Die Wunder dieser Zeit?

Wenn Jesus das kann, dann klappt das auch bei mir.

So simpel war mein Gedankengang, als ich mit ca. fünf Jahren versucht habe, aus Wasser Wein zu machen. Hmpf. Ich war schon etwas enttäuscht, dass sich das Wasser in meinem Zahnputzbecher nicht verwandelt hat.
Wenn ich heute daran denke, muss ich lachen. Wie einfach doch mein Glaube damals war. Wasser in Wein zu wandeln. Wunder. Jesus. Alles war so real. So denkbar.

Und heute? 25 Jahre später? Wie ist das mit den Wundern? Gibt es sie nicht mehr? Glaube ich nicht mehr daran?

So einfach fällt mir die Antwort nicht. Das Nein zu Wundern will mir nicht über die Lippen.
Müsste ich dann nicht auch alles andere in Frage stellen? Jesus und so.

Ich wär gern weniger wie ich

Ich mag es, wenn Lieder meine Gedanken anstoßen und mich ins Grübeln bringen.

Während des Hörens fällt mir auf, wie oft ich dann doch ein bisschen mehr so wie du sein möchte.

Neidisch schaue ich auf das, was du hast und was ich nicht habe. Mal wieder…

Ich stelle mir selbst eine Aufgabe: Heute bin ich mal zufrieden mit mir.

Geht das? Ein Versuch ist es wert.

Zufriedenheit mit allem, was mich ausmacht und was ich habe.

Ich finde keine Lösung, aber ich versuche zumindest mir einen Satz zu Herzen zu nehmen, den ich vor einigen Jahren gehört habe, nachdem ich wieder einmal versucht habe du zu sein.

Wer vergleicht, verliert.

Es lohnt sich immer wieder auf ein Neues auszuprobieren,
ich zu sein und nicht du.

Kraftklub - Wie Ich (official video)

Der Falter

Als ich einmal in eine Kirche ging, kam ich, um die Stille zu genießen. Meine Augen erfreuten sich am unverschämt pompösen Schmuck und meine Ohren freuten sich an der Einfachheit der Klänge. Es war still. Nur meine eigenen Füße gaben dem Raum Klang. Und er antwortete mit all seinen Winkeln.

Ich ging bis nach ganz vorne. Drehte meinen Blick und sah Kerzen, die von Fremden entzündet alleine ihren Tanz tanzten. Ich warf eine Münze in den Korb, nahm mir selbst eine Kerze, entzündete sie, stellte sie zu ihren Geschwistern und setzte mich.

Es schien, als ob sie nur für mich tanzen würden. Nach einem Lied, welches nur sie hören können. Ich konnte die Melodie nur in ihren Bewegungen erraten.

Und wie ich dort saß, fasziniert von den Flammen, hörend auf Stille wurde diese durch ein starkes Vibrationsgeräusch unterbrochen. Ein Falter versuchte mit seinen Flügeln das Glas vor sich wegzuschieben.

Er wollte zum Licht und vergaß dabei das offene Fenster im Schatten hinter sich. Er war geblendet. Und in seiner Blindheit versuchte er unaufhörlich durch das Glas zu kommen.

Ich war deprimiert. Ließ meine Kerze allein mit den anderen weitertanzen und verließ die Kirche.

Sternschnuppen – Hoffnung

Ich schaue in den Himmel, kämpfe dagegen an, dass ich einschlafe. Eine, nur eine noch, dann mache ich die Augen zu. Nur noch einen Stern vom Himmel fallen sehen. Einmal noch, nur eine klitzekleine, …

Der Wunsch, einen dieser magischen Augenblicke zu erleben, wird immer stärker, ich freue mich darauf, konzentriere mich, um ihn ja nicht zu verpassen, hoffe – warte darauf.

Und dann frage ich mich plötzlich, warum mir das bei Sternschnuppen so leicht fällt: darauf zu vertrauen, dass gleich eine über den Himmel fliegt und dass mich dieser Moment faszinieren und zum Staunen bringen wird. Immer wieder neu habe ich das Gefühl, ein kleines Wunder zu erleben, so unberechenbar, schön, unwirklich, weit weg scheinen diese Lichtmomente zu sein – und gleichzeitig doch ganz nah. Sie berühren mich.

Als die nächste Sternschnuppe fällt, schließe ich die Augen und schicke einen Wunsch in den Himmel (den ich hier jetzt mal wider besseren Aberglauben verrate;)): Ich mag so eine Hoffnung haben für Sternschnuppenmomente in meinem Leben – damit sie mich berühren und verändern können… irgendwie pathetisch. Aber das sind Sternschnuppen ja schließlich auch.

Der Fremde ist fremd.

Ja, wer ist das denn?

Der Fremde.
„Ein Schmarotzer! Der nimmt uns die Arbeit weg! Schützt unsere Kinder!“
Aha. Wie treffend.

