hat.

Doch diese Frage in einer Bar hat mich auf die Adventszeit eingestimmt.

Herzlich Willkommen, Neuanfang?

In letzter Zeit ist mir aufgefallen, dass die aktuellen Veränderungen mich ganz schön herausfordern: Studienabschluss, ein neuer Job, Umziehen, neue Umgebung, neue Menschen. Das waren schon eine ganze Menge Veränderungen auf einen Schlag.

Und dann habe ich in meiner Playlist dieses Lied von Clueso „Neuanfang“. Da singt er immer wieder „Herzlich Willkommen – Neuanfang!“

Ich bin mir nicht sicher, ob ich so motiviert und überschwänglich auf etwas Neues, auf Veränderungen zugehe. Versteh mich bitte nicht falsch: Ich habe mich total darauf gefreut nicht mehr zu studieren, endlich den Abschluss in der Tasche zu haben und mein eigenes Geld zu verdienen. Aber trotzdem… Herzlich Willkommen, Neuanfang?

Meine Erfahrung ist, dass ich mir erst mal eine Menge Sorgen und Gedanken mache, wenn Veränderungen ins Haus stehen: „Wie wird das nur werden?“, „Wie soll ich das alles schaffen?“… Und das hat eine hohe Berechtigung. Die Sorgen haben einen Grund und müssen ernstgenommen werden. Und dennoch will ich der Sorge allein nicht die Macht überlassen.

Clueso hat’s für mich erkannt. Er spricht vom Gegenwind. Ich fühle mich so oft gehemmt vor lauter Gegenwind und denke: „Das ist unmöglich! Aber Clueso sagt: „Doch ich lauf los, all die schönen Erinnerungen ich halt sie hoch!“
Gute Idee! Einfach draufloslaufen! Die guten alten Zeiten im Gepäck, um daraus Kraft zu schöpfen und wieder Neues anzugehen. Und aus dem Neugeformten können wiederum schöne Erinnerungen entstehen.

Und dann sagt Clueso auch ganz klar: „Das Vorne (also das Neue) es fühlt sich wacklig an!“ Ist ja logisch, weil wir es noch nicht kennen. Wir wissen noch nicht, wo es uns hinführt. Und trotzdem gelingt es mir (wenn ich mir all meine Sorgen und Gedanken gemacht habe) wie Clueso, ein Herz zu fassen und zu sagen: „Herzlich willkommen – Neuanfang!“

Warum ich das kann? Weil ich nicht allein unterwegs bin. Weil ich Familie und Freund*innen habe, die mit mir gehen und weil da noch einer ist, der mit mir geht und der sagt: „Macht euch keine Sorgen! Denn die Freude am Herrn ist eure Stärke!“ (Neh 8,10)

Daran kann ich mich festhalten. Und es fällt mir nicht jeden Tag leicht, mich daran zu erinnern: wenn´s gerade mal nicht so gut läuft oder wenn richtig schlechte Nachrichten kamen, oder wenn mal wieder ein Tag ist an dem ich mir viele Sorgen und Gedanken mache. Aber letzten Endes bleibt es das, was mich ausmacht und woran ich mich festhalten kann; woraus ich immer wieder Kraft für Veränderung und Neuanfang schöpfen kann. Und dann habe ich auch den Mut laut auszusprechen: „Herzlich Willkommen, Neuanfang!“

Leben auf Pause

Es sind die kleinen Sätze einer anderen Person, die mir oft helfen etwas, was selbstverständlich scheint, nochmal besser zu begreifen. In diesem Jahr hatte ich einen Workshop mit Krankenpflegeschüler*innen. Das Thema „Nächstenliebe“. Ein Klassiker jeder Katechese und dort eben auch oft folgenlos.

Von 146 Bildern – all die Bilder, die noch in meinem Downloadordner für verschiedene Aufträge waren – sollten sie sich ein Bild aussuchen, das für sie am besten „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ erklärt.

Kein weiterer Input. Nur die Bilder als Hilfe und die Erzählungen der anderen Schüler*innen als Impuls. Ein Satz ist mir in dieser Arbeit besonders in Erinnerung geblieben. Und wenn ich ihn jemandem erzähle, bekomme ich immer noch Gänsehaut.

„Nächstenliebe bedeutet für mich“, sagte sie, „das eigene Leben für jemand anderen auf Pause zu stellen.“

Bäm. In meinem ganzen Studium ist mir noch keine so präzise Definition von Nächstenliebe begegnet. Weil sie das Bedingungslose aufzeigt, aber die Grenzen, meine Kapazitäten, nicht vernachlässigt.

Auf Pause stellen heißt eben auch, irgendwann wieder Play zu drücken.