Mut zum Tiger in dir

Was ich am Theologiestudium besonders klasse finde, sind die Praktika. Raus aus dem Vorlesungssaal, hin zu den Menschen, Erfahrungen sammeln, sich ausprobieren, das Gelernte in die Tat umsetzen, Glaube vor Ort erleben und teilen…

Eine der prägendsten Erfahrungen, die ich in meinem letzten Praktikum machen durfte, war das Ermutiger*in-Sein. Im Rahmen einer ökumenischen Jugendaktionswoche, in der es darum ging, gemeinsam Gutes zu tun und sich sozial zu engagieren, wurden ein paar Jugendliche und Betreuer*innen für einen Tag lang zu Ermutiger*innen. Unsere Mission: Menschen an ihrem Arbeitsplatz besuchen. Unser Ziel: ihnen für ihre tagtägliche Arbeit „Danke“ sagen – kurz: sie ermutigen.

Ausgestattet mit einem Strauß Blumen sind wir also losgezogen und haben Menschen an ihren unterschiedlichen Arbeitsplätzen überrascht: in der Polizeidienststelle, in der Bäckerei, im Krankenhaus…

Die Menschen haben zunächst nicht schlecht gestaunt, als plötzlich eine Gruppe junger Leute mit Blumen vor ihnen stand, um ihnen ein positives Feedback für ihre Arbeit zu geben. Doch nach der ersten Verwunderung erschien ein Lächeln auf den Gesichtern. „Es tut gut, sowas mal gesagt zu bekommen. Wir versuchen wirklich jeden Tag unser Bestes zu geben. Schön, dass unsere Arbeit geschätzt wird!“

Durch diese Aktion ist mir deutlich geworden, dass Ermutiger*in-Sein ganz einfach ist, sei es für ein Familienmitglied, für eine*n Freund*in oder eben für einen fremden Menschen an seinem Arbeitsplatz. Es braucht dabei nicht viele große Taten oder Worte. Eine kleine Geste, wie ein Lächeln oder ein positiver Zuspruch reichen manchmal schon, um einen Menschen zu ermutigen, ihm eine Freude zu machen und ihm zu zeigen, dass man ihn und das, was er tut, wertschätzt. Sowas kann Balsam für die Seele sein, nicht nur für den*die Ermutigten, sondern auch für den*die Ermutiger*in selbst.

Es wäre schön, wenn die Welt voller Ermutiger*in wäre…

…lass uns heute noch damit anfangen.

Weck den*die Ermutiger*in in dir!

Jesus lebt in Trier!?

Ende der Veranstaltung. Nach dem Gottesdienst gehen alle wieder nach Hause. An der Kirchenwand fällt mir ein Schriftzug auf. „Jesus lebt in Trier“. Zugegeben. Man* muss schon genau hinsehen. Die weiße Kreide ist schlechter zu lesen als die schwarze Farbe. Vielleicht ein Werk zweier Künstler*innen, die sich gegenseitig ergänzt haben. Vielleicht hat sich die Geschichte auch einfach selbst fortgeschrieben. Ein Schreibgespräch? Sicherlich ist es von den Hausherr*innen nicht gewollt und wird wohl eher als Sachbeschädigung angesehen.

Hatte der*die Verfasser*in vielleicht sonst keinen Raum, ihr*sein Bekenntnis der Öffentlichkeit mitzuteilen oder wollte er*sie damit einfach nur provozieren? Eine spannende Frage und vor allem eine spannende Aussage. „Jesus lebt in Trier“. Das feiern Christ*innen doch seit fast zweitausend Jahren in dieser Stadt. Zumindest beim Gottesdienst ist klar: alle, die in die Kirche gehen, gehen in die Kirche, um das zu feiern. Aber woran merken Menschen, die nicht in die Kirche gehen, dass Jesus auch in Trier lebt? An der sterilen Außenhülle?