Der Fremde, wer ist das?
„Asylantenpack! Weg damit! In Auschwitz ist noch Platz!“
Aha. Wie widerlich.

Der Fremde, wer ist das?
Ein Flüchtling – der flüchtet also. Vor was?
Vor Krieg. Vor Tod. Vor Hunger.
Der will weg.
Weg von Menschen, die Kinder töten.
Weg von Schutthaufen, die mal Städte waren.
Weg von zu Hause – weil er weiterleben will.

Und jetzt ist er hier, hat sich durchgekämpft.
Er hat (irgendwie) überlebt, steht hier, ist angekommen –

… und ist fremd.

Na super.
Da ist er gerannt, geschwommen, gehetzt.
Er hat gehungert, hat tagelang nichts getrunken.
Hat Schlepper*innen überlebt und Schiffe, die diesen Namen nicht verdient haben.

Und steht hier und ist fremd.
Und wir rümpfen die Nase.

Ich gehöre zu der Generation, die Dreiviertel ihres moralischen Kompasses aus Disneyfilmen generiert hat.
Deswegen darf ich hier auch ohne Probleme Pocahontas zitieren:
Für dich sind echte Menschen nur die Menschen,
die so denken und so aussehn wie du.
Doch folge nur den Spuren eines Fremden,
dann verstehst du, und du lernst noch was dazu. (…)
Fremde Erde ist nur fremd, wenn der Fremde sie nicht kennt!

derfremde

Der Fremde, wer ist das?

Schmarotzer.

Flüchtling.

Sozialfall.

Armer.

Pack.

Mensch.

Wenn du glaubst, es geht nicht mehr…

Es gibt immer wieder Theaterstücke, die mir etwas über mich und mein Leben sagen. Eines dieser Stücke ist das Musical „next to normal“. Geschildert wird das Leben einer fast normalen US-amerikanischen Kleinstadtfamilie, die mit den Depressionen und Wahnvorstellungen der Mutter zu kämpfen hat. Während sich das scheinbar perfekt eingerichtete Familienidyll zersetzt, fasst besagte Mutter nach einem Selbstmordversuch den Entschluss, ihren Mann zu verlassen, der sich all die Jahre um sie gekümmert hat.

Als also am Ende des Musicals alles in Trümmern liegt, was 2,5 Stunden vorher noch als eingespieltes und intaktes Familienporträt erschien, sehen wir einen am Boden zerstörten Familienvater vor uns. Seine Tochter kommt, um ihn aufzubauen und beginnt damit, das Lied „Light“ zu singen, in das nach und nach alle Charaktere des Stücks einsteigen.

Dieses Lied ist für mich in vielerlei Hinsicht wichtig geworden. Die große Hoffnung, die sich hier aus den Ruinen der heilen Welt schält, lässt mich einfach nie unberührt.

Der Schlüsselsatz ist für mich dabei: „The wasted world we thought we knew – the light will make it look brand-new.“

Egal wie sehr die Kacke auch am Dampfen ist; egal wie schlecht du dran bist; egal was schiefläuft; egal wie sehr diese Welt, von der du dachtest einen Plan zu haben, auch aus den Fugen gerät,

es wird letzten Endes alles wieder gut.

Alles halb so viel, wenn man Dinge im rechten Licht betrachtet. In einem, das wir alle brauchen und das wir alle in unserem Leben scheinen lassen können.

Kitschig? – Ja.

Überzogen? – Mag sein.

Wahr? – Hoffentlich.

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Mut zum Tiger in dir

Was ich am Theologiestudium besonders klasse finde, sind die Praktika. Raus aus dem Vorlesungssaal, hin zu den Menschen, Erfahrungen sammeln, sich ausprobieren, das Gelernte in die Tat umsetzen, Glaube vor Ort erleben und teilen…

Eine der prägendsten Erfahrungen, die ich in meinem letzten Praktikum machen durfte, war das Ermutiger*in-Sein. Im Rahmen einer ökumenischen Jugendaktionswoche, in der es darum ging, gemeinsam Gutes zu tun und sich sozial zu engagieren, wurden ein paar Jugendliche und Betreuer*innen für einen Tag lang zu Ermutiger*innen. Unsere Mission: Menschen an ihrem Arbeitsplatz besuchen. Unser Ziel: ihnen für ihre tagtägliche Arbeit „Danke“ sagen – kurz: sie ermutigen.

