Von Zeit zu Zeit Chaos

Es könnte so einfach sein mit diesen Deadlines, diesen Abgabeterminen, diesen unerwartet auftauchenden Fristen, die ich dann doch immer wieder mit Erstaunen zur Kenntnis nehmen muss. Wie bei diesem Text hier: In paar Minuten soll er online gehen. Und ich? Ich hatte bis gestern noch nicht einmal eine Idee, worüber ich schreibe. Es könnte so einfach sein, denn Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit.“

Also rein theoretisch hätte ich immer genügend Zeit für meine Sachen. Theoretisch hätte ich aber auch das Latinum besser als mit ausreichend bestehen können. Es ist dann doch immer wieder die Praxis, die mir aufzeigt, dass scheinbar alles unter dem Himmel seine Zeit hat, aber die Anzahl der Stunden und wie ich sie nutze dann doch in meiner Verantwortung bleibt.

Denn auch wenn alles eine Stunde hat, so lasse ich mich oft dazu verleiten, die Stunden der Sachen parallel zu legen. So kommt es von Zeit zu Zeit zum Chaos; aber auch das hat seine Zeit.

Der richtige Platz

Umzug.

Neue Wohnung.

Ausbildung beendet.

Angekommen? Irgendwie nicht…

Die Suche nach dem richtigen Platz geht also weiter?

Gibt es ihn überhaupt? Den richtigen Platz?

Vielleicht kein Ort.

Sondern ein Gefühl.

Geborgenheit. Zufriedenheit. Ankunft.

Mensch-Werden und Den-richtigen-Platz-Finden.

Immer und immer wieder.

Kein ewiges Suchen und Hinterherrennen.

Sondern Finden.

In Momenten.

In Begegnungen.

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Jeden Tag ein neues Törchen. Dieser Beitrag ist Teil unseres Adventkalenders 2016 zum Thema Mensch werden. Alle weiteren Einträge findest du in unserem Archiv unter Adventskalender 2015 oder in unserem Online Adventskalender.

Gegenlicht

Genau der richtige Moment!

Nach einem anstrengenden Bürotag ist endlich Feierabend.
Tagsüber ist es an diesem Novembertag auch nicht richtig hell geworden.

Grau in Grau, November halt.

Unbewusst gehe ich heute einen Umweg nach Hause.
Der Himmel über mir ist genauso langweilig und eintönig wie die Pflastersteine unter mir.
Ich biege um die Ecke.

Mir fällt die ungewohnte Beleuchtung der Fassaden auf.
Ein Moment für die Ewigkeit.
Der Himmel spiegelt die Farbe der Erde wider.

Gegenlicht.
Nur einen Augenblick lang.
Wunderschön.

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Wutfahrerin

Ich sage es offen heraus: Am Steuer eines Autos hört mein Mensch-Sein auf!

Denn sobald ich die Wagentür zuschlage, den Motor starte und die Boxen meiner Musikanlage bis zum Anschlag aufdrehe, lege ich auf wundersame Weise das ab, was mir sonst als Mensch, als Christin, als Madeleine doch so wichtig ist:

Meine Freundlichkeit und Gelassenheit verwandelt sich in blanke Wut über den Sonntagsfahrer, der vor mir auf der Landstraße mit 60 km/h rumschleicht, während ich ihm die Pest und noch viel schlimmere Dinge an den Hals wünsche und ihm so nah auffahre, dass ich fast die Maschen seiner umhäkelten Klorolle zählen kann.

Mein ökologisches Bewusstsein weicht meiner Bequemlichkeit, weil ich es viel angenehmer finde, morgens mit meinem Auto hoch zur Uni zu fahren, als die viertel Stunde früher das Haus zu verlassen, zur Bushaltestelle zu pilgern und – für ganze sieben Minuten – in einem gar nicht so überfüllten Bus zu stehen.