Die Grenze ist der Ort der Erkenntnis. Papst Franziskus sagt ja auch, man* muss an die Ränder der Gesellschaft gehen. Suchen wir Jesus eigentlich mehr in unseren Kirchengebäuden als auf den Marktplätzen und Verkehrswegen unserer Städte? Wenn wir drinnen feiern „Jesus lebt in Trier!“, müssen wir uns auch draußen fragen lassen „Jesus lebt in Trier?“ – Was bedeutet das eigentlich und woran kann man* es merken?

Julianmäßig

Julian ist vier.

Er steht auf einer Mauer, die doppelt so hoch ist wie er. Stolz und erhaben.

Ich kenne ihn erst seit ein paar Stunden. Ich kann ihn nicht einschätzen. Ich habe Angst, dass er von der Mauer fällt. Sicherheitshalber breite ich die Arme aus.

Ich will sagen: „Spring! Keine Angst! Ich fang Dich auf!“ Ich will ihm erklären, dass er ruhig springen kann. Dass er mir vertrauen kann, auch wenn er mich erst seit ein paar Stunden kennt.

Ich will es ihm erklären. Ich beginne mit meiner Rede und sage: „Spring!… – “ Doch weiter komme ich nicht. Denn da habe ich Julian schon in den Armen. Einfach so. Meine Erklärungen über Vertrauen usw. konnte ich mir sparen.

Für Julian war das keine große Sache. Doch ich war erst fassungslos und dann begeistert. Er hat mir vertraut. Einfach so. Ohne mich zu kennen und ohne dass ich um sein Vertrauen werben musste.

Vertrauen – das hängt für mich eng mit Glauben zusammen.

Julian fällt das leicht – vertrauen: davon ausgehen, dass es im Endeffekt gut wird.

Und genau damit tu ich mir manchmal schwer. Lieber weiß ich vorher ganz genau, worauf ich mich einlasse. Gerne höre ich mir erst mal Erklärungen an. Und erst dann will ich vertrauen.

Doch bei Gott läuft das anders.

Julianmäßig – so möchte ich gerne glauben können:

Nicht auf Erklärungen warten.

Ungewissheit aushalten.

Vertrauen – auch dem, den ich vielleicht noch nicht zu Gesicht bekommen habe.

Du (er)trägst mich

Immer wieder sind sie da.
Diese Momente in denen man sich selbst ertragen muss.
Wenn man mal wieder Geisel seiner selbst ist.

Mir fallen zu genüge Dinge ein, die ich an mir ändern will, ändern sollte, ändern könnte…?

Doch da sind sie.

Wer?

Die Menschen, die mich ertragen und aushalten.
Die Menschen, mit denen ich Tränen lachen und das Leben gebührend feiern kann.
Die Menschen, die mir aber auch mal sagen, wie blöd ich sein kann.
Die Menschen, mit denen ich weinen kann.

Ich habe oft das Gefühl, dass ich viel zu wenig erwähne, wie sehr ich euch brauche und wie viel Kraft ihr mir gebt, mich manchmal selbst zu ertragen.

Mit euch kann ich meine Zweifel beiseite räumen und zumindest für einen Moment fest daran glauben, dass es dich gibt.

Mitten unter uns.

Ich glaub‘, gestern hab ich Gott getroffen

Einer dieser schei schlechten Tage:

Wecker zu früh. Dusche zu heiß, zu kalt, zu heiß. Klamotten zu ungebügelt. Kaffee zu umgefallen.

Kalender zu voll. Menschen zu viel. Büro zu Büro.

Und als mir dann noch an der Kasse die Erdbeeren – ja, an beschi besondern Tagen will man sich was Gutes tun – und als mir dann also noch an der Kasse die Erdbeeren aus der Schale auf das Fließband rollen, sehe ich wohl mit dem stummen Fluch in meinem Gesicht so sehr nach dieser Art Tag aus, dass mich die Kassiererin erst mitleidig anguckt und dann lacht. Und dann lachen wir beide. Einfach so.

Ach so. Ja, Gott? Der war da irgendwo. Auch an der Kasse. Nicht direkt die Kassiererin. Nicht ihr Lachen. Nein, auch meins nicht.

Dazwischen.

„Dann noch einen schönen Tag.“ „Ihnen auch. Danke.“

Wetter immer noch zu…