Ausgestattet mit einem Strauß Blumen sind wir also losgezogen und haben Menschen an ihren unterschiedlichen Arbeitsplätzen überrascht: in der Polizeidienststelle, in der Bäckerei, im Krankenhaus…

Die Menschen haben zunächst nicht schlecht gestaunt, als plötzlich eine Gruppe junger Leute mit Blumen vor ihnen stand, um ihnen ein positives Feedback für ihre Arbeit zu geben. Doch nach der ersten Verwunderung erschien ein Lächeln auf den Gesichtern. „Es tut gut, sowas mal gesagt zu bekommen. Wir versuchen wirklich jeden Tag unser Bestes zu geben. Schön, dass unsere Arbeit geschätzt wird!“

Durch diese Aktion ist mir deutlich geworden, dass Ermutiger*in-Sein ganz einfach ist, sei es für ein Familienmitglied, für eine*n Freund*in oder eben für einen fremden Menschen an seinem Arbeitsplatz. Es braucht dabei nicht viele große Taten oder Worte. Eine kleine Geste, wie ein Lächeln oder ein positiver Zuspruch reichen manchmal schon, um einen Menschen zu ermutigen, ihm eine Freude zu machen und ihm zu zeigen, dass man ihn und das, was er tut, wertschätzt. Sowas kann Balsam für die Seele sein, nicht nur für den*die Ermutigten, sondern auch für den*die Ermutiger*in selbst.

Es wäre schön, wenn die Welt voller Ermutiger*in wäre…

…lass uns heute noch damit anfangen.

Weck den*die Ermutiger*in in dir!

Jesus lebt in Trier!?

Ende der Veranstaltung. Nach dem Gottesdienst gehen alle wieder nach Hause. An der Kirchenwand fällt mir ein Schriftzug auf. „Jesus lebt in Trier“. Zugegeben. Man* muss schon genau hinsehen. Die weiße Kreide ist schlechter zu lesen als die schwarze Farbe. Vielleicht ein Werk zweier Künstler*innen, die sich gegenseitig ergänzt haben. Vielleicht hat sich die Geschichte auch einfach selbst fortgeschrieben. Ein Schreibgespräch? Sicherlich ist es von den Hausherr*innen nicht gewollt und wird wohl eher als Sachbeschädigung angesehen.

Hatte der*die Verfasser*in vielleicht sonst keinen Raum, ihr*sein Bekenntnis der Öffentlichkeit mitzuteilen oder wollte er*sie damit einfach nur provozieren? Eine spannende Frage und vor allem eine spannende Aussage. „Jesus lebt in Trier“. Das feiern Christ*innen doch seit fast zweitausend Jahren in dieser Stadt. Zumindest beim Gottesdienst ist klar: alle, die in die Kirche gehen, gehen in die Kirche, um das zu feiern. Aber woran merken Menschen, die nicht in die Kirche gehen, dass Jesus auch in Trier lebt? An der sterilen Außenhülle?

Die Grenze ist der Ort der Erkenntnis. Papst Franziskus sagt ja auch, man* muss an die Ränder der Gesellschaft gehen. Suchen wir Jesus eigentlich mehr in unseren Kirchengebäuden als auf den Marktplätzen und Verkehrswegen unserer Städte? Wenn wir drinnen feiern „Jesus lebt in Trier!“, müssen wir uns auch draußen fragen lassen „Jesus lebt in Trier?“ – Was bedeutet das eigentlich und woran kann man* es merken?

Julianmäßig

Julian ist vier.

Er steht auf einer Mauer, die doppelt so hoch ist wie er. Stolz und erhaben.

Ich kenne ihn erst seit ein paar Stunden. Ich kann ihn nicht einschätzen. Ich habe Angst, dass er von der Mauer fällt. Sicherheitshalber breite ich die Arme aus.

Ich will sagen: „Spring! Keine Angst! Ich fang Dich auf!“ Ich will ihm erklären, dass er ruhig springen kann. Dass er mir vertrauen kann, auch wenn er mich erst seit ein paar Stunden kennt.

Ich will es ihm erklären. Ich beginne mit meiner Rede und sage: „Spring!… – “ Doch weiter komme ich nicht. Denn da habe ich Julian schon in den Armen. Einfach so. Meine Erklärungen über Vertrauen usw. konnte ich mir sparen.

Für Julian war das keine große Sache. Doch ich war erst fassungslos und dann begeistert. Er hat mir vertraut. Einfach so. Ohne mich zu kennen und ohne dass ich um sein Vertrauen werben musste.

Vertrauen – das hängt für mich eng mit Glauben zusammen.

Julian fällt das leicht – vertrauen: davon ausgehen, dass es im Endeffekt gut wird.

Und genau damit tu ich mir manchmal schwer. Lieber weiß ich vorher ganz genau, worauf ich mich einlasse. Gerne höre ich mir erst mal Erklärungen an. Und erst dann will ich vertrauen.

Doch bei Gott läuft das anders.

Julianmäßig – so möchte ich gerne glauben können:

Nicht auf Erklärungen warten.

Ungewissheit aushalten.

Vertrauen – auch dem, den ich vielleicht noch nicht zu Gesicht bekommen habe.