Meine Ehrlichkeit und mein Gerechtigkeitssinn verabschieden sich in dem Moment, in dem ich mich auf den Mutter-Kind-Parkplatz stelle oder anstatt ein Ticket zu ziehen, es mal wieder darauf ankommen lasse. Von den Geschwindigkeitsüberschreitungen mal ganz zu schweigen.

Meine Sorge um mich und meine Mitmenschen verschwindet dann, wenn ich während der Fahrt zum Handy greife und in den WhatsApp-Familienchat schreibe, dass ich in 20 Minuten zu Hause sein werde, oder wenn ich auf der Autobahn bei schmierig-nasser Strecke einen LKW überhole, nur damit ich die eine Minute früher an meinem Ziel ankomme.

Viel zu oft läuft das so. Aber wieso mache ich das? Wieso lasse ich es mir selbst durchgehen, dass ich als Autofahrerin meine moralischen Prinzipien und das, was mich ausmacht, über Bord werfe, es quasi in der Welt außerhalb meines PKWs zurücklasse, während ich in ein nach Wunderbaum duftendes Paralleluniversum eintauche, in dem ich zu einer Wutfahrerin mutiere? Bedeutet Mensch-Sein, Christ*in-Sein, Madeleine-Sein nicht auch, es 24/7 zu sein? Daran muss ich arbeiten.

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Lichtblicke

Der Duden formuliert nüchtern, aber sehr treffend:

Licht­blick, der: erfreuliches Ereignis, erfreuliche Aussicht während eines sonst eintönigen oder trostlosen Zustandes

Beruflich begegne ich vielen Menschen und merke immer öfter, wie schön und bereichernd diese unterschiedlichen Begegnungen sind und wie gut sie mir tun.

Gerade in dieser dunklen Jahreszeit und geschmückt mit einer Melancholie aus persönlichem Jahresrückblick und vergeigten Vorsätzen geben mir diese Lichtblicke die nötige Motivation.

Privat investiere ich zu wenig Zeit, um den Menschen zu begegnen,
die mir Lichtblicke verschaffen.
Wenn es gerade eintönig oder trostlos ist, erscheinen sie am Horizont.
Wie das Licht eines Leuchtturmes in der Nacht.
Ganz kurz.
Und dann sind sie auch schon wieder vergangen.

Lichtblicke – ob beruflich oder privat:
Sie lassen mich mein Mensch-Sein manchmal besser ertragen.
Lichtblicke – ob beruflich oder privat:
Sie lassen mich mutig und voll Hoffnung und Vertrauen das Mensch-Werden
immer wieder aufs Neue wagen.

Auf geht’s!

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Mein Päckchen

So wie jedes Jahr zieht es auch mich in einem Anflug von vorweihnachtlicher Romantik auf den Weihnachtsmarkt. Ich tauche ein in die Menge, lasse mich vom Strom der Menschenmasse mitziehen, werde eins mit ihr und lasse die Situation auf mich wirken.

Als erstes erschlägt mich die Geräuschkulisse. In meinen Ohren klingelt Jingle Bells gepaart mit Oh du Fröhliche und einem Liederwirrwar der tausend Stimmen um mich herum. Das Lied des einzelnen geht dabei unter. Genauso wie die Klarinettentöne des Straßenmusikers, der in einer Ecke einsam für sich selbst spielt – niemand beachtet ihn.
Ich blicke nach oben. Es ist eigentlich schon lange dunkel und doch erleuchtet das künstliche Licht der unzähligen Lichterketten und blinkenden Rentiernasen den Himmel. Sie machen die Nacht zum schillernden Tag.

Langsam atme ich ein. Anstatt der kühlen Nachtluft, die ich im Winter so gerne rieche, steigt mir der typische Duft des Weihnachtsmarktes in die Nase. Es ist ein buntes Potpourri aus Glühweingewürzen, gebratenen Mandeln, Frittenfett und dem schweren Parfüm der Frau, die sich neben mir durch die Menge zwängt.

Unzählige Menschen kommen mir entgegen. Lachend, gestresst, betrunken, glücklich oder verloren sehen sie aus. Alle haben eins gemeinsam. Jeder von ihnen trägt neben den für die Weihnachtszeit obligatorischen Plastiktüten – reich gefüllt mit Geschenken für die Liebsten – sein ganz persönliches Päckchen mit sich. Ob dieses gefüllt mit Freude oder Sorgen ist, lässt sich nicht sagen. Das hier ist sowieso nicht der richtige Ort, über den Inhalt nachzudenken!

Diese ganzen Eindrücke strömen innerhalb von Sekunden auf mich ein.

Und plötzlich sagt alles in mir Stopp. Absolute Reizüberflutung. Ich muss hier weg. Sofort.

Ich flüchte mich in eine naheliegende Kirche, deren Türen noch offen sind. Hier ist es angenehm still und kühl. Der Raum wird sanft und unaufgeregt durch den Schein einiger weniger Kerzen erleuchtet. Es riecht vertraut nach abgestandenem Weihrauch. Hier bin ich ganz alleine. Fast. Mein eigenes Päckchen habe ich mitgebracht. Hier ist der richtige Ort, um es auszupacken.

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Baustelle Leben

Ein Gruppenleiterkurs –  nicht der erste, nicht der letzte, aber wie jeder halt doch besonders. Auf diesem war die Zusammensetzung außergewöhnlich. Normalerweise begegnen mir auf solchen Veranstaltungen doch verdächtig viele Menschen, die Soziale Arbeit, Erziehungswissenschaften oder was anderes mit Hang zur Pädagogik studieren. Diesmal: Maschinenbauer, Wirtschaftsinformatiker, Informationstechniker. Immer wieder höre ich die Aussage: „Also mit Spiritualität haben wir es ja nicht so bei uns…“ Aber spätestens, als wir über das Versprechen reden (ein zentrales Mittel der Pfadfindermethode, bei dem sowohl einzelne Mitglieder der Gruppe gegenüber ein Versprechen ablegen, als auch die Gruppe sich verantwortlich erklärt für die Einzelnen), wird klar: einzigartige Gänsehaut-Tränen-in-den-Augen-seltsamberührende Momente am Lagerfeuer und am See kennt jede*r.

Als ich am vorletzten Tag den Arbeitsauftrag „Gestaltet einen Wortgottesdienst“ formuliere (das Thema Spiritualität gehört nicht nur zu unserem Verband, sondern ist auch ein Element der Leiterausbildung), ist die Skepsis dennoch groß. Aber im Laufe des Nachmittags entsteht eine bizarre, unerwartete, wuselige, vorfreudige Atmosphäre und es entsteht ein Abend, der mir immer noch nachhängt:

Am Fluss hinterm Haus sind hunderte Teelichter auf Boden, überhängenden Zweigen, am Ufer verteilt, zwei kleine Bodenfeuer erhellen die nasskalte, ungemütliche Nacht. Als Sitzgelegenheit gibt es Matratzen, die Liedauswahl ist ungewöhnlich und ehrlich. Keine fertigen Kirchenlieder, sondern vor allem Popsongs, die viele seit Jahren begleiten. Vorgefertigte Texte aus frommen Andachtsbüchern? Fehlanzeige. Selbst geschriebene Texte, Gedanken zum Thema „Baustelle Leben“, zum Evangelium und zum Nachdenken verbinden Geschichten der Einzelnen zu einer gemeinsamen Feier. Sie verkünden Freiheit, Gemeinschaft und Vertrauen ins Leben. Einige Ausschnitte daraus möchte und darf ich hier veröffentlichen:

Die Gedanken zu Beginn entführen in die erste gemeinsame Wohnung eines Pärchens, das einen Streit über Deckenfarben doch noch versöhnlich meistert: „Beide streichen die Küche zu Ende. Nach getaner Arbeit sitzen sie auf dem Boden ihres leeren Wohnzimmers, sie lehnen an der Heizung. Tom hat seinen Arm um Lila gelegt, schaut ihr in die Augen und sagt: ‚Diese Baustelle haben wir nun auch gemeistert.‘ Lila antwortet: ‚Und die anderen Baustellen, die uns das Leben bereitet, werden wir auch meistern.‘

„Falls du mal nicht genug Energie hast, um deine Baustelle zu erleuchten, lass deine Projekte ruhen. In der Dunkelheit passieren zu viele Fehler, die deine ganze Großbaustelle ruinieren können. Warte, bis die Sonne wieder aufgeht, um dann mit neuem Eifer weiter zu bauen. Nur im Licht kannst du weiter arbeiten und vorankommen.“ Als Kern der Gedanken zu Mk 4,21-25.

Am Ende bleibt eine Gewissheit aus den Impulsfragen zur Baustelle Leben:

„Meine Baustellen sind nicht klar abgesteckt. Sie überlappen, haben kleine Baustellen in sich selbst. Alle Baustellen sind unterschiedlich, alle Baustellen erzeugen ihre eigenen Gefühle bei mir.

Ich will an meinen Baustellen arbeiten.

Ich will ihnen Raum geben zu wachsen.

Ich will sie zulassen, ich will sie fertig stellen.

Ich will meine Baustellen leben!“

Credits: Pascal Brand, Joshua Kreiner, Björn Lubitz, Tobias Lubitz, Nils Werner

Glaube 2.0. Bitte.

Ich beginne den Tag mit dem Blick aufs Handy. Wecker aus. Wie viel Uhr haben wir? Welche Mails kamen über Nacht? Was sagt mein Armband, wie lange mein Tiefschlaf war? Dann erst aufstehen, duschen, Kaffee.

Beim Frühstück verraten mir ToDo-App und Kalender, was den Tag über so ansteht. Durch die verschiedenen Messenger stehe ich direkt in Kontakt.

So geht es den ganzen Tag. Mein Smartphone ist mein Wegbegleiter. Etwas, das ich nicht missen möchte. Es erspart mir verschiedene Kalender, ToDo-Listen, Telefonate und Wissenslücken.

Nur eine Sache fehlt: das Beten, die Andacht. Nicht, weil ich das nicht möchte, sondern weil es nichts gibt. Durch viele Apps organisiere ich mein Leben, aber mein Glaube bleibt chaotisch, unorganisiert und oft auch unbeachtet.

Ich wäre gern auch mit meinem Glauben digital.

Das Radio in meinem Kopf

Ohrwurm, der
Substantiv, maskulin
(umgangssprachlich) Lied, Schlager, Hit, der sehr eingängig und einprägsam ist
mögliche Synonyme: Gassenhauer, Schnulze, Song

Ziemlich nervig, diese Viecher. Nur zwei Takte „Atemlos“ und man* wird es die ganze Nacht nicht los. Ok, das ist wirklich der worst case.

Es geht auch anders. Mein letzter Ohrwurm, der mich Tage begleitet hat, war der neue Star Trek-Titel. Den hab ich solang vor mich hingesummt, bis mein Mann mir den Soundtrack besorgt hat und es als Wecker und Klingelton eingestellt hat.

In dieser Musik könnte ich mich verlieren. So majestätisch, so – fast würde ich altmodisch sagen – „erhaben“. Das löst Gefühle in mir aus, bringt mich in eine bestimmte Stimmung.

Und jedes mal wenn ich in meinem Alltag auf diese Stimmung treffe, wenn ich mir einen Sonnenaufgang ansehe oder wenn ich einen Vogel erhaben durch das Himmelsblau schweben sehe, wird diese Musik in meinem Kopf gespielt –
als mein ganz persönlicher Soundtrack.

Oft merke ich erst in welcher Stimmung ich bin,
wenn ich bewusst auf mein Radio im Kopf höre.
Welche Songs sind gerade dran?

Und manchmal bin ich dann überrascht:
Da trällert mein Hirn ein Taizè-Lied dahin
und erinnert mich daran,
dass es mehr gibt in meinen hektischen Alltag.